Vor eineinhalb Jahren hat der Bundesrat den Schweizer Banken einen Warnschuss vor den Bug gesetzt. Das bundesrätliche Gremium war sich einig, dass die Schweiz im Bereich Open Finance ins Hintertreffen geraten könnte und erhöhte den Druck auf Schweizer Banken und Finanzdienstleister, verbunden mit klaren Forderungen – MoneyToday.ch hat ausführlich berichtet, hier.
Der Bundesrat verlangte bei der Öffnung der Datenschnittstellen "konretere Fortschritte sowie mehr Verbindlichkeit". Anderenfalls wurden Konsequenzen in Aussicht gestellt: "Der Bundesrat hat das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) beauftragt, ihm bis im Juni 2024 Massnahmen zu unterbreiten für den Fall, dass sich die Finanzbranche nicht ausreichend für die Öffnung ihrer Schnittstellen engagieren sollte."
In welche Richtung diese Konsequenzen gehen könnten deutete der Bundesrat mit folgendem Statement an: "Im Gegensatz zu anderen Ländern, wie etwa der EU oder dem Vereinigten Königreich, besteht in der Schweiz gegenwärtig keine gesetzliche Verpflichtung für Finanzinstitute, Drittanbietern auf Wunsch der Kundschaft Finanzdaten zugänglich zu machen." Im Klartext war damit gemeint: der marktbasierte Ansatz, der auf Freiwilligkeit beruht, könnte durch eine entsprechende Regulierung ersetzt werden, welche für Banken und Finanzdienstleister verpflichten wäre.
Derzeit keine staatlichen Massnahmen erforderlich
An seiner Sitzung vom 19. Juni 2024 liess sich der Bundesrat über den neusten Stand der Fortschritte im Bereich von Open Finance informieren. Die jüngsten Entwicklungen, insbesondere die im Mai 2023 mit einer Absichtserklärung von 40 Banken lancierte Multibanking-Initiative (Zugang zu Daten von Privatkonten, Sparkonten und Kontokorrentkonten) werden als klares Bekenntnis des Bankensektors zu Open Finance betrachtet.
Das EFD informierte daher den Bundesrat, dass derzeit keine staatlichen Massnahmen erforderlich wären. Mit dieser Entscheidung anerkennen EFD und Bundesrat die momentanen Bemühungen der Branche, auch wenn die Ziele des Bundesrates für Open Finance in der Schweiz (gemeinsame Standards, Öffnung der Schnittstellen, Skalierbarkeit) noch nicht erreicht sind.
Diese formulierten Ziele vom 16. Dezember 2022 sind auf einer einzigen Seite kurz, knapp und unmissverständlich hier zusammengefasst.
EFD und Bundesrat wollen am Ball bleiben
Der Bericht des Bundesrates zu Digital Finance vom Februar 2022 sieht vor, den Handlungsbedarf zur Förderung und Ausweitung von Open Finance mit einer Frist bis Ende 2025 regelmässig zu prüfen. Das EFD wird deshalb die weiteren Entwicklungen aufmerksam verfolgen. Es wird beobachten, ob die Multibanking-Initiative wirksam umgesetzt wird, ob die Schnittstellen zu Nicht-Banken-Drittanbietern wie FinTechs geöffnet werden und wie sich der Versicherungssektor für Open Finance engagiert.
Darüber hinaus sehen EFD und Bundesrat in der Multibanking-Initiative ein interessantes Modell zur Öffnung weiterer Schnittstellen, zum Beispiel bei Wertschriftendepots, bei der Säule 3a oder im Versicherungssektor.
Was Schweizer Banken Kopfzerbrechen bereiten könnte
Bei den formulierten Beobachtungs-Punkten dürfte Schweizer Banken der Passus "...ob die Schnittstellen zu Nicht-Banken-Drittanbietern wie FinTechs geöffnet werden..." am meisten Kopfzerbrechen bereiten. Dies deshalb, weil Open Finance in der Schweiz aktuell noch eher einseitig definiert und restriktiv gehandhabt wird. Banken öffnen ihre Schnittstellen nur für ausgewählte Nicht-Banken-Drittanbieter und FinTechs. Im Gegensatz zu Banken in der EU, die ihre Schnittstellen für alle Drittanbieter öffnen müssen, welche die notwendigen Sicherheitsanforderungen erfüllen.
Diese Schweizer Praxis steht aktuell noch im Widerspruch zur expliziten Forderung des Bundesrates, die Schnittstellen "für alle sicheren Drittanbieter (inkl. andere Finanzmarktinstitute)" zu öffnen, "einfach und ohne ungerechtfertigte Hindernisse". Mit dieser Formulierung macht der Bundesrat klar, dass ihm in der finalen Umsetzung das EU-Modell vorschwebt, das Banking und Finance für alle Drittanbieter tatsächlich open macht und nicht nur für einen kleinen, ausgewählten Kreis.
Der Bundesrat gibt Raum, behält sich jedoch staatliche Massnahmen vor
Der Bundesrat setzt Open Finance in der Schweiz nicht mit Keule und Zweihänder durch, er gewährt Banken und Finanzdienstleistern auf weiterhin freiwilliger Basis Zeit und Spielraum, Open Finance aktiv zu gestalten. Allerdings mit klar formulierten Zielen und Vorgaben, die er erfüllt sehen will.
Nachdruck verleiht der Bundesrat seinen Vorstellungen mit dem finalen Statement: "Der Bundesrat wird sich vom EFD weiterhin über Massnahmen informieren lassen, die allenfalls ergriffen werden müssen, um Open Finance in der Schweiz zu fördern".
Damit lässt der Bundesrat keine Zweifel aufkommen, dass er Open Finance auch in der Schweiz zum Durchbruch verhelfen will. Das geschieht im Idealfall innerhalb der Finanzbranche durch die forcierten Initiativen der Schweizer Banken. Anderenfalls durch entsprechende Massnahmen und Regulierungen von ausserhalb, welche die Finanzbranche in die Pflicht nehmen.