In fünf Kapiteln beschreibt der Wirtschaftsverband seine Haltung zum Umgang mit Daten und setzt in allen Bereichen auf grösstmögliche Freiheit für die Wirtschaft und fordert deshalb wenig Einschränkungen durch Regulierung und Gesetze. Am liebsten keine. Oder zumindest keine neuen.
Wir greifen drei Punkte aus dem Dossier von Economiesuisse heraus. Der zweite von insgesamt neun Punkten zum Thema "Forderungen und Handlungsfelder" von Economiesuisse titelt mit der Forderung:
"Der Datenverkehr darf nicht neuartig gesetzlich eingeschränkt werden"
Wenn damit Netzsperren gemeint sind, die in der Forderung auch eine Rolle spielen, werden diese zu Recht abgelehnt. Es kann nicht Sache des Staates sein, seinen Bürgern vorzuschreiben, wer was sehen darf im Internet. Zumindest nicht mit technischen Mitteln, die, wie im Falle der Casino-Websites, ganze Bereiche und ausländische Websites blockieren wollen, um Schweizer User exklusiv auf einheimische Glücksspiel-Seiten zu kanalisieren.
Was sonst noch unter "Datenverkehr" zu verstehen ist, wessen Daten in welcher Form da mit wem verkehren sollen, bleibt allerdings weitgehend offen. Der Verband formuliert dazu:
"Beteiligte, Private und Unternehmen, regeln den Verkehr von Daten bereits heute unter sich. Dies erfolgt in der Regel gestützt auf vertragliche Vereinbarungen, Nutzungsbedingungen und unter Verwendung der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen. Eine zusätzliche gesetzliche Regelung ist dabei nicht notwendig."
Zwei Punkte dazu, die (zu) viele Fragezeichen offenlassen oder neue aufwerfen: Das Stichwort "Datenverkehr" bleibt unpräzise und nicht ausformuliert und vor allem: Das Thema dreht sich hier um Digitalisierung und Entwicklungen, die sich sehr schnell bewegen, verändern und laufend neue Aspekte mit in die Diskussion bringen. Diesen Entwicklungen dürfte mit den Regelungen der Vergangenheit nicht beizukommen sein.
Natürlich wünscht sich niemand gesetzliche Einschränkungen, die behindern und Innovationen blockieren. Aber neue Regeln ultimativ abzulehnen, erscheint etwas weltfremd – die Welt ist heute eine völlig andere als noch vor zehn oder zwanzig Jahren, wird sich noch sehr stark weiter verändern und damit von bestehenden Regeln und Gesetzen zunehmend entfernen, die aus einer Zeit stammen, in der Digitalisierung in der heute bekannten Form eine sehr kleine Rolle gespielt hat.
"Vertrauen als Grundlage für Datenbearbeitung und Innovation"
Die vierte Forderung aus am Katalog der "Forderungen und Handlungsfelder" von Economiesuisse scheint auf den ersten Blick weit entfernt von Realitäten und Marktgegebenheiten. Auf den zweiten Blick immer noch. Zumal sich Menschen und Konsumenten, welche in allen verfügbaren Studien meistens die Themen Sicherheit und Datenschutz in den Vordergrund stellen, von dieser Forderung kaum verstanden fühlen dürften.
Richtig ist, dass Konsumenten oftmals leichtfertig mit ihren persönlichen Daten umgehen. Das ändert jedoch nichts daran, dass dieselben Menschen den bekannten Datensammlern im Internet eher mit Misstrauen begegnen, weil sie nicht wissen, was genau mit ihren Daten geschieht. Dazu kommen die Aspekte von Cybersecurity, verbunden mit Nachrichten von Datenklau und Cybercrime im grossen Stil. In diesem Spannungsfeld Vertrauen als Grundlage zu fordern oder Vertrauen schlicht vorauszusetzen, erscheint bestenfalls naiv. Dieses Vertrauen ist nicht vorhanden und kann auch nicht eingefordert werden. Das wird, wenn überhaupt, nur mit klaren Regeln und gesetzlichen Leitplanken ein Stück weit gewonnen und muss im digitalen Alltag laufend bestätigt werden.
