Was Blockchain, Bitcoin, Ether, ICO, China und Zug miteinander zu tun haben

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Warum Pioniergeist und Innovation ohne Nebenwirkungen nicht möglich sind. Weshalb Instrumente und Anwendung nicht in denselben Korb passen. Und warum ein explodierendes Reagenzglas nicht das ganze Labor in Brand setzt.


Zuerst: ICOs und China

Bekanntlich hat die chinesische Zentralbank ICOs (Initial Coin Offerings) letzten Montag kurzerhand verboten. Einen Tag später warnt die russische Zentralbank vor den Risiken im Umgang mit ICOs und Kryptowährungen. Auch Südkorea will die Zügel anziehen, andere Länder werden folgen oder beobachten noch.

Mit ICOs finanzieren sich Unternehmen und Ideen. Ähnlich wie durch ein IPO (Initial Public Offering), allerding mit zentralen Unterschieden: ICOs funktionieren (noch) praktisch unreguliert, basieren auf Kryptowährungen, sind eher schnell und ohne Banken realisierbar und haben einen Hype ausgelöst. Je nach Quelle sind über ICOs bisher nahezu 2 Milliarden Dollar eingesammelt worden.

Das ICO-Verbot der chinesischen Zentralbank muss nicht auf Dauer Bestand haben, ist jedoch sicher als Startpunkt einer Regulierungsabsicht zu werten, die ICOs und Kryptowährungen betreffen kann. China verschafft sich mit dem Stopp erst einmal Zeit, um eine Auslegeordnung zu machen.

Obwohl die weit verbreiteten Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ether aktuell nicht direkt betroffen sind, haben beide Währungen mit erheblichen Kursrückschlägen auf die Massnahme reagiert. Das ist nicht erstaunlich, China gehört zu den grossen und wichtigen Märkten für Kryptowährungen, deshalb können Ängste, Befürchtungen und vorausgedachte Negativ-Szenarien den schon länger anhaltenden Kursanstieg stoppen oder auch umdrehen.

Dann: Blockchain, Bitcoin, Ether, ICOs und Zug

Zug gehört zu den Hot Spots für Kryptowährungen sowie ICOs und ist mit dem Crypto Valley ein wichtiges Zentrum für die Entwicklung von Blockchain-Anwendungen. In der Schweiz und vor allem in Zug sitzen zahlreiche Unternehmen, Startups, Investoren, Innovatoren und Labs, welche den Weg von Krypto-Währungen, Blockchain und auch ICOs massgeblich beeinflussen und vorantreiben.

So hat auch die im Frühling 2017 gegründete und aktive Crypto Valley Association ihren Sitz in Zug, welche 2018 die erste Crypto Valley Conference on Blockchain Technology organisiert. Im Januar 2018, ebenfalls als Premiere, ist die Crypto Finance Conference in St. Moritz geplant. Und noch in diesem Jahr findet im September in Zürich die erste Konferenz statt, welche das Crowdfunding in der Blockchain-Industrie über ICOs mit internationaler Besetzung thematisiert, der ICO Summit 2017.

In einem Satz: Sehr viel Bewegung rund um Blockchain, Kryptowährungen und ICOs – und die Schweiz spielt ganz vorne mit. "Die Schweiz" heisst in diesem Fall: Grosse Unternehmen, Startups und FinTechs sowie namhafte Persönlichkeiten, ein Heer von weniger bekannten, aber hochtalentierten Entwicklern und Machern – eine wachsende Zahl von Unternehmen und Profis.

