E-Sports

Fortnite World Cup: E-Sports spielt in der Liga des Spitzensports

Shooter Game Fortnite
Bild: Fortnite | Epic Games (Ausschnitt Website Epic Games)

Eine Bewegung der Superlative ist die E-Sports-Szene schon länger – der Fortnite World Cup 2019 in New York hat neue Massstäbe gesetzt.

Die Idee der Postfinance, fünf Gaming-Talente im Strategiespiel "League of Legends" zu coachen und zum Profi-Team formen, kam vor einem Jahr noch nicht allzu gut an. Unser Artikel: Postfinance mit E-Sports-Initiative im Gegenwind

Eine Einschätzung zur Entscheidung der Postfinance, im E-Sports-Bereich aktiv zu werden, gibt's am Ende dieses Artikels. Zuerst eine Kurz-Analyse zu E-Sports, zu Turnieren und zur Community.

Der Sturm der Entrüstung und der Gegenwind von allen Seiten hat sich inzwischen gelegt, ein Vorurteil hält sich im Lager der Kritiker allerdings weiterhin hartnäckig und liest sich in etwa so:

Engagierte Video- und Computer-Gamer sind jung, leben nahe am Irrsinn, wohnen in Kellern, starren blassen und pickligen Gesichts 24 Stunden pro Tag in Monitore mit Ballerspielen – hirnlose Zocker und irre Nerds mit Kommunikationsdefiziten eben.

E-Sports, Fortnite World Cup und internationale Mega-Turniere

Was Kennern der Szene nur gerade ein müdes Lächeln abringen kann, ist für vehemente Gegner weiterhin Stein des Anstosses, der sich nur durch Information und Informiertheit aus dem Wege räumen lässt. Verbunden mit der Tatsache, dass Video- und Computergames als digitale Strategiespiele zusammengefasst unter "E-Sports" längst zu anerkannten sportlichen Disziplinen geworden sind.

Mit einem Blick auf die Sieger des Fortnite World Cups in New York, bleibt von der Charakterisierung von oben ohnehin nur gerade noch "jung" übrig. Die restlichen Zuordnungen können gestrichen oder durch "talentiert" ersetzt werden. Abgesehen von den Profis haben die meisten Gamer richtige Berufe, oft und nicht ganz zufällig im ICT-Umfeld, leben ein völlig normales Leben, tragen völlig normale Namen, hören allerdings in der Szene und an Turnieren auf Spielernamen wie Bugha, Crue, Robabz, Nayte oder Fledermoys – und einige von ihnen sind aussergewöhnlich talentiert.

Dieses Talent und ihre Leidenschaft nutzen sie, um an Turnieren als Champions Millionen zu gewinnen. Die Höhe der Preisgelder und die Dimensionen der Turniere machen die Breitenbewegung E-Sports noch breiter. Und diese Bewegung hat inzwischen schon gewaltige Dimensionen erreicht.

250 Millionen Menschen spielen Fortnite

Fortnite, eine Entwicklung von Epic Games, gehört aktuell zu den beliebtesten digitalen Spielen. Strategiespiele wie Fortnite, League of Legends und andere sind nicht blosse Shooter Games. Ballern allein genügt nicht, es braucht strategisches Denken, Voraussicht, eine intelligente Taktik und sehr viel Training, um als Spieler in die Liga der Cracks vorzustossen und sich in dieser Liga halten zu können.

Um bei Fortnite zu bleiben: das Computer Game wird aktuell von rund 250 Millionen Menschen weltweit gespielt. Und diese Zahl wird getoppt von den Interessierten, welche als Zuschauer am TV Spitzenturniere verfolgen oder als Fans in die Stadien strömen, in denen diese Meisterschaften ausgetragen werden.

Allein bei Fortnite-Turnieren liegt die Höhe der Preisgelder für die Saison 2019 bei 100 Millionen US-Dollar. Am diesjährigen Fortnite World Cup in New York im Juli 2019 sind insgesamt 40 Millionen Dollar an die zahlreichen Sieger in mehreren Kategorien verteilt worden. Der Fortnite-Weltmeister, der 16-jährige Amerikaner Kyle Giersdorf, hat 3 Millionen Dollar nach Hause getragen. Auch die anderen Sieger, oftmals Teenager, haben sich in den Wochen zuvor bei Online-Turnieren für die Endrunde in New York qualifiziert und werden mit sehr hohen Preisgeldern belohnt. Was diesen Punkt angeht, sind die Distanzen zum "konventionellen" Spitzensport nicht nur verkürzt worden, sie sind praktisch nicht mehr existent.

Zumal keiner von den Qualifizierten am Turnier einfach nichts gewonnen hat – das Antritts- und Startgeld für jene rund 200 Teilnehmer, die zum World Cup ins Arthur Ashe Stadion nach New York reisen durften, ist mit 50'000 Dollar pro Nase schon mal hoch und attraktiv ausgefallen. Null Punkte am Turnier bedeutet deshalb nicht Heimreise mit leeren Taschen, das Vorbereitungs-Budget für das nächste Turnier bleibt auch für temporäre "Verlierer" gut ausgestattet.

