Neo-Banken

Die Neo-Bank Radicant operiert im Gegenwind der Politik

Parlament im Landratssaal des Kantons Basel-Landschaft
Parlament im Landratssaal des Kantons Basel-Landschaft (Quelle: Kanton Basel-Landschaft)

Die Neo-Bank Radicant ist als Tochter einer Kantonalbank zahlreichen Strömungen ausgesetzt – aus der Politik weht ihr aktuell eine steife Brise entgegen.

Anfang Jahr hat Anton Stadelmann auf dem heissen CEO-Sessel der Neo-Bank Radicant Platz genommen, MoneyToday.ch hat berichtet, hier. Stadelmann hat Hintergrund und Erfahrung, trifft aber bei Radicant auf eine Konstellation, die neben Management-Qualitäten im eigenen Hause auch politisches Gespür, diplomatische Fähigkeiten und enorm viel Überzeugungskraft gegen aussen erfordern.

Dass wir den CEO-Sessel bei Radicant als heissen Stuhl bezeichnen, hängt mit der speziellen Geschichte und Position der Neo-Bank zusammen. Radicant firmiert als "unabhängiges Tochterunternehmen" der Basellandschaftlichen Kantonalbank (BLKB). Als juristische Person ist die Radicant Bank AG unabhängig, in ihrem Tun und Lassen ist sie es nicht. Dazu sind zu viele Kreise direkt und indirekt involviert, welche auf die eine oder andere Weise Einfluss auf Neo-Bank nehmen.

Diese Konstellation hatte bereits im Februar 2023 zur sofortigen Freistellung und zum Rauswurf von Co-Gründer und CEO Anders Bally geführt, wir haben berichtet, hier. Der Grund war eine Bemerkung von Bally, die weder besonders grob war noch den Tatbestand der Majestätsbestätigung erfüllt hat – sie war aber sehr direkt und sicher undiplomatisch. Dennoch hätte der Verwaltungsrat der BLKB ohne die damals schon problematische Gemengelage der zahlreichen Einflüsse Bally kaum von heute auf morgen an die frische Luft gesetzt. Bally ist gezwungenermassen auf dem Altar der politischen Empfindlichkeiten geopfert worden.

Radicant ist den Strömungen zahlreicher Gruppen ausgesetzt

Kein CEO und keine Geschäftsleitung agiert autonom. Bei der Radicant sind – neben dem Verwaltungsrat – jedoch weitere Kreise meinungsbildend und beeinflussend involviert. Dazu gehört die sechsköpfige Geschäftsleitung des Mutterhausen BLKB, angeführt von CEO John Häfelfinger. Letzterer gerät zunehmend unter Druck im Zusammenhang mit der Tochter Radicant. 

Die bisher hohen Investitionen in die junge Neo-Bank müssen gerechtfertigt werden. Nach einem Bericht von Inside Paradeplatz mit Bezug auf Informationen eines Insiders sollen diese Investitionen 100 Millionen Franken inzwischen übersteigen. Im Vergleich zu den hohen laufenden Kosten bezeichnet das Medium die Einnahmen als "Rinnsal" und rechnet vor, dass bei gleichbleibender Dynamik "der grösstmögliche Verlust sich Richtung 200 Millionen bewegen könnte".

Mit im Spiel der involvierten Gruppen ist der Bankrat der BLKB, der aus sieben Mitgliedern besteht, die vom Regierungsrat des Kantons gewählt werden. Eine zentrale Rolle hat, wie bei Kantonalbanken üblich, die Politik. Insbesondere der bereits angeführte Regierungsrat und vor allem der Landrat als Legislative. Dass die BLKB kürzlich bei Radicant eine Abschreibung in Höhe von 22 Millionen Franken vornehmen musste, dürfte gerade die politischen Kreise zusätzlich aufgeschreckt haben. 

