In der Schweiz entstehen im Schnellzugstempo neue Unternehmen mit Blockchain-basierten Geschäftsmodellen, vor allem im Finanzsektor.
So schnell sich die Technologie verbreitet und weiterentwickelt, fehlt es doch noch an juristischer und technischer Grundlagenarbeit. Und es gilt das Verständnis und das Vertrauen der Öffentlichkeit zu gewinnen. Dafür haben Digital Switzerland, Swisscom und MME gemeinsam mit weiteren Partnern die Initiative 4T-DLT gestartet.
Autor: Colin Wallace | Redaktion: Marc Landis
Die Digitalisierung durchdringt mittlerweile beinahe sämtliche Aspekte unseres Alltags. Doch die Digitalisierung hat auch ihre Schattenseiten. Daten können kopiert, verändert, gestohlen oder missbraucht werden. Was wäre aber, wenn es eine Methode gäbe, digitale Informationen und Vermögenswerte sicher aufzubewahren und sogar zu übertragen?
Das verspricht die Distributed Ledger Technologie (DLT). Ein Distributed Ledger ist eine Art Datenbank, die auf mehrere Standorte, Regionen oder Teilnehmer verteilt ist. Die Blockchain ist eine bestimmte Art von Distributed Ledger. Das grundlegende Prinzip ist simpel: Digitale Informationen werden in einem elektronischen Buch (Ledger) gespeichert. Mehrere Kopien dieses Buchs werden an sicheren Orten aufbewahrt, und jeder Besitzer des Buchs leistet seinen Anteil an der korrekten Buchführung. Auf diese Weise wird die Information im Buch bzw. auf dem Ledger einmalig, unveränderbar und übertragbar. So kann die digitale Information aufbewahrt und übertragen werden – als wäre sie ein Geldstück. Die digitale Information kann dabei alles Mögliche repräsentieren: digitale Objekte wie Aktien oder die Urheberrechte zu einem Video, aber auch physische Werte wie Gold oder eine Immobilie.
Johs. Höhener, Swisscom:
Wir wollen in der Schweiz den Standard für die 4 Trust-Elemente schaffen
Die grundlegende Technologie fand ihre erste Anwendung 2009 in der Form von Bitcoin. Seit da hat sich DLT stetig weiterentwickelt, und die Schweiz hat sich in den letzten Jahren ein beachtliches Ökosystem mit innovativen Fintechs und Blockchain-Unternehmen gebildet, die vor allem im Finanzbereich, aber auch anderen Industrien wie Energie oder Pharma tätig sind. Doch bislang sind die Rahmenbedingung für DLT noch nicht so ausgefeilt wie für die traditionelle Finanzbranche.
Im November 2019 verabschiedete der Bundesrat nun eine Botschaft, um genau diese Rahmenbedingungen weiter zu verbessern. Auf Basis dieser Botschaft soll je nach Parlamentsentscheid 2021 ein neues Gesetz eingeführt werden. Das Ziel des Gesetzes ist es, die Rechtssicherheit zu erhöhen, Hürden für Anwendungen von DLT zu beseitigen sowie Missbrauchsrisiken zu begrenzen. Das Gesetz ist insbesondere relevant für Finanzmarktangebote im Blockchain-Bereich.
Der gemeinsame Nenner: 4T-DLT
Doch allein mit der Gesetzgebung ist es nicht getan. Wie schon beim Internet, bei Dateiformaten oder bei Computerschnittstellen, braucht es eine einheitliche Sprache, die sämtliche Akteure in einem Ökosystem sprechen, damit sie sich untereinander verständigen und austauschen können. Somit müssen nicht nur juristische, sondern auch technische Grundlagen, Anforderungen und Standards definiert werden, um eine sichere, verlässliche digitale Infrastruktur erarbeiten zu können.
Dieser Aufgabe stellt sich Swisscom gemeinsam mit der Zürcher Wirtschaftskanzlei MME und weiteren Partnern unter dem Patronat von Digital Switzerland. Die Initiative «4T-DLT» soll die Voraussetzungen schaffen für die Nutzung einer DLT-Infrastruktur in einem funktionierenden Ökosystem.
Als Blockchain-Hub ist die Schweiz in einer idealen Situation dafür, diese Standards zu setzen, sagt Johs. Höhener, Head of FinTech bei Swisscom. Höhener verspricht sich viel von der Distributed Ledger Technologie: «Werte sollen in Zukunft so übertragen werden können wie Informationen – so einfach wie eine E-Mail.» Doch es brauche eine Infrastruktur, Standards und den juristischen Rahmen, um dies möglich zu machen.
