Jeder dritten Person fehlen grundlegende Kompetenzen, um im digitalen Alltag zurechtzukommen

Grafik als Symbol der Digitalisierung
Quelle: Digital-Barometer 2024 | Stiftung Risiko-Dialog & Mobiliar

Welche Haltung hat die Schweizer Bevölkerung zur Digitalisierung und zu digitalen Themen, die sich auf Leben, Arbeit und Gesellschaft auswirken?

Der Digital-Barometer misst die Stimmung der Schweizer Bevölkerung in Bezug auf unterschiedliche Themenfelder, die mit der Digitalisierung in Verbindung stehen. Dazu gehören zum Beispiel die eigenen digitalen Grundkompetenzen, die Haltung zu Künstlicher Intelligenz, zur digitalen Meinungsbildung, zur Zukunft der Arbeit und zu weiteren Bereichen, welche das persönliche Leben beeinflussen und prägen.

Der Digital-Barometer wird jährlich von der Mobiliar und der Stifung Risiko-Dialog herausgeben. Einige Resultate der aktuellen Studie hier in der Zusammenfassung.

Defizite bei der digitalen Grundkompetenz

Wie steht es um die Fähigkeiten der Schweizer Bevölkerung, digitale Anwendungen und Geräte im Alltag effektiv und sicher zu nutzen? Wie schätzen die Menschen ihre Fähigkeiten ein, um mit dem digitalen Wandel Schritt zu halten?

Fast die gesamte Schweizer Bevölkerung verfügt nach eigenen Angaben zu Hause über einen Internetzugang (98 %). Mehr als neun von zehn Personen nutzten das Internet im Jahr 2023 täglich. Der Zugang zum digitalen Raum scheint also gewährleistet. Anders sieht es jedoch bei den individuellen Fähigkeiten aus, mit digitalen Geräten und Anwendungen umzugehen.

Jede dritte Person hat Mühe, im digitalen Alltag zurechtzukommen. Grundlegende und alltägliche Tätigkeiten wie online einzukaufen, Rechnungen per E-Banking zu bezahlen, via WhatsApp zu kommunizieren oder im Internet wichtige Informationen zu finden, fallen ihnen schwer.

Die Ergebnisse zeigen, dass das Risiko fehlender digitaler Grundkompetenzen signifikant nach Bildung, Alter und Einkommen variiert: Im Vergleich zum Durchschnittswert von 31 Prozent finden sich unter den Personen der tiefsten Bildungsstufe fast doppelt so viele Betroffene (59 %). Unter den über 75-Jährigen und unter den armutsgefährdeten- oder betroffenen Menschen sind es je 42 Prozent.

Ein Blick auf die jüngste Altersgruppe zeichnet ein anderes Bild: Unter den 16- bis 25-Jährigen haben rund neun von zehn Personen eine digitale Grundkompetenz (89 %). Mit diesem hohen Anteil liegt die Altersgruppe über allen anderen – und unterscheidet sich signifikant von allen Personen ab 35 Jahren. Die Jüngeren scheinen demnach besser gerüstet zu sein für digitale Transformationsprozesse als andere Bevölkerungsgruppen.

Positive Grundstimmung trotz Kompetenzlücken

In Anbetracht des hohen Anteils von Personen mit fehlenden digitalen Grundkompetenzen, wäre zu erwarten, dass sich dementsprechend viele Menschen digital ausgeschlossen fühlen. Das ist interessanterweise jedoch nicht der Fall: 82 Prozent der Bevölkerung hat das Gefühl, eher oder vollkommen mit dem digitalen Wandel Schritt halten zu können. Nur 17 Prozent der Befragten geben an, eher oder gar nicht mitzukommen – und zwar unabhängig davon, ob sie eine tiefe Bildung, hohes Alter oder wenig Einkommen aufweisen.

Kompetenzlücken werden wohl erkannt, der betroffene Teil der Bevölkerung scheint jedoch erstaunlich gut mit diesen Defiziten umzugehen.

Wie steht die Schweizer Bevölkerung zu Künstlicher Intelligenz?

Künstliche Intelligenz (KI) ist allgegenwärtig geworden. Zahlreiche KI-Anwendungen haben in verschiedenen Lebensbereichen und Branchen Einzug gehalten. Welche Einstellung haben Schweizerinnen und Schweizer zur Entwicklung neuer Technologien, die auf Künstlicher Intelligenz basieren?

Im Schnitt geben gleich viele Befragte eine positive (35 %) bzw. negative (34 %) Grundhaltung zu KI-basierten Technologien an. 27 Prozent stehen diesen Technologien neutral gegenüber. Mit dieser diffusen Grundhaltung ist die Schweiz nicht allein, Studien in Deutschland zeigen ein ähnliches Bild. 

