Patrick Comboeuf hat sich am Faces & Forbes Luxury Summit im Dolder Grand umgesehen – Betrachtungen zum Thema Luxus.
Der über praktisch alle Luxussegmente spürbare Post-Covid Boost ist mittlerweile abgeflacht. War 2022 das vielzitierte "Year of Revenge Pampering", spürten insbesondere die Reiseanbieter den Nachholbedarf der Konsumenten an Fern- und Erlebnisreisen im darauffolgenden Jahr. Auch wenn die "Geschworenen" kein abschliessendes Urteil zu heuer gefällt haben, lassen die Eindrücke vom Faces& Forbes Luxury Summit letzten Monat eines unzweifelhaft sagen: Luxus boomt!
Sie finden diese These zu steil? Werfen Sie einfach einen Blick auf den reichsten Mann der Welt. Durch die Gründung des Branchenriesen LVMH hat Bernard Arnault ein pesönliches Nettovermögen von fast 250 Milliarden Dollar angehäuft, mehr als jeder andere, einschliesslich des Serial Entrepreneurs Elon Musk und des Amazon-Gründers Jeff Bezos.
Die Luxusbranche befindet sich aber im Wandel. Wachsende Vermögensungleichheiten, eine Verachtung für elitäres Verhalten und die wachsende Bedeutung sozialer Medien stellen traditionelle Konzepte auf die Probe. Gleichzeitig erfinden neue Akteure und Trends den Luxus immer wieder neu. Vieles dreht sich um die Frage: Was bedeutet Luxus in der heutigen Zeit? Welche Rolle spielen sich abzeichnende Trends wie stiller Luxus, Nachhaltigkeit, "affordable Luxury", exklusivste Erlebnisse oder gar Minimalismus in der Branche? Und wie positionieren sich etablierte Marken und Newcomer im Kampf um die wenigen, die es sich leisten können, ihre Produkte und Erlebnisse zu kaufen? Oder noch wichtiger, wie holt die Industrie nachrückende Generationen, neue Affluents und die Erben der Baby-Boomer-Generation so ab, dass das ganze möglichst nicht "creepy" rüberkommt.
Die Faces & Forbes-Crew rund um die umtriebigen Stefan Berger, Philipp Boksberger, Klaus Fiala und Pascal Konrad lud progressive Vor-, Mit- und Nachdenker der Luxusindustrie auf den noblen Zürichberg zum "Klassentreffen". Mehr als 400 Protagonisten folgten dem Ruf und pilgerten zum ersten Faces & Forbes Luxury Summit ins Dolder Grand. Das facettenreich kuratierte Programm umfasste Keynotes und Panels mit internationalen Top-Speakern, aber auch inspirierende Pitches mit aufstrebenden "Young Guns" aus der überaus heterogenen Luxus- und Lifestyle-Branche.
Wurde dieser erstmals durchführte Luxusgipfel dem Anspruch gerecht, diese facettenreichen Fragen hinreichend zu klären?
Für die eiligen Leserinnen und Leser (TL:DR – kännsch?) hier die Antwort in der gebotenen Kürze:
Ja und Nein.
Für alle anderen nachstehend ein paar Reflektionen und erinnerungswürdige Zitate sowohl von Protagonisten auf der Bühne als auch aus den Pausengesprächen mit Persönlichkeiten aus dem Kreis der Delegates.
"Pre-owned" macht (einige) Luxus-Märkte grösser
Das klassische ökonomische Prinzip der Preis-Elastizität lässt sich naturgemäss nur bedingt auf alle Luxuskategorien anwenden. Die von Balenciaga "veredelte" Ikea-Tasche ist dafür ein plakatives Beispiel.
Bei Luxusjets erweitert das Angebot an Fluggeräten, welche schon ein paar Meilen auf dem Tacho haben, naturgemäss aber zweifellos auch die Gruppe der potenziellen Käufer.