Und jetzt: Risiken und Gefahren

Aktuell warnen zahlreiche Fachleute, Blogger und Journalisten vor den neuen Risiken. Kein Wunder, Bitcoin und Ether erreichten Rekordstände, der Hype um ICOs rollt, alle Wegweiser sind auf Expansion gestellt. Das Stichwort "Blase" ist allgegenwärtig und das baldige Platzen scheint nah. Glaubt man Publizist Werner Vontobel, sogar unvermeidbar und sehr nah. Die Journalistin Katharina Bart hat kürzlich einen gut recherchierten Artikel in "Finews" getitelt mit: "Krypto-Boom setzt den Ruf Schweiz aufs Spiel". Die Autorin fokussiert in ihrer Story vor allem auf ICOs, welche nach ihrer Ansicht den guten Ruf der Schweiz ankratzen könnten. Auch andere Blogger und Autoren begleiten die Entwicklungen rund um Blockchain, Kryptowährungen und ICOs mit kritischen Kommentaren.

Fragen und kritische Beobachtung sind notwendig, um Hypes und Übertreibungen auf den Boden der Sachlichkeit zu bringen. Wichtig allerdings bleiben genau diese Sachlichkeit und auch Sachverstand, um einen Hype auf der einen Seite nicht mit einem medialen Gegenhype auf der anderen Seite zu beantworten, der zwischen Fakten und Marktübertreibungen nicht unterscheidet.

Dass der Ruf der Schweiz auf dem Spiel steht oder besser, die Schweiz mitten im Spiel steht, das glauben wir auch, allerdings eher im positiven Sinne. Ist ein Land und insbesondere eine Region, das Crypto Valley, massgeblich beteiligt an Entwicklungen, welche die Welt verändern werden, kann das dem Image nur gut bekommen und den Standort Schweiz stärken. Dieses Statement zielt nicht ausschliesslich auf Kryptowährungen oder ICOs und denkt nicht in den Kategorien gut oder schlecht – es zielt vielmehr auf Pioniere, Entwickler und Technologien, welche es überhaupt erst möglich machen, Dinge wie Kryptowährungen, ICOs oder andere Innovationen und Ideen im Markt zu testen, auf Markttauglichkeit zu prüfen, aus Fehlern zu lernen und zu optimieren. Dass die Schweiz den Boden schafft, genau das zu tun, bringt Vorteile. Nebengeräusche gehören mit dazu, die können auch mal laut werden – doch sogar ein Knall putzt nicht die Idee an sich vom Tisch, sondern zeigt vielmehr, wie's nicht geht und setzt hörbar neue Wegweiser.

Ob Blasen platzen oder nicht, werden wir erleben. Schnelle Entwicklung, neue Technologien, Märkte, Befindlichkeiten und zahlreiche weitere Faktoren, die sich jeweils gegenseitig beeinflussen, spielen mit – deshalb sind seriöse Prognosen schlicht nicht möglich. Dass Unwägbarkeiten und damit Risiken und Gefahren mit im Boot der dynamischen Entwicklungen sitzen, ist für alle Beteiligten klar. Worst Cases müssen sicher diskutiert werden, allerdings nicht als gesetzte Katastrophen, vielmehr als denkbare Varianten innerhalb zahlreicher anderer Szenarien, die möglich bleiben.

Die Illusion von Pioniergeist und Innovation ohne Nebenwirkungen

Was aktuell geschieht, ist grossartig, wird jedoch nicht schmerzfrei und ohne Nebenwirkungen über die Bühne gehen. Sind Techologie, Entwicklung und Innovation der Regulierung einen oder mehrere Schritte voraus, ist das mit Unsicherheiten verbunden, keine Frage.

Märkte neigen zu Übertreibungen, das zieht seriöse und eben auch weniger seriöse Mitspieler an. Im Vakuum der nicht oder schwach regulierten Märkte (Kryptowährungen und ICOs) sind deshalb mit Sicherheit auch Kapitel mit ungutem Ausgang zu erwarten. Das liegt in der Natur der Sache, tut jedoch der geballten Kraft von Entwicklung und Innovation sowie von Exponenten und Communities, welche eine generelle Entwicklung weltweit vorantreiben, erstmal keinen Abbruch.

