Stellen Sie sich vor, Sie könnten Ihre Online-Einkäufe mit einer digitalen Version unserer Schweizer Währung bezahlen. Vielleicht glauben Sie, dass Sie das bereits tun, wenn Sie Apple Pay verwenden. Doch was steckt hinter all dem Aufsehen um den Digitalfranken? In den letzten Wochen hat diese Frage eine spannende und kontroverse Debatte entfacht.
In der Schweiz existieren bereits Versionen des Digitalfrankens, wie der XCHF von Bitcoin Suisse oder der CCHF meiner Firma, Centi. Beide bieten einen digitalen Franken an, der durch Schweizer Bankgarantien abgesichert ist. Andere Initiativen arbeiten momentan an einem Prototyp, etwa das Projekt der Schweizer Politikerin Pascale Bruderer. Doch die Meinungen in der Presse sind gespalten: Brauchen wir wirklich einen Digitalfranken?
Parallel dazu hat die Wettbewerbskommission (Weko) ein Verfahren gegen die Kreditkartenindustrie wegen überhöhter Gebühren eingeleitet. Scheinen diese Themen auf den ersten Blick unabhängig zu sein? Ich lade Sie ein, diese Punkte mit mir zu verbinden und zu entdecken, wie der Digitalfranken den E-Commerce revolutionieren könnte.
Dazu bedienen wir uns der drei folgenden Hypothesen:
1) Wenn der Digitalfranken richtig implementiert ist, ist er viel günstiger als kreditkartenbasierte Lösungen bei vergleichbarer Convenience.
2) Um sein Potenzial zu entfalten, müssen die Schutzmechanismen der Kreditkartenindustrie fallen. Wenn fairer Wettbewerb herrscht, sind auch Verfahren wie dasjenige der Weko gegen die Kreditkartenindustrie obsolet.
3) Sollten die ersten beiden Hypothesen zutreffen, wird der Digitalfranken die Bezahlindustrie grundlegend verändern und dafür sorgen, dass die Volkswirtschaft der Schweiz davon profitiert.
Die erste Hypothese: Die Revolution im E-Commerce
Eine auf Digitalfranken basierende Lösung beinhaltet die Möglichkeit, dass der Digitalfranken eine Revolution im E-Commerce auslösen könnte. Die Grundlage dieser Hypothese liegt in der einzigartigen Struktur und Funktionsweise digitaler Währungen. Im Gegensatz zu traditionellen Zahlungssystemen der Kreditkartenindustrie, die auf einem Vier-Parteien-System basieren, ermöglicht der digitale Franken direkte Transaktionen zwischen Käufern und Verkäufern. Dieses direkte Settlement-System hat das Potenzial, Transaktionskosten drastisch zu senken. Im Vergleich zu Anbietern mit hohen Gebühren wie PayPal könnten die Einsparungen schnell 90 Prozent betragen.
Das direkte Settlement-System hat das Potenzial, Transaktionskosten drastisch zu senken
Diese erhebliche Kosteneinsparung bietet einen starken Anreiz für Händler, den digitalen Franken als Zahlungsmittel zu akzeptieren. Aber wie sieht es der Konsument? Die Kreditkartenindustrie hat Milliarden in ihre sogenannte "Convenience" ihrer Bezahlerfahrung investiert. Kann es der Digitalfranken damit aufnehmen? Ja, denn die Bezahlung mit dem Digitalfranken kann ganz genauso bequem durchgeführt werden. Der Erfolg von Twint in der Schweiz zeigt, dass die Akzeptanz für solche Systeme vorhanden ist. An die Digitalfranken-Transaktionen können auch Daten angehängt werden, wie etwa die Versandadresse. Damit werden beispielsweise auch "Express Checkouts" ohne Registrierung möglich.
Die zweite Hypothese: Transparenz führt zu Wettbewerb
Der Digitalfranken hat somit das Potenzial, eine Revolution im E-Commerce auszulösen, indem er die Transaktionskosten drastisch senkt bei gleichzeitiger Gewährleistung von Convenience. Doch um dieses Potenzial voll ausschöpfen zu können, müssen Wettbewerbsbedingungen hergestellt werden, die ihren Namen verdienen.
