Twint ist seit Jahren schon die erfolgreichste App für mobiles Bezahlen in der Schweiz. Die App legt weiterhin zu, bleibt aber nicht unangefochten an der Spitze.
Das fortgesetzte Wachstum bezieht sich weniger auf die Nutzer, mehr auf die Nutzung selbst. Twint hatte schon vor einem Jahr die Zahl der aktiven Nutzerinnen und Nutzer mit "mehr als 5 Millionen" angegeben. Heute, also ein Jahr später, meldet Twint "weit über 5 Millionen".
Unabhängig davon, wie die Differenz zwischen "mehr als" und "weit über" interpretiert werden soll, der Zustrom neuer Nutzer hat sich offenbar abgeschwächt. Allerdings auf einem Level, das den Erfolg der App vorderhand nicht schmälert. Keine andere Bezahl-App kommt in der Schweiz auf diese Zahlen.
Der Swiss Payment Monitor der Universität St. Gallen weist 2024 für Twint einen Marktanteil von 67.8 Prozent aus. Im Vergleich kommt Apple Pay auf 12.5 Prozent, Google Pay auf 3.3 Prozent und Samsung Pay ist mit 2.7 Prozent im Rennen. Also sehr weit entfernt von Twint.
Twint in Zahlen
Die "weit über" 5 Millionen Nutzer haben letztes Jahr 773 Millionen Transaktionen über Twint durchgeführt. Das sind 31 Prozent mehr als im Jahr davor (590 Millionen Transaktionen).
Dabei entfallen 75 Prozent auf kommerzielle Transakionen, 25 Prozent auf Transaktionen zwischen Privatpersonen (P2P-Zahlungen). Knapp zwei Drittel der kommerziellen Transaktionen werden im Präsenzgeschäft registriert (Shops), 35 Prozent im Distanzgeschäft (Online-Handel).
Nach eigenen Angaben wird Twint heute von rund 81 Prozent der stationären Geschäfte und von 84 Prozent der Online-Shops in der Schweiz als Zahlungsmittel angeboten.
Warum ist Twint so erfolgreich geworden?
Die Macherinnen und Macher von Twint haben nicht nur das Bezahlen einfach gemacht und in die Breite gebracht, sie sind drangeblieben und haben Twint zahlreiche weitere Features mitgegeben. Funktionen, die weit über das Bezahlen hinausgehen. Die folgende Grafik zeigt, was unter anderem über die App flächendeckend funktioniert.
Mit diesen Zusatzfunktionen hat Twint den Weg zur Super App eingeschlagen. Eine Strategie, die offenbar ankommt, die Zusatzfunktionen werden genutzt.
So wurden 2024 rund 77 Millionen Transaktionen in den Bereichen Mobilität und öffentlicher Verkehr getätigt. Dazu gehört das Parkieren mit Geld-zurück-Funktion, wenn die bereits bezahlte Parkzeit nicht voll ausgeschöpft wird. Nach Angaben von Twint haben im letzten Jahr Nutzerinnen und Nutzer rund 11 Millionen Franken zurückerhalten, weil sie ihre Parkzeit in der Twint-App frühzeitig und minutengenau beenden konnten.
Ein weiteres Feature wird ebenfalls geschätzt und genutzt. Weit über eine Million Kundenkarten wie Coop Supercard, Migros Cumulus, Manor-Treuekarte und viele weitere wurden bereits in der App hinterlegt und sind damit an der Kasse jederzeit und ohne Kramen griffbereit. Das ist praktisch.
Das grosse Spektrum von komfortablen Zahlungsmethoden und nützlichen Features hat dazu geführt, dass Twint sich in der ganzen Schweiz als bevorzugte App mit dem grössten Marktanteil durchsetzen konnte. Eine App, die im Alltag vielfältig eingesetzt werden kann, Komfort bringt und das Leben einfacher macht.
Was könnte den weiteren Erfolg von Twint bremsen?
Twint wird von rund 81 Prozent der stationären Geschäfte und von 84 Prozent der Online-Shops in der Schweiz als Zahlungsmittel angeboten. Diese Händler schätzen Komfort und Zahlungsabwicklung, dennoch kann Twint sich aufgrund der eher hohen Gebühren, die Händler zahlen müssen, nicht auf deren Treue verlassen.
Setzen sich Instant Payments auf breiter Ebene durch, dürften die schnellen Konto-zu-Konto-Zahlungen zum bevorzugten Kanal für Händler werden. Im Moment sind zahlreiche Schweizer Banken noch am Mauern, weil sie am Twint- oder Kreditkartengeschäft gut verdienen. Kostenlose Konto-zu-Konto-Zahlungen innerhalb von 10 Sekunden haben deshalb für Banken wenig Reiz. Für Händler aber schon. Für Konsumenten möglicherweise auch. Aus dieser Ecke droht Gefahr und Verschiebungen sind möglich.
Weitere Einwirkungen sind von Seiten der Kreditkartenanbieter zu erwarten. Denen ist Twint ein Dorn im Auge, weil die stark gewachsene und gross gewordene App das Kartengeschäft im Handel inzwischen spürbar beeinträchtigt. Deshalb will Visa die Karte neu erfinden und – zusammen mit Mastercard – über die Branchenlösung Click to Pay bisherige Defizite für Konsumenten in neuen Komfort verwandeln. Diese und weitere Karten-Initiativen können ebenfalls zu Verschiebungen führen.
Attacken drohen möglichereweise auch von anderen Super Apps, die ein ähnliches Repertoire bespielen, das Twint heute anbietet. Hier steht vor allem Revolut im Fokus. Die britische Challenger-Bank ist dabei, sich ein Schweizer Gewand anzulegen und könnte damit den Ehrgeiz entwickeln, das beträchtliche Volumen von Twint anzugraben.
Können die eingeschlafenen Auslandspläne Twint ausbremsen?
Nicht unbedingt. Twint hatte vor Jahren angekündigt, die App auch für den Einsatz im Ausland fit zu machen. Nach "erfolgreichen" Tests im benachbarten Ausland sind die Nachrichten zu diesem Thema allerdings völlig versiegt. Aufgrund der Funkstille darf man davon ausgehen, dass Twint keine weiteren Ambitionen für den internationalen Einsatz der App hat.
Das muss kein Nachteil sein, weil Twint sehr stark schweizerisch agiert und sich auf Problemlösungen für den Schweizer Alltag ausgerichtet hat. Das kann als besondere Qualität oder sogar als nationaler USP betrachtet werden, welcher allerdings für Twint selbst Grenzen setzt. Weiteres Wachstum innerhalb der Schweiz bleibt limitiert. Sehr weit über 5 Millionen Nutzerinnen und Nutzer zu kommen, ist in der Schweiz mit einer Gesamtbevölkerung von 9 Millionen Menschen kaum schaffbar. Wachstum ist dann nur über die Intensität der Nutzung und mit neuen Features möglich.
Eine App ohne Grenzen wäre für Nutzerinnen und Nutzer praktisch, sie alle nutzen aber parallel gewohnheitsmässig auch Karten, welche international funktionieren.
Zum gefährlichen Zünglein an der Waage kann die Beschränkung auf die Schweiz nur dann werden, wenn ein internationaler Super-App-Konkurrent praktisch alle spezifischen Schweizer Funktionen von Twint kopiert und in seine App integriert. Dann könnten sich Konsumentinnen und Konsumenten für jene App entscheiden, die das internationale Mehr mit an Bord hat.