Interessant ist die Tendenz, dass die positive Grundhaltung (KI wird eher und eindeutig befürwortet) mit steigendem Bildungsniveau zunimmt: Während lediglich ein Viertel der Personen mit obligatorischem Schulabschluss (24 %) eine positive Grundhaltung aufweist, ist es bei Menschen mit einem Universitäts- oder Fachhochschulabschluss bereits die Hälfte (50 %). Bildung spielt bei der Grundhaltung gegenüber KI-basierter Technologien demnach eine zentrale Rolle.

Dieser Zusammenhang zeigt sich auch bei den digitalen Grundkompetenzen: Bei Personen mit digitalen Grundkompetenzen ist die Grundhaltung gegenüber KI mehr als doppelt so häufig positiv (41 %) als bei Personen ohne Grundkompetenzen.

Wo werden bei KI Chancen erkannt?

Grosse Chancen in Bezug auf die Entwicklung von KI-Technologien sieht die Schweizer Bevölkerung in den Bereichen Ökologie und Klimaschutz (zum Beispiel Energieeffizienz und Forschung) sowie im betriebswirtschaftlichen Bereich (zum Beispiel Effizienzsteigerung von Arbeitsprozessen und neue Arbeitsmodelle).

Das deutet darauf hin, dass die Bevölkerung innovativen Technologien gegenüber grundsätzlich aufgeschlossen ist, sofern diese zur Lösung drängender Probleme beitragen.

Welche Bedenken bestehen im Zusammenhang mit KI?

Sorgen machen sich Schweizerinnen und Schweizer vor allem da, wo es um den Einfluss von KI auf unser soziales, gesellschaftliches und politisches Gefüge geht. Welche Entwicklungen in welcher Stärke Sorgen bereiten, zeigt die folgende Grafik.

Eine Zahl sticht allerdings besonders ins Auge: Rund die Hälfte der Schweizer Bevölkerung (49 %) nimmt KI als potenzielle Bedrohung für die Menschheit insgesamt wahr. Ein Blick über die Landesgrenze hinaus zeigt: In Deutschland steht KI, die zur Bedrohung für die Menschheit wird, sogar auf Platz 1 der Sorgenskala – und wurde von 59 Prozent aller Befragten genannt (KIRA 2023).

Wie lässt sich dieser hohe Wert erklären und einordnen? Die zukünftige Entwicklung von Technologien ist generell schwer vorauszusagen. Dies gilt auch für die rasanten Entwicklungen im Bereich der KI. Expertinnen und Experten sind sich uneinig in Bezug auf existenzielle Gefahren, die von KI ausgehen. Dies widerspiegelt sich auch in der Unsicherheit der Schweizer Bevölkerung in Bezug auf KI.

Regulierung von KI-Technologien: Vertraut die Bevölkerung dem Staat?

Im Kontext dieser Unsicherheit spielt das Vertrauen in eine angemessene staatliche Regulierung von KI-Technologien eine entscheidende Rolle. Mit dem "AI-Act" hat die EU im März 2024 das weltweit erste umfassende KI-Gesetz verabschiedet. Der Bundesrat will Ende 2024 einen Schweizer Entwurf vorlegen.

Wie steht es dabei um das Vertrauen der Schweizer Bevölkerung, dass KI-Technologien hierzulande angemessen, das heisst unter adäquater Abwägung von Chancen und Risiken reguliert werden? Die folgende Grafik zeigt, dass rund drei Viertel der Bevölkerung in dieser Beziehung dem Staat wenig zutrauen.

Der Wert des geringen Vertrauens von 72 Prozent ist alarmierend hoch, zumal die Bevölkerung der Schweizer Regierung grundsätzlich eher hohes Vertrauen entgegenbringt.

Eine mögliche Erklärung für diese Diskrepanz ist, dass neue Risiken generell mit mehr Unsicherheit behaftet sind als bekannte Risiken. Hinzu kommt, dass der Einfluss von KI-Technologien auf unsere Gesellschaft rasant zunimmt und möglicherweise die Befürchtung besteht, dass die langsam mahlenden Mühlen der schweizerischen Gesetzgebung diesem Tempo kaum hinterherkommen könnten. 

Es bleibt abzuwarten, wie sich das Vertrauen entwickelt und inwiefern sich staatliches Handeln auf die Risikowahrnehmung extremer Szenarien, in der KI-Systeme beispielsweise autonom über Leben und Tod entscheiden, auswirken wird.

Weitere Erkenntnisse der Studie

Der Digital-Barometet 2024 beleuchtet weitere Themen sehr ausführlich. Zum Beispiel zum Leben und zum Arbeiten mit Robotern, die Haltung der Schweizer Bevölkerung zur digitalen Inklusion, zur digitalen Meinungsbildung, zum Umgang mit digitalen Daten und auch zur Zukunft der Arbeit.

Die Resultate der Studie sind auf über 70 Seiten zusammengefasst, der Report kann kostenlos als PDF runtergeladen werden, gleich hier