Alle diese Gruppen haben Radicant unter Beobachtung und beeinflussen zudem den Kurs und die Entwicklung der Neo-Bank auf die eine oder andere Weise. Der BLKB-CEO ist unter Erfolgsdruck und muss in verschiedene Richtungen Rechenschaft ablegen. Häfelfinger und der Bankrat der BLKB verteidigen und stärken dabei mit verhaltenem Optimismus die Position ihrer Neo-Banken-Tochter. Die Politik scheint jedoch beunruhigt zu sein, stellt Fragen und formuliert Forderungen.

Die Neo-Bank Radicant im Fokus von Landrat und Regierungsrat

Das Parlament des Kantons Basel-Landschaft, der Landrat, hat in seiner 19. Sitzung vom 13. Juni 2024 die BLKB und ihre Tochter Radicant mehrfach traktandiert

Thema ist unter anderem die Interpellation von Landrat Peter Riebli mit der Frage: "BLKB-Performance ohne Einfluss auf Entlöhnung?". Riebli moniert die Lohnerhöhungen der BLKB-Geschäftsleitung in Relation zur vergleichweise schlechten Performance der BLKB. Interpellation hier, Beantwortung der Interpellation und Vorlage an den Landrat hier. Dieser Vorstoss hat mit Radicant direkt nichts zu tun, er ist jedoch ein Indiz für die Stimmung einzelner Parlamentarier.

Landrat Stefan Degen stellt kritische Fragen zu den im Vergleich zur BLKB hohen Sparzinsen von Radicant. Und er setzt diese Zinsen in einen Zusammenhang mit den Abschreibungen auf Radicant von 22 Millionen Franken. Interpellation hier, Beantwortung der Interpellation und Vorlage an den Landrat hier

Ein weiterer parlamentarischer Vorstoss von Peter Riebli trägt den Titel "Wann wird Radicant rentabel?" – Interpellation hier, Beantwortung der Interpellation und Vorlage an den Landrat hier.

Ein nächstes Postulat, ebenfalls von Riebli, mitunterzeichnet von neun weiteren Landräten, fordert konkrete Massnahmen unter dem Titel "Schadensbegrenzung bei Radicant" – Postulat hier, Stellungnahme hier

Je nach Diskussion und Entscheidung des Landrats zu den einzelnen parlamentarischen Vorstössen, ist im nächsten Schritt der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft in der Pflicht, gestellte Fragen zu beantworten oder Massnahmen zu ergreifen.

Ein Spagat des Radicant-CEOs ist nicht genug

Auf der Bühne rund um die Neo-Bank Radicant sind zahlreiche Gruppen und Einzeldarsteller in unterschiedlichen Rollen in die Vorstellung involviert. Da wird gefördert, beobachtet, gefordert, kritisch hinterfragt und gezerrt – nicht durchwegs in dieselbe Richtung. Der Ton scheint zudem rauher zu werden.

Das macht den Job von Radicant-CEO Anton Stadelmann extrem schwierig und sein Agieren zum Balance-Akt. Der wachsende Druck kann nicht durch einen diplomatischen Spagat pariert werden, der Spagat schafft nur zwei Richtungen. Im Umfeld von Radicant sind mehr als zwei Parteien involviert, da stehen zu viele Köche am Herd.

Unabhängig von möglicherweise zu hohen Investitionen, zu tiefen Einnahmen oder schleppender Entwicklung: diese breit gewachsene Gemengelage ist ein denkbar schlechter Boden für ein Startup, das den Ehrgeiz hat, eine profitable nachhaltige Neo-Bank zu werden. Nach Aussagen der interimistischen Co-CEOs und der BLKB-Führung – vor der Ära Stadelmann – wollte Radicant die Gewinnschwelle bis 2026 erreichen. Dieses optimistische Ziel ist an der Jahresmedienkonferenz im Februar 2024 korrigiert worden, Radicant soll nun 2027/2028 in der Gewinnzone landen.

Eine Neo-Bank, die nicht in Ruhe arbeiten kann, sondern laufend ihre Existenz rechtfertigen muss, hat möglicherweise keinen Raum, um diese hohen Ziele in Angriff zu nehmen.