Das aktuelle Verfahren der Weko gegen die Kreditkartenindustrie wirft ein Schlaglicht auf die Probleme, die entstehen, wenn wenige grosse Akteure den Markt dominieren. Es zeigt, dass es eine Diskrepanz gibt zwischen der Theorie des freien Marktes und der Realität beim Bezahlen. Wegen der immensen Marktmacht der Kreditkartenindustrie sind Verhandlungen dazu eine Einbahnstrasse. Händler dürfen vertraglich diese Gebühren ausdrücklich nicht an Konsumenten weiterreichen, sondern müssen diese Gebühren in die Konsumentenendpreise inkludieren.
Die Kreditkartenindustrie argumentiert, dass Kunden ihre Systeme so gerne nutzten, weil diese halt eben so convenient seien und dass die hohen Gebühren durch ihre hohen Investitionen in diesem Bereich ihre Berechtigung hätten. Aber wie viel ist diese Convenience wirklich wert? Der Konsument hat derzeit keine Möglichkeit, dies zu bemessen. Er bezahlt sie einfach indirekt in der Form von überhöhten Endkonsumentenpreisen mit.
Nichts fürchtet die Kreditkartenindustrie mehr, als wenn sich der Konsument über ihre im Dunkel der Intransparenz versteckten Gebühren bewusst wird
Damit aber der Konsument eine bewusste Entscheidung treffen kann, sollte die Weko ermöglichen, dass Händler die Transaktionskosten transparent machen dürfen und diese somit auch den Konsumenten tragen zu lassen, der sie verursacht. Alles was hierzu getan werden muss, ist die Praxis der Kreditkartenindustrie, den Händlern die Weitergabe von Kreditkartengebühren zu verbieten, für illegal zu erklären. Nichts fürchtet die Kreditkartenindustrie mehr, als wenn sich der Konsument über ihre im Dunkel der Intransparenz versteckten Gebühren bewusst wird.
Denn so kann der Konsument eine bewusste Entscheidung treffen, wie viel ihm die Convenience wert ist. Wenn Transparenz herrscht, kann er alternative Bezahlsysteme berücksichtigen und sie in Bezug auf ihre Convenience und Angemessenheit der Transaktionskosten vergleichen.
In einem solchen Szenario können die Prinzipien des freien Marktes spielen: Die Konsumenten könnten zwischen verschiedenen Zahlungsoptionen wählen, und die Anbieter müssten um ihre Gunst konkurrieren. Überhöhte Gebühren könnten durch den Wettbewerb in Schach gehalten werden, und Verfahren wie das aktuelle der Weko gegen die Kreditkartenindustrie würden überflüssig werden.
Die ersten beiden Hypothesen haben uns gezeigt, dass der Digitalfranken das Potenzial hat, eine Revolution im E-Commerce auszulösen, indem er die Transaktionskosten drastisch senkt bei gleichzeitiger Gewährleistung von Convenience. Um seine Schlagkraft jedoch entfalten zu können, müssen Konsumenten befähigt werden eine bewusste Entscheidung zu treffen, welches Bezahlinstrument sie verwenden möchten und welche Kosten dieses generiert.
Die dritte Hypothese: Sozialisierung der Monopolistenrente
Dies führt uns zur dritten und vielleicht spannendsten Hypothese: Wenn die ersten beiden Hypothesen zutreffen, könnte der Digitalfranken die Bezahlindustrie grundlegend verändern. Denn warum sollten Verbraucher und Händler hohe Gebühren für Transaktionen zahlen, wenn es eine günstigere, effizientere und transparentere Alternative gibt?