E-Sports ist ein Milliardenmarkt

Wenn jetzt also ein einziges Turnier, es gibt viele weitere, mit total 40 Millionen Dollar Preisgeldern ausgestattet ist, in einem Stadion durchgeführt wird, dass Raum für mehr als 20'000 Zuschauer bietet und Millionen von Zuschauern im TV oder über Livestream anzieht – ein Nischen-Event von und für Spinner, Nerds, Wahnsinnige und Ballermänner? Eher nicht, vielmehr eine Massenbewegung und damit ein weiterhin wachsender Milliardenmarkt. Der Fortnite World Cup 2019 ist aktuell weltweit das grösste Turnier, weitere Spitzenturniere und neue Superlative werden folgen.

Nach Statista werden die Nutzerzahlen von Digitalen Games bis 2022 weltweit bei rund 600 Millionen liegen. In der Schweiz bei prognostizierten 600'000 Nutzern. Rechnet man die Millionen von Szenen-Interessierten dazu, welche E-Sports-Wettkämpfe live in Stadien besuchen oder in Massen am TV oder über Livestreams verfolgen, erreichen die Zielgruppen Grössenordnungen, die weder Marketing-Strategen noch Finanzmarkt-Strategen ignorieren sollten.

Immerhin geht es um Entwicklung, Hardware, Software, Finanzierung, Sponsoring, Bezahl-Systeme an Massenevents, um nur einige Stichworte zu nennen. Und vor allem geht's um die Erreichbarkeit und den Zugang zu Zielgruppen, die Geld verdienen, Geld ausgeben, arbeiten, leben und wohnen – und deshalb interessan sind, auch für die Finanzindustrie.

Fortnite World Cup 2019 aus Schweizer Sicht

Stadion-Groove, Masse in den Zuschauerrängen, Stimmung im Publikum, Teilnehmer und was Schweizer Solo-Spieler oder Teams geleistet haben, gibt's im Video zu sehen. Die Macherinnen und Macher der Schweizer Plattform für E-Sports haben draufgehalten und einen Clip zusammengestellt. Redaktorin Stefanie Holenweg präsentiert die Eindrücke aus New York.

Zurück zum Anfang: Die Entscheidung der Postfinance 2018

E-Sports, Szene, Turniere und Markt waren im Juli 2018 bereits gross, haben sich seither jedoch stark entwickelt und sind auf dem Weg von gross zu gewaltig. Zur Erinnerung und in der Rückschau die damaligen Kritikpunkte und Kommentare von verschiedenen Seiten, welche zeigen, dass die Bedeutung von E-Sports vor einem Jahr bei Medien und in den Köpfen von Journalisten noch nicht durchwegs angekommen war:

Für Blick ein Skandal, "fünf Gamer ein Jahr lang auf Kosten der Posttochter zocken zu lassen, während Hunderte um ihren Job zittern".

Für Christian Capacoel von der Gewerkschaft Syndicom «ein Schlag ins Gesicht» der Angestellten: «Während Hunderte Mitarbeitende um die wirtschaftliche Existenz fürchten, vergnügt sich die Führung mit einem Kriegsspiel!»

Für Blick-Wirtschaftsredaktor Patrik Berger "ein trauriges Game". Berger erwartet als Kunde der Postfinance, «dass die Staatsbank sorgsam mit dem Ersparten umgeht. Ich will nur gut beraten werden – und zwar von ganz normalen, ruhig auch etwas konservativen Bankern. Nicht von irren Nerds, die sich ein Jahr lang virtuell die Köpfe einschlagen.»

Für die Nachrichtenplattform Nau eine Massnahme, welche "Fantasy-Gamer auf Kosten der Arbeiter finanziert".

Für den Walliser SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor der Grund für eine Interpellation, die er in der Herbstsession einreichen will. Addor fragt: «Gehören solche Experimente zum Kerngeschäft der Postfinance?»

Der Fairness halber muss festgehalten werden, dass die Lancierung des E-Sports-Projekts der Postfinance im Juli 2018 kurz nach der Ankündigung eines Abbaus von bis zu 500 Stellen bis Ende 2020 erfolgt ist. Vom Zeitpunkt her nicht sehr glücklich, was die Heftigkeit der Kommentare verschärft haben dürfte. Auf der anderen Seite werden Projekte wie dieses E-Sports-Engagement nicht in kurzer Zeit aus dem Boden gestampft, die Entwicklungsphase dürfte schon länger gelaufen sein, der Zeitpunkt der Lancierung war einfach denkbar schlecht gewählt.

Für die Postfinance selbst war das Engagement damals eine der Massnahmen, als "digitale Innovationsleaderin in der Schweizer Bankenwelt ihre starke Ausgangslage zu nutzen und sich von einer klassischen Finanzdienstleisterin zu einem Digital Powerhouse zu transformieren –  mit dem Ziel, bis Ende 2020 die führende digitale Bank der Schweiz zu sein".

Aus heutiger Sicht betrachtet: Die Entscheidung der Postfinance, in den Aufbau eines professionellen E-Sports-Teams die geschätzte und überschaubare Summe von 400'000 Franken für ein Jahr zu investieren, könnte längerfristig pralle Früchte tragen. Natürlich abhängig davon, wie die Postfinance das vorbereitete Terrain in Zukunft nutzt und bewirtschaftet. Immerhin, die dynamische Entwicklung und die weiterhin zunehmende Akzeptanz des E-Sports-Marktes setzen klare und positive Signale.

Wer als digitaler Finanzdienstleister einen kompetenten Schuh in der Szene und im Business hat, schafft sich neue und nutzbare Zugänge zu einem riesigen Markt, der auf Wachstum programmiert ist.