Stop apologizing for your success – buy a jet
Steve Varsano, Gründer von The Jet Business – The Switzerland of Aircraft Brokers
Mit provokanten Thesen und einem komplett neu gedachten Marketing-Ansatz disruptiert der Selfmade-Unternehmer die Privatjet-Branche. Mit seinem Hightech-Showroom mitten im Zentrum Londons mutiert er zu einer stimmigen Kombo von Traumfänger und Lösungsanbieter. Im Zentrum steht eine hochwertige digitale App, die potenzielle Klienten versiert durch den komplexen Prozess von Evaluation und Kaufabwicklung der hochwertigen Pre-owned Jets mit Durchschnittspreisen von mehr als 20 Millionen US-Dollar führt.
Pre-owned war auch in der Uhrenbranche in den letzten Jahren ein Attribut mit Zeitgeist, insbesondere bei den Ultra-Luxus-Zeitmessern der Traditionsmarken aus der französisch-sprachigen Schweiz. (Noch) nicht ganz in dieser Liga spielt die Zürcher Uhrenmanufaktur Maurice de Mauriac. Mit ihrem Portfeuille an ausdrucksstarken mechanischen Uhren sprechen sie bewusst Lifestyle-Nischen an, wie einer der Mitbesitzer seinen aufmerksamen Zuhörern im Pausengespräch verriet. Neben Tennis, Classic Cars und Racing schielen sie insbesondere auf interessante Colabs mit anderen Brands sowie regionale Potenziale auch bei jüngeren Zielgruppen, welche sie mit "Limited Edition"-Uhren, zum Beispiel der "Züri Date*, erfolgreich ansprechen.
People love to buy, but hate to be sold
Massimo Dreifuss, Maurice de Mauriac Watches
Mit dieser Überzeugung bietet die Marke in ihren Ateliers in der Nähe des Paradeplatzes oder im hippen Geroldareal neben stylischen Lifestyle-Accessoires seit kurzem auch Uhrmacher-Kurse ab zwei Personen an – ein gelungenes Beispiel für innovative Brand-Experiences.
Limited Editions bewirtschaften FOMO
Uhrenmarken wie Maurice de Mauriac, die selbst mit ihrer auf 48 Stück limitierten, wortwörtlich pulsierenden "Grand Coeur" noch dem "affordable Luxury"-Segment zuzuordnen sind, aber auch Omega / Swatch Group mit ihren Moonwatches nutzen "Limited Editions" zur wirksamen Vermarktung. Auch viele andere Luxuskategorien haben dieses Attribut als Boost für mehr Sales verinnerlicht.
Sarah Schlagenhauf, Co-Founder und CEO von Vivents, erläuterte auf der Summit-Bühne wie durch eine Kombination von physischen mit digitalen Elementen eine neue Kategorie an "Luxury Experiences" im Begriff ist zu entstehen. Die Lancierung der neuen, auf nur 12 Exemplare beschränkten Parfums von Lalique oder der Eisgenoss, ein Eishockey-Puck, sind innovative Beispiele, wie sich ein physisches Produkt angereichert mit digitalen Attributen zu einem phygitalen Erlebnis machen lässt.
Digital or physical experiences? Why not go Phygital?
Sarah Schlagenhauf, Vivents
Ebenfalls in (sehr) limitierter Auflage, sprich als Einzelstück, kommt auch das Leben per se daher. In einem lebhaft moderierten Chat teilte der bekannte Investor aus der Sendung "Höhle der Löwen", Dr. Tobias Reichmuth, woran er mit seinem Maximon-Team, dem Company Builder für Longevity, aktuell tüftelt.
“Health is the new wealth” – das gilt wohl nicht nur für die Kundschaft, sondern hoffentlich nicht zuletzt auch für Reichmuth und seine Investoren selbst. Sympathisch, ungeachtet von kommerziellen Zielen, gab er im dem aufmerksamen Publikum freigiebig seine persönlichen kostenlosen Langlebigkeits-Hacks preis. Kalt und warm duschen (mindestens 1 Minute), ausgewogene Ernährung mit wenig Alkohol und ein gutes Schlafregime unterstützen die persönliche Langlebigkeit. Für alle, die "kostenlos" etwas dröge finden, eröffnet Ayun diesen Sommer in der Zürcher Innenstadt die erste von mehreren geplanten Longevity-Kliniken mit engem Bezug zur wissenschaftlichen Forschung. Die Mitgliedschaften bei Ayun richten sich dabei bewusst nicht nur an High-Net-Worth-Individuals, sondern sind für eine breitere, gesundheitsbewusste Zielgruppe erschwinglich.
