Finance 2.0

Finance 2.0 Edition #6 in Zürich: Von CRM zu CMR

Bild: Patrick Comboeuf | Finance 2.0

Beobachtungen und persönliche Gedanken von Patrick Comboeuf zur Finance 2.0, welche am 20. März 2018 im Zürcher Schiffbau über die Bühne gegangen ist.

Die von Rino Borini und Patrick M. Widmer mit ihrem eingespielten Financialmedia Team hervorragend organisierte Konferenz stellte diese, gerade für die traditionellen Vertreter der Branche, hochaktuelle Fragestellung ins Zentrum:

Stehen wir im Banking tatsächlich vor einem echten Paradigmenwechsel, in dem der Kunde dem Bankberater das Steuer entreisst, oder beobachten wir hier schlicht den Triumph von gesundem Menschenverstand?

Für eilige Leser ein erstes Fazit in kurz:

Beides, aber weder noch und kaum unumstösslich Oder so...

Reflexionen zu Themen, Meinungen und Menschen

Für alle anderen gibt’s hier ein paar Reflexionen zu den Referaten, Podiumsdiskussion und den Reaktionen aus dem Publikum, welche hoffentlich einen Beitrag zur Meinungsbildung leisten. Beginnen wir mit den Abwesenden. Denn diese haben in der Regel ja stets Unrecht. Erstaunlich dünn gesät waren denn auch prominente Banker aus dem Regional- und Kantonalbankenumfeld, abgesehen vom durchaus erfrischenden Auftritt von Thomas Lauber, Strategiechef der BLKB.

Eine plausible Erklärung für die Absenz lieferte Michael Stemmle vom Softwarehaus Additiv mit einem Abstract aus einer aktuellen Gartner Studie:

76 Prozent der befragten hochrangigen Bankmanager glauben NICHT, dass die Digitalisierung Auswirkungen auf ihr Geschäftsmodell haben wird

Durchaus mehrheitsfähig unter den befragten Teilnehmern ist die These, mit der Besetzung von digitalen Rollen im näheren Umfeld der Geschäftsleitung, dem Mitmachen des eigenen Instituts bei Twint und einem aufgefrischten Twitteraccount hätte man ja schon viel erreicht. Nun kann sich die Geschäftsleitung (endlich) wieder wichtigeren Dingen zuwenden.

Sicher, das ist zweifellos etwas überspitzt formuliert. Es gibt aber definitiv keinen schlechteren Zeitpunkt, sich auf den (bescheidenen) Lorbeeren auszuruhen, als gerade jetzt.

Wenn der Kunde die Wahl hat, wird’s eng bei den Etablierten

Dieses mit "CMR, Customer Managed Relationship" apostrophierte Motto der Konferenz, hätte da und dort mehr konkrete Beispiele vertragen, wie ein solches Momentum denn auch in der Schweiz Wirkung entfalten könnte. Der Vortrag von Benjamin Belas vom britischen Finanzdienstleister Revolut oder die beeindruckenden Augmented Intelligence-Geschichten von Microsoft, vorgetragen von Martin Moeller, haben jedoch gezeigt, was passieren kann, wenn ein Unternehmen den Sweetspot der Kundenerwartungen trifft.

Was bleibt von der 6. Edition der Finance 2.0 Konferenz haften?

Hier eine Auswahl der #finance20 Tweets während der Konferenz der Besucher – ebenfalls ein Service für die Abwesenden.

Finance 2.0 auf Twitter

What's next?

Die Finance 2.0 Konferenz hat mittlerweile einen festen Platz in den Agenden der Innovationsführer der Finanzindustrie. Damit das in den letzten zwei bis drei Jahren mühsam erkämpfte Momentum nicht gleich wieder ins Stocken gerät, braucht es aber definitiv auch das Engagement der Abwesenden. Politik, C-Suite und Meinungsmacher auf der Kundenseite des Bankings sind gefordert.

Der Open Banking-Zug ist ohne die Schweiz abgefahren, bei der Cryptoregulierung wurden wir von Liechtenstein abgehängt, what’s next?

Aufstieg, Stillstand oder Abstieg?

Die Schweizer Finanzindustrie steht zum wiederholten Male vor einer Weggabelung:

Will sie sich den Chancen und dem Wandel, ausgelöst durch Digitalisierung und durch Modelle der Blockchain, mit Mut und Gestaltungswillen stellen und die Herausforderungen annehmen? Oder – ein leider nicht sehr abwegiges Szenario – nimmt sie bewusst einen langsamen aber unaufhaltsamen Abstieg in die mittelfristige Bedeutungslosigkeit in Kauf? Die Uhr tickt, hat doch die Wertschöpfung der helvetischen Banken seit dem Höhepunkt 2001 von rund 9 Prozent auf mittlerweile knapp die Hälfte abgenommen, wie eine vom Staatssekretariat für Wirtschaft SECO publizierte Studie im Sommer 2017 konstatierte.

Oder, um es mit den Worten von Jos Dijsselhof, dem neuen Group CEO von SIX, zu sagen:

Wenn wir uns nicht endlich wieder auf kundenrelevante Innovationen konzentrieren, haben wir keine Zukunft

Der Autor: Patrick Comboeuf

Patrick Comboeuf ist einer der profiliertesten digitalen Vordenker der Schweiz. Neben dem Fachgebiet Künstliche Intelligenz im Finanzwesen berichtet er für MoneyToday.ch über Themen wie Digital Finance, Blockchain, DeFi, Web3 sowie ESG & Sustainable Investing.

Mehrere Wochen im Jahr verbringt er im Silicon Valley und anderen Hotspots der digitalen Welt. Seit 2013 arbeitet er freiberuflich für verschiedene renommierte Bildungsinstitutionen, unter anderem als Studiengangsleiter für Post-graduate Masterprogramme wie den CAS AI in Finance & DeFi/Web3 Economist an der HWZ Hochschule für Wirtschaft in Zürich.

Hauptberuflich unterstützt er etablierte Unternehmen sowie aufstrebende Startups als Interims-Manager & Facilitator dabei, ihre Geschäftstätigkeit friktionsfrei in einer "AI First"-Welt zu verankern.

Als früherer Head of Digital Experience bei Swiss Life und als Leiter Digital Business bei den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) war er federführend verantwortlich für eine Vielzahl von Initiativen, welche die digitale Kundenerfahrung in eine neue Sphäre hoben.

Neben seiner Redaktorentätigkeit für MoneyToday.ch teilt er sein Wissen und seine Einschätzung auch sozial-medial auf LinkedIn und X/Twitter sowie als Prakademiker, Speaker, Moderator oder Podiumsgast auf Konferenzen im In- und Ausland.