Zwischenbilanz: Harmonisierung Zahlungsverkehr Schweiz

Bild: Getty Images | Diego Ontivero

Was das Projekt "Harmonisierung Zahlungsverkehr Schweiz" bringt, was es kostet, wie es sich rechnet, wo die Knackpunkte liegen und wie lange es dauert.

Die Endtermine rücken näher, Informationsdefizite und Rückstände werden spürbar, SIX verstärkt die Kommunikations-Massnahmen, Banken ebenfalls – Zeit für einen aktuellen Status zu Kosten, Nutzen und Terminen.

Was es kostet und was es bringt

Der Frage von Aufwand und Nutzen geht Boris Brunner von SIX Interbank Clearing in der aktuellen Ausgabe von Clearit auf den Grund. Brunner bezieht sich dabei auf die aktuelle Studie, welche Deloitte im Auftrag der SIX durchgeführt hat.

Was es kostet
Die gesamten Kosten, um den Standard ISO 20022 in der Schweiz umzusetzen, werden von Deloitte hochgerechnet und beziffert:

  • Einmalige Umstellungskosten: CHF 1'020 bis 1'240 Millionen
  • Anteil Finanzinstitute: CHF 550 bis 600 Millionen
  • Anteil private Unternehmen: CHF 450 bis 550 Millionen
  • Anteil öffentlicher Sektor: CHF 70 bis 90 Millionen

Was eingespart werden kann
Die Analysten von Deloitte rechnen mit jährlichen und damit wiederkehrenden positiven Auswirkungen in der Höhe von CHF 271.9 Millionen. Die jährlichen Einsparungen pro Anspruchsgruppe:

  • Finanzinstitute und Clearinggesellschaft: CHF 65.1 Millionen
  • Private Unternehmen: CHF 197.0 Millionen
  • Öffentlicher Sektor: CHF 8.6 Millionen

Wie es sich amortisiert
Von Deloitte berechnete Amortisationszeiträume pro Anspruchsgruppe:

  • Finanzinstitute: 8.4 Jahre
  • Private Unternehmen: 2.5 Jahre
  • Öffentlicher Sektor: 9.3 Jahre

Software-Hersteller sind in den aktuellen Berechnungen nicht mit aufgeführt, weil sich (nach Deloitte) die finanziellen Auswirkungen in diesem Bereich nicht fundiert quantifizieren lassen.

Boris Brunner unterstreicht die Bedeutung des Projekts "Harmonisierung Zahlungsverkehr Schweiz" auch mit dem Hinweis, dass der Zahlungsverkehr nicht nur in reinen Zahlen betrachtet werden darf, sondern vielmehr auch in seiner systemkritischen Bedeutung gesehen werden muss. Zudem, so Brunner, schafft der Zahlungsverkehr auch Sicherheit und bietet eine einfache Anbindung an den internationalen Handel, neben Kosten- und Effizienzvorteilen.

Fahrplan und Rückstand

"Migration ISO 20022 – Endspurt oder erst Startschuss?", fragt Bruno Kudermann von SIX Interbank Clearing in der aktuellen Ausgabe von Clearit. Während im Interbankenbereich alles nach Plan läuft, zeigen sich im Kunde-Bank-Bereich noch Defizite.

Kudermann konstatiert konkret: "Die Migration der Firmenkunden auf ISO 20022 liegt klar hinter den Erwartungen zurück." Er verweist auf die Erhebungen von SIX vom Januar 2017, welche "noch kein sehr optimistisches Bild vermitteln".

Interessant dabei sind die grossen Unterschiede: Treiben einige Banken, nach Kudermann, die Migration im Kunde-Bank-Bereich sehr aktiv voran, haben andere Institute die Migration ihrer Firmenkunden noch nicht einmal gestartet. Da klafft eine Schere, die aktuell offensichtlich noch sehr weit geöffnet ist.

Das dürfte streckenweise eng werden. Hier muss noch viel an Überzeugungsarbeit und konkreten Massnahmen auf allen Seiten geleistet werden, weil die Termine gesetzt sind: bis Ende 2017 (EZAG) bzw. bis Mitte 2018 (DTA) muss die Migration abgeschlossen sein. Danach gilt nur noch der Standard ISO 20022, proprietäre und ältere Formate werden nicht mehr unterstützt.

Je nach Anteil der Firmenkunden, die bis heute noch keine Fortschritte in ihren Umsetzungsprojekten realisiert haben, dürfte die Umstellung für diese Gruppe von Firmenkunden in Kooperation mit Softwarepartnern und Banken zur Herkulesarbeit werden, was das Tempo angeht.

SIX gibt Gas, die Banken ebenfalls

SIX und Banken verstärken ihre Aktivitäten, um auf der Landkarte des Projekts "Harmonisierung Zahlungsverkehr Schweiz" die noch vorhandenen weissen Flecken (primär im Bereich KMU) mit Farbe und damit auch mit konkreter Aktion zu füllen.

Unterstützung von Partnern und Kunden
Softwarehäuser und KMU werden von Banken und auch von SIX verstärkt angesprochen und unterstützt. Dabei ist es nicht so, dass die Unterstützung bisher gefehlt hätte, das Problem lag auf Seite der Firmenkunden eher in der Kommunikation oder in ihrer Haltung zum Projekt. Eine beträchtliche Zahl von Firmenkunden war sich offensichtlich gar nicht oder zu wenig bewusst, in welchen Bereichen KMU selbst und direkt gefordert sind und wo sie Unterstützung benötigen.

Informationskampagne
SIX agiert seit März 2017 offensiver in der Kommunikation und versucht mit einer Informationskampagne, die verschiedenen Aspekte des Projekts näher und eindringlicher an die verschiedenen Zielgruppen heranzutragen. Einerseits, um die Bevölkerung mit ins Boot zu nehmen, vor allem jedoch, um involvierte Parteien wie KMU auf Anpassungen, Termine, bisherige Versäumnisse und aktuelle Notwendigkeiten zu sensibilisieren.

Boris Brunner SIX: "Mehrwert der Harmonisierung unter Beweis"

Bruno Kudermann SIX: "Migration ISO 20022 – Endspurt oder erst Startschuss?"

Deloitte: Management Summary | Studie: Auswirkungen der Harmonisierung des Zahlungsverkehrs

Stichworte zum Thema im Lexikon: ISO 20022 | Harmonisierung Zahlungsverkehr | Betroffene Verfahren