Die schnellen Zahlungen – bei der Einführung von Instant Payments (SCT Inst) gefeiert als das "neue Normal" – sind in Europa nie wirklich aus den Startlöchern herausgekommen. Das ist erstaunlich, weil Konsumentinnen, Konsumenten und Firmenkunden von Überweisungen im Zeitalter der Digitalisierung schon länger erwarten, dass sie schnell über die Bühne gehen. Schnell heisst: nach dem Auslösen der Überweisung trifft das Geld innerhalb von zehn Sekunden auf dem Empfängerkonto ein. Ohne fixe Ladenschlusszeiten, ohne Wochenend-Pausen, Instant Payments werden rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr ausgeführt.
So viel zu den Erwartungen von Bankkunden und zur europäischen Initiative von EPC (European Payments Council) und ERPB (Euro Retail Payments Board), die das Relikt der trägen Zahlungen aus dem letzten Jahrhundert ins aktuelle Überweisung-Zeitalter transformieren wollten.
Von Siegeszug und "neuem Normal" für die schnellen SEPA-Zahlungen war nichts zu spüren. Die Initiative, gestartet im November 2017, ist gescheitert an der Unlust der Banken, SCT Inst aktiv zu unterstützen und zu implementieren. Der Widerstand der Banken hat sich vor allem in zwei Faktoren manifestiert, welche Instant Payments daran hinderten, auf die notwendige Flughöhe zu kommen:
Ein Drittel der Banken hat sich bis heute nicht am System der schnellen SEPA-Zahlungen beteiligt. Das hat kräftig Sand ins Getriebe der Idee geworfen, weil auslösende und empfangende Banken im System präsent sein müssen, damit ausgelöste Sofort-Überweisungen auch tatsächlich ankommen. Auf einem Flickenteppich mit Lücken können Instant Payments nicht zuverlässig funktionieren, die Grundvoraussetzung ist flächendeckende Verfügbarkeit.
Bei jenen Banken, die sich am System beteiligten, hat ein beträchtlicher Teil Instant Payments als neue Gebührenquelle identifiziert. Die blauäugige Vorstellung der Banken – wir bieten jetzt Premium-Klasse und Economy im Zahlungsverkehr – kam bei Bankkunden aus nachvollziehbaren Gründen überhaupt nicht gut an. Wer schnelle Überweisungen nicht als unglaubliche Innovation, sondern heutzutage als Selbstverständlichkeit betrachtet, ist nicht bereit, für diese Selbstverständlichkeit extra zu bezahlen. Auch dann nicht, wenn Banken gerne lauthals jammern, mit viel Aufwand und Kosten die Einführung von SCT Inst verbunden ist.
In diesem Zusammenhang ist weniger die Lust auf weitere Gebühren bemerkenswert, mehr noch die falsche Einschätzung zahlreicher Banken, die ihre Kunden und deren Erwartungen offenbar nicht so gut kennen, wie sie glauben.
Instant Payments haben seit ihrer Einführung 2017 ein Mauerblümchen-Dasein gefristet, nur gerade 11 Prozent der Überweisungen sind 2021 als schnelle SEPA-Zahlungen ausgeführt worden. Der Löwenanteil ist in gewohnter Trägheit verarbeitet worden. Eine Trägheit, die vom Europa-Parlament nicht mehr goutiert wird, diese Woche hat das Gremium dem sechsjährigen Trauerspiel ein Ende gesetzt.
Was das Europäische Parlament entschieden hat
Die neue Verordnung ist schon länger im Gespräch, wir haben mehrfach berichtet, diese Woche sind die entsprechenden Vorschriften angenommen und verbindlich verabschiedet worden.
Zusammengefasst hat das Europäische Parlament folgende Punkte festgeschrieben:
Euro-Überweisungen innerhalb von zehn Sekunden
Die schnellen SEPA-Zahlungen werden in Europa verpflichtender Standard, das gilt für alle Banken und Zahlungsdienstleister. Eine Sofortüberweisung soll unabhängig von Tag und Stunde ausgeführt werden können und das Geld soll innerhalb von zehn Sekunden auf dem Konto des Empfängers eingehen. Auf der anderen Seite soll der Auftraggeber ebenfalls innerhalb von zehn Sekunden darüber informiert werden, ob der überwiesene Betrag dem Empfänger zur Verfügung gestellt wurde oder nicht.
EU-Mitgliedstaaten mit anderer Währung
Auch für die Mitgliedstaaten, deren Währung nicht der Euro ist, gelten die neuen Vorschriften, wenn Konten bereits regelmässige Transaktionen in Euro anbieten. Dafür wird ihnen eine Übergangsperiode eingeräumt, um die Verordnung umzusetzen. Ausserdem wird für solche Konten eine Ausnahme-Regelung von der Zehn-Sekunden-Regel ausserhalb der Geschäftszeiten gelten, um mögliche Bedenken hinsichtlich des Zugangs zu Liquidität in Euro auszuräumen.