Die Kurse von Bitcoin, Ether und andere Kryptowährungen können sich verdoppeln oder auf ein Viertel ihres Wertes einbrechen, das alles bleibt möglich. Ebenso, dass ein furios durchgezogenes ICO im Desaster endet. Das eine wie das andere gehört zu den ganz normalen Nebenwirkungen in weitgehend (noch) unregulierten Märkten, welche mit neuen Ideen, Technologien und Möglichkeiten spielen, die ohne Vergangenheit und Erfahrungswerte getestet werden.

Wer sich diesen Nebenwirkungen nicht aussetzen möchte, was eine sehr kluge Entscheidung sein kann, sollte nicht mit exorbitanten Gewinnaussichten flirten, sondern sich ebenso gewaltige Verlustrisiken vor Augen halten – und im Moment auf Anlageformen verzichten, die nicht abschätzbare Risiken bieten.

Instrumente und Anwendung passen nicht in denselben Korb

Eine wichtige Unterscheidung wird bei der Beurteilung neuer Phänomene oft nicht gemacht, nämlich die Trennung zwischen Instrumenten (Technologie, Blockchain, Kryptos etc.) auf der einen Seite, welche von innovativen Machern und Entwickler-Communities weltweit geschaffen werden. Und Anwendern auf der anderen Seite, welche neue Instrumente nutzen und spekulativ unterwegs sind, um mit Kryptos oder ICOs Profite zu erzielen. Die Risiken sind bekannt, grosse Gewinne sind möglich, grosse Verluste ebenfalls.

Kurseinbrüche bei Kryptowährungen oder Flops bei ICOs stellen weder die Blockchain, noch Kryptowährungen oder ICOs grundsätzlich infrage, mehr das individuelle Temperament, mit diesen Instrumenten umzugehen. Oder auch die Seriosität einzelner Dienstleister, welche Services rund um Blockchain, Kryptos oder ICOs anbieten.

Diese Trennlinie ist zentral wichtig – Äpfel und Tomaten gehören nicht in denselben Korb und können auch nicht in einem Atemzug als gesund oder als giftig bezeichnet werden. Das eine sind Technologien und Instrumente, das andere sind Nutzer, welche mit diesen Instrumenten und Möglichkeiten gut oder eben auch weniger gut umgehen. Und mit ins Spiel gehört ein Regulator, der zwischendrin steht, der fehlt jetzt noch.

Regulierung ist notwendig

Das aktuelle Regulierungs-Vakuum ist durch die chinesische Zentralbank jetzt mit etwas Getöse temporär aufgefüllt worden. Vernünftige Leitplanken und pragmatische Regulierungen mit Sachverstand sind jedoch ganz sicher notwendig – in jedem Land, auch in der Schweiz. Die werden auch folgen, Staaten und Regulierungsbehörden sind hier im Rückstand, weil das Tempo der Entwicklung Behörden schlicht überrascht hat.

In der Zwischenzeit sind weiterhin überraschende Entwicklungen zu erwarten und Nebenwirkungen bleiben möglich. Diese können teilweise schmerzhaft ausfallen, gehören jedoch zum normalen Prozess von Technologien und Innovationen, welche streckenweise auf Neuland getestet werden. Entwicklungen, welche die Welt verändern, sind im Fluss und lassen das eine oder andere Reagenzglas explodieren, ohne dass gleich das ganze Labor abbrennt. Zumal die neuen Brandverhinderer und Feuerlöscher mit der Aufschrift "Regulierung" über kurz oder lang installiert werden.

Insofern, im Moment eben noch in schwach regulierten Umfeldern, grossartig, dass die Schweiz und das Crypto Valley innerhalb einer weltweiten und umwälzenden Entwicklung eine zentrale Rolle spielen. Aktuell sichtbar auch an weiteren neuen Initiativen, wie zum Beispiel den Crypto Valley Labs, die in Zug und bald auch in anderen Ländern die innovative Marke "Schweiz" in die Welt hinaustragen werden.

Crypto Valley Association: Das Ökosystem für Blockchain und Kryptographie

Stichworte zum Thema im Lexikon: Blockchain | Bitcoin | ICO