Eine kürzlich publizierte Studie von Kearney zeigt, dass Schweizerinnen und Schweizer ihrer Hausbank überdurchschnittlich lange die Treue halten. 78 Prozent bleiben 5 Jahre oder länger an Bord.
Auch was tiefe Sparzinsen angeht, können sich Banken noch in Sicherheit wiegen. Jede – auch von uns publizierte Studie – hat bisher belegt, dass sinkende und tiefe Sparzinsen die Schweizer Gemüter nicht übermässig erhitzen.
Im September 2024 hat die Schweizerische Nationalbank den Leitzins auf 1 Prozent gesenkt. Schweizer Banken haben gewohnt schnell reagiert, nach dem Vergleichsdienst Moneyland liegt der Zins bei Sparkonten für Erwachsene im Durchschnitt gerade noch bei 0.52 Prozent.
Im Vergleich der Banken gibt's allerdings weiterhin grosse Unterschiede in der Bandbreite zwischen 0.04 und 1.5 Prozent.
Wie reagieren Bankkunden auf sinkende Sparzinsen?
Ein Wechsel der Bank steht nicht zur Debatte, das ist allerdings auch nicht nötig. Zumindest nicht allein wegen der sinkenden Sparzinsen. Auf sinkende Sparzinsen sind vier unterschiedliche Reaktionen oder Nicht-Reaktionen zu beobachten.
Es gibt die Gruppe der Schlecht-Informierten. Diese Gruppe ist sich gar nicht bewusst, dass die Zinsen sinken und ihre Ersparnisse aufgrund der Inflation schrumpfen lässt. Ergo erfolgt keine Reaktion.
Der Gruppe der Nicht-Interessierten sind die Zinsen auf ihrem Sparkonto eher egal. Wenn überhaupt, ärgern sie sich kurz Ende Jahr beim Check ihrer Kontoauszüge und das Tiefzinsleben geht weiter.
Die Gruppe der Zinsbewussten informiert sich regelmässig über Sparzinsen und eröffnet ausserhalb ihrer Hausbank ein zusätzliches Sparkonto, das mit fairen Zinsen überzeugt.
Dann gibt's die Vermögensbilder. Die Angehörigen dieser Gruppe lassen Cash nicht auf Sparkonten liegen, deshalb kümmern sie sich nicht um Sparzinsen. Sie investieren ihr Geld in Wertpapiere oder sparen in der Säule 3a. Oftmals aussserhalb ihrer Hausbank.
Bringen hohe Gebühren Kundinnen und Kunden zum Wechseln ihrer Bank?
Auch hier profitieren die etablierten Banken von der hohen Loyalität ihrer Kunden. Die Kundenbindung ist inzwischen allerdings teilweise am Bröckeln. Verschiedene Studien zeigen, dass die Bereitschaft steigt, das Hauptkonto bei einer der deutlich günstigeren Neo-Banken zu halten.
Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass in letzter Zeit eine wachsende Anzahl klassischer Banken die Kontoführungsgebühren auf Null gesetzt hat. Das ist ein sichtbares Signal, das die Abwanderung verlangsamen kann, langfristig allerdings nicht unbedingt stoppen wird. Zumal der Wechsel der Bank aus Kostengründen meistens nicht auf einen Schlag, sondern in Raten erfolgt.
In der Schweiz lassen heute nach der Studie von Kearney nur 5 Prozent der Bankkunden ihr Hauptkonto von einer Neo-Bank führen. In Deutschland und Österreich sind es bereits 18 und 13 Prozent.
Die 5 Prozent in der Schweiz scheinen gering, der bereits angesprochene Wechsel in Raten ist allerdings im Gang. Das zeigen die Kundenzahlen der Neo-Banken in der Schweiz.
Was bedeutet Bankwechsel in Raten?
Ein Blick auf die Kundenzahlen der Schweizer Neo-Banken zeigt, dass inzwischen ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung mit Debitkarten von Neo-Banken unterwegs ist. Über 900'000 sind es bei Revolut, 260'000 bei Yuh, 222'000 bei Neon – bei allen und auch den nicht genannten Neos mit weiterhin wachsendem Zustrom.
In den Ferien und im Ausland werden nicht die Karten der Hausbank, sondern die Karten der Neo-Bank verwendet. Diese sind viel günstiger, weil sie in der Regel ohne Wechselkursaufschläge und sonstige Gebühren auskommen, die das Leben teuer machen.
Das bedeutet: die Hausbank wird nicht verlassen, aber Kundinnen und Kunden verzichten in Teilen auf deren Dienstleistungen. Dass die günstigen Karten für die Ferien im Ausland inzwischen längst auch aus Gewöhnung in der Schweiz und im Alltag eingesetzt werden, liegt auf der Hand. Das lockert nach und nach die Kundenbindung und der Hausbank entgehen Einnahmen durch nicht genutzte Services.
Eine weitere Rate des Abschieds liegt im Handel mit Wertpapieren. Auch hier geht eine zunehmende Anzahl von Kundinnen und Kunden fremd und dockt bei einer Neo-Bank oder einem Neo-Broker an. Die Auswahl an Assets ist riesig und die Gebühren entsprechen in der Regel einem Bruchteil der Handels- und Depotgebühren klassischer Banken. Zudem bieten tiefe Einstiegshürden und Fractional Trading weitere Möglichkeiten und Freiheiten, die immer stärker genutzt werden.
Auch beim Handel mit Wertpapieren gilt: Kundinnen und Kunden kehren ihrer Hausbank nicht den Rücken, sie suchen sich aber die Neo-Bank oder den Neo-Broker dazu. Im Ergebnis bedeutet das Abfluss von Geldern bei der Hausbank und Verlust von Einnahmen.
Inzwischen schaffen Karten, Handel mit Wertpapieren und Kryptowährungen, Vorsorgesparen in der Säule 3a und andere FinTech- und Neo-Banken-Services Gründe, der Hausbank in Teilbereichen die kalte Schulter zu zeigen. Das ist eine Entwicklung, die klassischen Banken nicht gleichgültig sein kann.
Wo liegen die Möglichkeiten der klassischen Banken?
Ein Bankwechsel in Raten ist kein Erdrutsch, aber nicht weniger gefährlich. Ertragreiche Felder erodieren nur langsam, das verschafft klassischen Banken Zeit, bestehende Beziehungen zu absprunggefährdeten Kundengruppen zu festigen. Die Erosion läuft aber kontinuerlich, deshalb werden die Spielräume irgendwann kleiner.
Vielleicht ein guter Zeitpunkt für Banken, ihre Services und ihre Gebühren zu überdenken. Zum Beispiel könnte die Ära der versteckten Gebühren und überrissenen Wechselkursaufschläge als beendet erklärt werden. Transparenz wird geschätzt und Kunden sind weiterhin bereit, für Leistung angemessen zu bezahlen.
Menschen wollen nicht auf Teufel komm raus zu einer Neo-Bank, sie wünschen sich einfach die für sie passenden und besten Leistungen zu fairen Preisen. Die können sie bei einer klassischen Bank oder bei einer Neo-Bank finden. Deshalb bleiben die Spiesse auf allen Seiten gleich lang.
Wer zu vertretbaren Kosten das bietet, was gewünscht wird, bleibt im Rennen. Oder kommt neu in die engere Wahl, wenn ein Wechsel der Bank ansteht.