Sofort-Überweisungen ohne zusätzliche Gebühren
Für Sofort-Überweisungen dürfen keine zusätzlichen Gebühren belastet werden. Die Gebühren, die ein Zahlungsverkehrsdienstleister für Sofort-Überweisungen in Euro erhebt, dürfen nicht höher sein als die Gebühren, die er für "nicht sofortige" Überweisungen in Euro erhebt. Das bedeutet: Waren die langsamen Standard-Überweisungen bisher kostenlos, werden es auch die schnellen Zahlungen sein.
Sicherheit für Kundinnen und Kunden
Um die Sicherheit zu gewährleisten, sollen Zahlungsverkehrsdienstleister über solide und aktuelle Instrumente zur Betrugserkennung und Betrugsprävention verfügen. So soll verhindert werden, dass Überweisungen aufgrund von Betrug oder Irrtum auf ein falsches Konto gehen. Zu diesem Zweck sollen in der EU tätige Zahlungsverkehrsdienstleister eine unverzügliche Überprüfung der Identität des Empfängers anbieten, auch das ohne zusätzliche Kosten oder Gebühren.
Wählbare Höchstbeträge für Sofort-Überweisungen
Als zusätzliche Schutzmassnahme gegen Betrug sollen Zahlungsverkehrsdienstleister ihren Kundinnen und Kunden die Möglichkeit geben, einen Höchstbetrag für Sofortüberweisungen in Euro festzulegen. Dieser Höchstbetrag soll jeweils vor der nächsten Überweisung einfach und unkompliziert geändert werden können, falls einmal ein höherer Betrag überwiesen werden soll.
Pflichten und Strafen im Zusammenhang mit Betrugsbekämpfung
Kommt ein Zahlungsverkehrsdienstleister seinen Pflichten zur Betrugsbekämpfung nicht nach und entsteht dadurch ein finanzieller Schaden, so können Kunden künftig eine Entschädigung von diesem Dienstleister verlangen.
Weitere vorgeschriebene Überprüfungen
Zahlungsverkehrsdienstleister, die Sofortüberweisungen anbieten, müssen überprüfen, ob gegen ihre Kunden Sanktionen oder andere restriktive Massnahmen im Zusammenhang mit Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung verhängt wurden.
Der längst fällige Durchbruch von Instant Payments steht vor der Tür
Mit seiner Entscheidung macht das Europäische Parlament den Weg für Sofort-Überweisungen frei und schreibt das finale Kapitel zu Instant Payments in Europa. Der federführende niederländische Europa-Abgeordnete Michiel Hoogeveen fasst den längst fälligen Durchbruch von Instant Payments mit folgenden Worten zusammen:
«Die Verordnung über den sofortigen Zahlungsverkehr stellt die lang erwartete Modernisierung des Zahlungsverkehrs im europäischen Binnenmarkt dar. Die Kunden können sich nun von der Unannehmlichkeit verabschieden, zwei oder drei Arbeitstage auf ihr Geld warten zu müssen. Wir setzen etwas um, das den Menschen und Unternehmen wirklich am Herzen liegt: Geldüberweisungen innerhalb von 10 Sekunden zu jeder Tageszeit.»
Das Durchsetzen der neuen Verordnung zu Instant Payments war keine Zitterpartie, die Entscheidung im Europäischen Parlament ist mit grosser Mehrheit gefällt worden. Die Texte mit den neuen Vorschriften sind mit 599 gegen 7 Stimmen bei 35 Enthaltungen angenommen worden. Details zur Verordnung sind auf der Website des Europäischen Parlaments zusammengestellt, hier.
Die neuen Vorschriften treten 20 Tage, nachdem sie im Amtsblatt der EU veröffentlicht wurden, in Kraft. Die Mitgliedstaaten haben dann zwölf Monate Zeit, die Verordnung umzusetzen.
Hat der EU-Entscheid eine Signalwirkung für Schweizer Banken?
Die schnellen Zahlungen kommen jetzt auch in der Schweiz, allerdings nicht freiwillig, sondern erst auf Druck der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Das ist insofern schade, als der Finanzplatz Schweiz damit die Chance verpasst hat, von sich aus Instant Payments zum Standard zu machen, noch vor der EU, was dem Ansehen des Landes sehr gut bekommen wäre.
Die SNB verpflichtet grosse Schweizer Banken und Zahlungsdienstleister ab August 2024 zum Empfang von Instant Payments. Die Finanzinstitute bleiben jedoch frei in der Entscheidung, ob sie die ausgehenden schnellen Zahlungen ihren Kundinnen und Kunden als Service oder als Standard ebenfalls anbieten wollen.
Über die Modalitäten und den Fahrplan der Umsetzung haben wir mehrmals berichtet, letztmals und mit allen Detail hier.
Das Beispiel der EU kann als Blaupause dienen, unter welchem Umständen Instant Payments zum Fliegen kommen und welche Hindernisse nicht auf der Startbahn stehen sollten. Und auch, warum zusätzliche Gebühren für die schnellen Überweisungen von Bankkunden nicht goutiert werden und deshalb keine Chancen haben.
Ob die Schweiz bei der Einführung von Instant Payments die Fehler der EU blind wiederholt oder ob Sofort-Überweisungen die trägen Zahlungen aus dem letzten Jahrhundert schnell und reibungslos ersetzen können, wird sich in den nächsten Monaten zeigen.