Dass diese Regeln oder Gesetze die Wirtschaft und vor allem Innovationen nicht behindert sollten, versteht sich von selbst. Darin liegt jedoch der zentral wichtige Anspruch und damit auch der Spagat für Regulierer und Gesetzgeber: Die Interessen, die Ängste und der Schutz von Konsumenten sollen mit den Interessen der Wirtschaft und Innovatoren unter einen Hut gebracht werden.
Leicht wird das nicht, aber diesen Themenkatalog mit vorausgesetztem Vertrauen schon im Voraus als erledigt abzuhaken, scheint dann doch etwas verwegen.
"Keine Schaffung von Dateneigentum"
Der erste Punkt im Neun-Punkte-Katalog der "Forderungen und Handlungsfelder" gehört mit zu jenen, die schwer nachvollziehbar sind. Die Autoren des Papiers von Economiesuisse sprechen darin Privaten schlicht das Recht ab, Hoheit über ihre Daten zu erhalten, zu haben und zu behalten. Die rhetorische Frage des Verbandes:
"Doch ist ein Eigentumsrecht an Daten gerechtfertigt und wie könnte es umgesetzt werden?"
Im Kern wird diese Frage von Economiesuisse beantwortet mit den erkannten Schwierigkeiten oder auch vermuteten Unmöglichkeiten einer Umsetzung. Zusätzlich auch mit der Definition von Daten, welche Lücken aufweist, in Richtung von:
"Zurzeit sind Daten nicht als Rechtsobjekte definiert. Es können damit auch keine absoluten Rechte wie beispielsweise Eigentumsrechte daran geltend gemacht werden. Dennoch stellt das geltende Recht für alle Beteiligten einen geeigneten Umgang mit den Daten sicher. Die Einführung eines solchen Rechtsobjekts und damit auch eines Dateneigentums ist entsprechend nicht notwendig."
Ganz zu Ende gedacht scheint das Papier noch zu sein, den Entwurf darf man deshalb als Diskussionvorschlag verstehen. Es lohnt sich, auch die übrigen Ausführungen in fünf Kapiteln mit insgesamt neun "Forderungen und Handlungsfeldern" zu studieren. Als Beitrag zu einer Diskussion, die erst noch geführt werden muss.
Kommentar
Das Dossier zur Datenpolitik von Economiesuisse spiegelt auch ähnliche Diskussionen auf anderen Parketten und zeigt: Die Digitalisierung, Technologie, Innovationen und neue Geschätsmodelle durchpflügen die Welt und schaffen völlig neue Spielregeln. Diese Entwicklung verläuft sehr schnell, was dazu führt, dass neue Regulierungen oder Gesetze nicht im selben Tempo geschmiedet werden können. Dazu kommt, sind Gesetze einmal da, hat sich die Welt bereits wieder weiterentwicklet und verändert. Damit droht die Gefahr, dass auch neue Gesetze nicht mehr zu den realen Gegebenheiten passen.
Die Antwort kann nicht sein: Lassen wir doch alles, wie es ist, dann machen wir nichts falsch und Konsumenten, Wirtschaft und Innovatoren werden das schon unter sich ausmachen. Diese Haltung greift zu kurz und löst keine Probleme. Die Herausforderung liegt vielmehr darin, einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, der die Gegenwart regelt und die mögliche Zukunft, welche noch nicht in allen Teilen bekannt ist, flexibel einbezieht. Das eine wie das andere in einer Form, welche die Ansprüche von Konsumenten und Kunden schützt, ohne auf der anderen Seite Wirtschaft und Innovatoren in zu enge Korsetts zu zwängen, welche Innovationen blockieren.
Tatsächlich eine höchst anspruchsvolle Aufgabe, die mit Sachverstand, Weitblick, vernetzem Denken und vorausgedachter Flexibilität gelöst werden muss. Gewissermassen rollend. Weil verschiedene Themenfeldern jetzt und in den nächsten Jahren nicht schlüssig zu Ende diskutiert werden können. Technologie, Entwicklung und Innovationen sind schneller und werden aktuellen Gesetzen immer einige Schritte voraus sein.