Zahlen & Faken

Schweizer Bevölkerung: Keine Angst vor Negativzinsen und unbeeindruckt von der Klimadebatte

Junge Frau an Klima-Demonstration
Bild: dima_sidelnikov | Getty Images

Bemerkenswerte Resultate einer repräsentativen Befragung der Schweizer Bevölkerung zu den persönlichen Finanzen und zur Klimadebatte.

Schweizerinnen und Schweizer starten optimistisch ins neue Jahr. Das zeigt eine repräsentative Befragung von Comparis. Der Vergleichsdienst hat zu verschiedenen Themen den Puls der Bevölkerung genommen und teilweise erstaunliche Einsichten gewonnen.

Die Negativdenker bleiben in der Minderzahl, der Optimismus überwiegt. So glaubt zum Beispiel ein Drittel der Erwachsenen, dass sich ihre persönliche finanzielle Situation 2020 verbessern wird. Dieser Anteil der Optimisten in Bezug auf die eigenen Finanzen ist so hoch wie noch nie in den letzten vier Jahren.

35,7 Prozent der Optimisten begründen die potenzielle Verbesserung mit einem eigenen Wechsel oder dem Wechsel ihres Partners zu einem besser bezahlten Job. Eine gewisse Ernüchterung in Anbetracht der eingetrübten Wirtschaftslage ist dennoch feststellbar. So wird deutlich weniger als noch letztes Jahr das Argument "Lohnerhöhung oder grösserer Bonus" genannt: 30,9 vs. 37,9 Prozent.

Dennoch sind die Negativdenker auf dem Rückzug, nur gerade 13 Prozent der Befragten rechnen mit einer Verschlechterung ihrer Finanzlage im kommenden Jahr. Das sind im Vierjahresvergleich so wenige wie noch nie. Der Anteil der Personen, die keine Veränderung erwarten, ist mit einem Anteil von 54 Prozent leicht tiefer als 2018 (55,7 Prozent).

Wer macht sich Sorgen wegen Negativzinsen?

Sorgen bereiten die anhaltenden Negativzinsen noch nicht einmal der Hälfte der Befragten (43,9 Prozent der Nennungen). Dabei zeigt sich ein klarer Generationengraben. Die Altersgruppe der 18- bis 35-Jährigen beängstigt das Thema deutlich weniger stark (38,4 Prozent) als die über 55-Jährigen (50,6 Prozent). Zudem beschäftigen Strafzinsen die Deutschschweizer weniger als die Welschen (Sorgen-Nennungen 41,4 Prozent vs. 49,9 Prozent).

Michael Kuhn, Consumer-Finance-Experte bei Comparis, begründet die aktuellen Werte:

Offenbar ist das Thema Strafzinsen für viele noch zu abstrakt, obwohl auch Kleinsparer dieses Jahr akut davon betroffen sein können

Kuhns These wird unterstützt durch offensichtliche Wissensdefizite der befragten Personen, welche in der Studie klar zum Ausdruck kommen.

Negativzinsen sind im Bewusstein der Bevölkerung noch nicht angekommen

So zeigt denn auch die Frage nach den persönlichen Handlungsoptionen in Bezug auf die drohenden Negativzinsen grosse Wissenslücken. 43,5 Prozent der Befragten geben an, gar nicht zu handeln. An zweiter Stelle folgt mit 17,8 Prozent der Nennungen die Antwort «Ich werde mehr sparen». Der Anteil der Personen, die wegen der Negativzinsen mehr sparen wollen, ist über alle Einkommensklassen und Bildungsschichten konstant.


Comparis-Experte Michael Kuhn zieht aus diesen Reaktionen die Schlussfolgerung:

Das zeigt, dass das Phänomen der Strafzinsen auf Spareinlagen von einem bedeutenden Teil der Bevölkerung nicht richtig verstanden wird 

Nur 15,2 Prozent der Befragten nehmen die Situation zum Anlass, mehr in Fonds und Aktien zu investieren. 11,3 Prozent legen ihr Geld in den Tresor und 11,1 Prozent überlegen sich einen Bankwechsel.

Die Klimadebatte und das persönliche Verhalten

Sehr geringe Auswirkungen auf die Konsum- und Finanzentscheidungen der Schweizerinnen und Schweizer hat trotz grosser Medienpräsenz die Frage der globalen Klimaerwärmung. 72,8 Prozent der Befragten geben an, dass sie nur einen geringen bis gar keinen Einfluss auf das persönliche Verhalten hat. 
 

In der Deutschschweiz ist der Anteil derer, die sich unbeeindruckt geben, mit 76,2 Prozent deutlich höher als in der Romandie (64,2 Prozent). Am unsensibelsten bezüglich der Klimadebatte sind in der ganzen Schweiz Personen mit einer mittleren Bildung. Vier Fünftel (79,8 Prozent) dieser anteilsmässig grössten Gruppe der Schweizer Bevölkerung lassen sich bezüglich ihres Konsum- oder Finanz-Verhaltens nicht durch Greta und Co. beeinflussen (vs. 64,1 Prozent bei niedrigem Bildungsniveau und 67 Prozent mit hoher Bildung). 

Interessant ist, die höchste Sensibilisierungsrate weisen die zwei Altersgruppen auf, die am weitesten auseinanderliegen: die unter 25-Jährigen (34,8 Prozent) und die Pensionierten ab 66 Jahren (35,3 Prozent). Demgegenüber hat nur für 20,4 Prozent der Befragten zwischen 44 und 55 Jahren der Klimawandel einen grossen bis sehr grossen Einfluss auf das Konsum- und Finanzverhalten.

Fazit zu den Auswirkungen der Klimadebatte

Diese Erkenntnisse der aktuellen Studie zur Klimadebatte bestätigen in der Tendenz unsere in anderen Zusammenhängen bereits geäusserte Vermutung, dass breite Bevölkerungskreise denken, mit den Sympathien für die Fridays for Future-Bewegung und dem Wählen von Grün ihren Beitrag geleistet zu haben. Das eigene Verhalten bleibt von der Bewegung ausgenommen. Die aktuellen Höchstmarken und Rekordwerte bei Flugreisen, SUV-Verkäufen oder auch E-Commerce-Umsätzen unterstreichen diese Tendenz. Ein Widerspruch, der in den nächsten Monaten und Jahren die Diskussionen zwischen Politik, Organisationen und Gesellschaft noch kräftig befeuern wird.