Ein einfaches Beispiel: Stellen Sie sich eine Welt vor, in der die Kosten für die Verwendung jeder Zahlungsmethode klar aufgeführt sind. Sie könnten sehen, dass die Verwendung Ihrer Kreditkarte zusätzliche 2 Prozent zum Preis Ihrer Laufschuhe hinzufügt, während die Verwendung von PayPal sogar 3.4 Prozent hinzufügt. Aber dann sehen Sie eine weitere Option: Bei einem Anbieter von Digitalfranken können sie die Bezahlabwicklung bei vergleichbarer Convenience für bloss 0.3 Prozent haben.
Warum sollten Verbraucher und Händler hohe Gebühren für Transaktionen zahlen, wenn es eine günstigere, effizientere und transparentere Alternative gibt?
Mit diesen Informationen könnten Sie eine bewusste Entscheidung treffen. Ist die Bequemlichkeit der Verwendung Ihrer Kreditkarte oder PayPal diesen zusätzlichen Aufpreis wert? Oder würden Sie lieber den Digitalfranken wählen und ein paar Franken sparen?
Sie entscheiden sich trotzdem für das teure PayPal? Kein Problem, das ist absolut in Ordnung. Sie haben eine bewuste Entscheidung getroffen und zahlen den Preis dafür selbst. Dagegen gibt es nichts einzuwenden.
Aber fragen Sie sich, wie viele solcher Einkäufe Sie pro Jahr tätigen. Und wie ist es etwa bei einem neuen Laptop? Rechnen sie aus, wie hoch die Einsparungen wären, wenn Sie den Digitalfranken einsetzen würden. Und nun betrachten sie das über eine Zeitdauer von 10 Jahren.
Den Allermeisten wird dieses Preisargument früher oder später einleuchten und sobald sie entdeckt haben, dass der Einsatz von Digitalfranken keine wirklichen Einbussen in der Convenience bedeutet, diesen auch nutzen. Das wird die Kreditkartenindustrie unter Druck setzen, konkurrenzfähige Preise zu offerieren, wovon wir alle profitieren werden. Die exorbitanten EBITDA-Margen amerikanischer Kreditkartenkonzerne von über 65 Prozent zeigen, wieviel Luft da drin ist.
Ökonomisch gesprochen wird somit die Monopolistenrente, die bislang die amerikanische Kreditkartenindustrie unserer Schweizer Volkswirtschaft über den mangelnden Wettbewerb abgezwackt hat, sozialisiert und kommt damit den Konsumenten in Form von tieferen Preisen und so letztlich der gesamten Volkswirtschaft zugute.
Konklusion und Ausblick
In Anbetracht dieser Diskussion lässt sich folgender Schluss ziehen: Der digitale Franken hat das Potenzial, eine bedeutsame Rolle in der Welt des E-Commerce einzunehmen und in diesem Sektor eine echte Revolution zu entfachen. Er bietet eine kostengünstige, bequeme Alternative zu etablierten Zahlungsmethoden wie Kreditkarten und PayPal.
Alles, was es hierfür bedarf, ist etwas Willen der Weko zur Schaffung einer gesunden wettbewerbsorientierten Umgebung, die es den Händlern ermöglicht, die Kreditkartenkosten an den Verursacher weiterzureichen. Dies wird zu einem auf Konsumenten ausgerichteten Markt führen, wo die überhöhten Gebühren, die derzeit von der Kreditkartenindustrie erhoben werden, ins Wanken geraten. So lässt sich das Risiko monopolistischer Praktiken minimieren, was die Notwendigkeit regulatorischer Eingriffe eliminiert.
Wenn wir uns auf das grössere Bild konzentrieren, offenbart sich der wahre Umfang der Auswirkungen des Digitalfrankens: die Möglichkeit, einen bedeutenden Teil der Marge, die derzeit an die grossen Akteure der Kreditkartenindustrie fliessen, den Verbrauchern zurückzugeben, könnte langfristige Auswirkungen auf die Volkswirtschaft haben. Was wir dabei erleben könnten, ist nichts weniger als die Sozialisierung der "Monopolistenrente", die eine gerechtere Verteilung der Ressourcen ermöglicht. Das sollte politisch durchaus konsensfähig sein.