Luka Müller, MME:
Die Struktur des Finanzmarkts wird sich durch Krypto radikal verändern
«Was wir hier machen, ist Grundlagenarbeit», erklärt Luka Müller, Gründungspartner und einer der Leiter des Fintech-/Blockchain-Teams bei MME: «Wir wollen dem Markt auf Grundlage des neuen Gesetzes ein Hilfsmittel an die Hand geben.» Grundsätzlich gehe es darum, Bürgerinnen und Bürger zu befähigen, das Potenzial der Distributed Ledger Technologie zu nutzen, damit digitale Informationen und digitale Werte und Rechte selbstbestimmt verwahrt sowie einfach und effizient übertragen werden können. Selbstbestimmt bedeutet auch, dass es keine Mittelsmänner mehr braucht: «Wenn man heute ein Wertpapier kauft, geht man über eine Bank an die Börse. Irgendwann kann der Bürger Wertpapiere direkt kaufen oder übertragen – ohne Intermediäre», führt Müller aus.
Es ist nicht die erste Kooperation zwischen Swisscom und MME. Gemeinsam haben sie bereits die Blockchain-basierte Plattform «Daura» entwickelt. Daura gibt nicht-börsenkotierten Unternehmen die Möglichkeit, digitale Aktien zu emittieren. Es ist quasi eine «Druckmaschine für die digitale Aktie», wie Müller sagt. So können nicht nur Bürgerinnen und Bürger selbstbestimmt agieren, sondern auch Unternehmen. Johs. Höhener erklärt: «Es entsteht die Möglichkeit von kleinen und regionalen Handelsplätzen. Es werden Infrastrukturen entstehen, in denen Werte gehandelt werden können, wie es bislang nicht möglich war, etwa Anteile an einem Haus, Beteiligungen an einer Pizzeria und mehr.»
Vier zentrale Vertrauenselemente
Swisscom und MME definieren vier Grundpfeiler für ein funktionierendes DLT-Ökosystem. Für die Zukunft einer Blockchain-basierten Infrastruktur sei es unerlässlich, Vertrauen in die verschiedenen Aspekte der Technologie zu schaffen. Daher stammt auch der Name 4T-DLT: 4T steht für die vier Trust- oder Vertrauens-Elemente für ein Schweizer DLT-Ökosystem. Die Vertrauenselemente dienen als Vehikel, um die Standards zu definieren und Verständnis in einer breiten Öffentlichkeit zu erreichen, erklärt Höhener.
Diese Ts bilden die Vertrauenselemente von 4T-DLT
T1 – Vertrauenselement der (rechtlich verbindlichen) Information Wie können wir die Authentizität, Integrität, Vertraulichkeit und Verfügbarkeit von Informationen sicherstellen?
T2 – Vertrauenselement der Transaktion Wie können wir die Verbindlichkeit (Werthinterlegung), Zuordnung (Anzahl der Anteile) und den Transfer (z. B. Peer to Peer) effizient, rechtssicher und einfach machen?
T3 – Vertrauenselement der Verwahrung Wie können wir Unternehmen als auch Privatpersonen befähigen, digitale Rechte, Informationen und Vermögenswerte zuverlässig und einfach (selbst) zu verwahren (z. B. Sicherheitsstandards, User Experience, Auditierbarkeit)?
T4 – Vertrauenselement des Konsensus Wie können wir eine standardisierte und internationale Kommunikationsbasis für digitale Rechte, Informationen und Vermögenswerte etablieren (z. B. Protokolle für Wertemissionen, Interoperabilität zwischen Protokollen)?
Jetzt mitmachen
Swisscom und MME arbeiten nicht im stillen Kämmerlein vor sich hin und präsentieren ein fixfertiges Konzept. Die Initiative verfolgt einen Community-Ansatz, sämtliche Ergebnisse sind Open Source. So versprechen sich die Initianten etwa Inputs, Kritik und Feedback aus der Industrie. Luka Müller und Johs. Höhener suchen auch aktiv nach Experten, die dabei mithelfen sollen, die Kernthemen zu definieren.
Die Mitwirkenden werden in drei Gruppen unterteilt: Die Stakers, die Shapers, und die Contributors. Stakers unterstützen die Initiative finanziell – bisher als Stakers dabei sind MME und Swisscom.
Die Shapers arbeiten als DLT-Experten an der Umsetzung und leisten einen konkreten Beitrag zu den vier Vertrauenselementen. Zu den Shapers zählen unter anderem Experten der ZHAW, von SIX und der Crypto Valley Association. Contributors erarbeiten – gemeinsam mit den Shapers – Grundlagen- und Informationsmaterial für die die Infrastruktur von morgen.
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