Was wünschen sich Frauen von ihren Finanzdienstleistern?

Gemma Livermore, International Financial Services Marketing Lead bei Seismic und Gründerin von Women of FinTech
Gemma Livermore, International FS Marketing Lead bei Seismic und Gründerin von Women of FinTech (Bild: Seismic)

Verpasste Chance? Warum die Finanzbranche Frauen nicht unterschätzen darf.

Eine neue Ära des weiblichen Vermögens bricht an. Bis 2045 werden unvorstellbare 84 Billionen Dollar vererbt werden. Während ein Grossteil davon zunächst an die Ehefrauen der Babyboomer geht, profitieren später vor allem die Millennials von diesem enormen Vermögenstransfer. Die Hälfte von ihnen sind Frauen, darunter viele Singles.

Vermögen befindet sich also bald in einem nie dagewesenen Ausmass in den Händen von Frauen. Diese Frauen dürften als neue Finanzmacht in Zukunft eine wichtige Rolle spielen und die Finanzwelt nachhaltig verändern.

Doch die Vermögensverwaltungsbranche hinkt bei der Anpassung an ihre spezifischen Erwartungen hinterher. Insbesondere junge Frauen, die mit digitalen Technologien aufgewachsen sind, erwarten von Finanzdienstleistungen eine intuitive Handhabung, Transparenz und Personalisierung. Oft haben sie andere Anlageziele und -horizonte als ihre männlichen Altersgenossen. Wer diese Entwicklungen nicht erkennt und darauf reagiert, läuft Gefahr, den Anschluss an eine neue Generation von Anlegerinnen zu verlieren.

Die andere Hälfte: Frauen und ihr Geld

Nur die Hälfte der Frauen hat eine klare Vorstellung davon, wie sie ihr Geld vermehren könnte. Im Gegensatz dazu wissen fast drei Viertel der Männer genau, wie sie einen finanziellen Gewinn erzielen könnten. Man darf nicht vergessen: Verheiratete Frauen können in der Schweiz erst seit 1988 ohne die Unterschrift des Ehemannes ein eigenes Bankkonto eröffnen. Diese Erfahrungslücke führt häufig dazu, dass Frauen ihr Geld auf dem sicheren, aber weniger rentablen Sparbuch liegen lassen, anstatt es gewinnbringend anzulegen.

Um ihre Finanzen selbst in die Hand nehmen zu können, brauchen sie die richtige Unterstützung. Sie suchen Finanzberater, die ihnen helfen, ihre finanziellen Ziele zu erreichen – mit weniger Fachjargon, weniger Risikobereitschaft und einem stärkeren Fokus auf Finanzplanung. Ausserdem legen sie mehr Wert auf Transparenz, Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung bei der Geldanlage.

Die Vermögensverwaltung steht an einem Wendepunkt. Wer die Chancen der wachsenden weiblichen Finanzkraft nutzen will, muss seine Angebote und Beratungsansätze grundlegend überdenken. Denn Frauen, die sich nicht ernst genommen fühlen, werden sich andere Finanzdienstleister suchen.

Personalisierte Beratung: Der Schlüssel zum Vertrauen

Vertrauen ist die Währung in der Finanzberatung. Frauen wünschen sich eine persönliche Beziehung zu einem Berater, der ihre Ziele und Werte versteht. Wenn Finanzdienstleister auf die spezifischen Anforderungen von Frauen eingehen, können sie langfristige Kundenbeziehungen aufbauen. Moderne Technologien wie Enablement-Plattformen können dabei helfen, die Beratung individueller zu gestalten.

Die Tools ermöglichen eine automatisierte und personalisierte Kommunikation und sorgen für konsistente und regelkonforme Prozesse. So können Kundinnen sicher sein, dass ihre finanziellen Angelegenheiten zuverlässig und professionell betreut werden.

Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen unterstützen Finanzberater bei der Erstellung personalisierter Empfehlungen. Diese Technologien analysieren grosse Datenmengen und identifizieren in Echtzeit relevante Inhalte für Kundinnen. So können Strategien genau auf die Interessen der Kundinnen abgestimmt und diese gezielt unterstützt werden, ohne Datenschutz- und Sicherheits-Standards zu vernachlässigen.

Gleichzeitig übernehmen Automatisierungs-Technologien Aufgaben wie die Vor- und Nachbereitung von Meetings oder die Übersetzung wichtiger Informationen. Das spart wertvolle Zeit, die für das Wesentliche genutzt werden kann: die persönliche Beratung. So entsteht eine Beratungsleistung, die sich an den Kundenwünschen orientiert.

Finanztipps zum Teilen: Warum Banken Social Media nicht vernachlässigen sollten

Immer mehr Frauen informieren sich in sozialen Netzwerken über Finanzthemen. Plattformen wie Instagram, Facebook und LinkedIn bieten eine einfache Möglichkeit, sich Wissen anzueignen und sich mit anderen auszutauschen. Soziale Medien bieten Banken deshalb eine ideale Plattform, um Fachwissen zu teilen und komplexe Finanzthemen verständlich zu erklären.

Banken, die eine aktive Präsenz auf diesen Kanälen aufbauen, können Frauen dabei unterstützen, fundierte Finanzentscheidungen zu treffen und sich als vertrauenswürdige Partner etablieren.

Fazit: Frauen und Finanzen – eine Chance für Finanzdienstleister

Der "Great Wealth Transfer" markiert einen Wendepunkt im Finanzsektor. Frauen werden zu einer immer wichtigeren Kraft in der Finanzwelt. Um dieser Entwicklung erfolgreich zu begegnen, müssen Finanzdienstleister ihre traditionellen Ansätze überdenken. Personalisierte Beratung, die auf die spezifischen Wünsche und Erwartungen von Frauen eingeht, ist der Schlüssel zum Erfolg.

Mit Hilfe digitaler Technologien können Finanzberater eine neue Qualität der Beratung anbieten und so das Vertrauen ihrer Kundinnen gewinnen. Die Zukunft des Finanzsektors liegt in der Individualisierung und der Anerkennung der spezifischen Ansprüche von Anlegerinnen.

Die Autorin: Gemma Livermore

 Gemma Livermore ist International Financial Services Marketing Lead bei Seismic und Gründerin von Women of FinTech

Gemma Livermore, International Financial Services Marketing Lead bei Seismic, verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Finanzdienstleistungsbranche.

Sie ist die Gründerin von Women of FinTech, einer preisgekrönten Community, die sich für Geschlechtergleichheit und Inklusion in der Finanztechnologiebranche einsetzt.

Gemma ist eine gefragte Podcast-Moderatorin, Referentin und Fürsprecherin für Vielfalt, Chancengleichheit und Inklusion (Diversity, Equality and Inclusion – DEI) im Finanzsektor.