Das Ziel ist, so jung und gleichzeitig so spät wie möglich zu sterben
Dr. Tobias Reichmuth, Maximon
Luxus als Generationen-übergreifendes Phänomen
Die junge Generation Z umfasst digital Natives mit einem ausgeprägten Bewusstsein für Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit. Bereits im Jahr 2030 wird diese Generation, auch begünstigt durch einen massiven Vermögenstransfer durch Erbschaften, für 25 bis 30 Prozent der Käufe von Luxusgütern verantwortlich zeichnen. Für Luxusgüterhersteller wird Gen Z zu einer wichtigen Zielgruppe, auch wenn Millennials in sechs, sieben Jahren immer noch die Hälfte des Umsatzes beisteuern.
Gen Zler hinterfragen den klassischen Luxusbegriff. Markenlogos und protzige Inszenierungen verlieren an Reiz. Stattdessen schätzen junge Konsumenten "stillen Luxus": Hochwertige Produkte, die sich durch Qualität und Handwerkskunst auszeichnen, ohne protzig zu sein. Auch Nachhaltigkeit spielt eine zentrale Rolle. Die Gen Z erwartet von Luxusmarken, dass sie sich für Umwelt- und Klimaschutz einsetzen und transparent über ihre Produktionsbedingungen Rechenschaft ablegen. Etablierte Luxusunternehmen müssen sich diesem veränderten Umfeld anpassen. Oder wie es Gen Z-Experte Yannik Blättler ausleuchtet: Sie müssen aufzeigen, warum ihre Marke für die junge Generation relevant ist. Dies bedingt, ihre Markenwerte neu zu definieren und mit den Ansprüchen der jungen Generation in Einklang zu bringen. Diskretion und Understatement sind gefragt, ebenso wie nachhaltige Produktionsweisen und ein klares Bekenntnis zu sozialen Werten.
Anhaltende Dynamik bei Luxus-Anbietern und deren Angebot
Neben Traditionsmarken erobern innovative Newcomer die Luxusbranche. Sie bedienen die Sehnsucht nach individualisierten Erlebnissen und bieten exklusive Dienstleistungen statt Massenware.
Unternehmen, die sich diesen Trends anpassen und die Käuferbedürfnisse generationenübergreifend verstehen, werden diesen Umbruch erfolgreich meistern.Mehr denn je gilt es, innovative Antworten auf aktuelle Herausforderungen zu finden und zielgruppengerecht (auch und immer mehr via Social Media) zu kommunizieren.
Auch wenn ein Blick in die Glaskugel naturgemäss mit Risiken behaftet ist, die Luxus-Community hat durchaus Grund, sich auf die Zukunft zu freuen.
Der Autor:
Patrick Comboeuf
Patrick Comboeuf ist einer der profiliertesten digitalen Vordenker der Schweiz. Neben dem Fachgebiet Künstliche Intelligenz im Finanzwesen berichtet er für MoneyToday.ch über Themen wie Digital Finance, Blockchain, DeFi, Web3 sowie ESG & Sustainable Investing.
Mehrere Wochen im Jahr verbringt er im Silicon Valley und anderen Hotspots der digitalen Welt. Seit 2013 arbeitet er freiberuflich für verschiedene renommierte Bildungsinstitutionen, unter anderem als Studiengangsleiter für Post-graduate Masterprogramme wie den CAS AI in Finance & DeFi/Web3 Economist an der HWZ Hochschule für Wirtschaft in Zürich.
Hauptberuflich unterstützt er etablierte Unternehmen sowie aufstrebende Startups als Interims-Manager & Facilitator dabei, ihre Geschäftstätigkeit friktionsfrei in einer "AI First"-Welt zu verankern.
Als früherer Head of Digital Experience bei Swiss Life und als Leiter Digital Business bei den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) war er federführend verantwortlich für eine Vielzahl von Initiativen, welche die digitale Kundenerfahrung in eine neue Sphäre hoben.
Neben seiner Redaktorentätigkeit für MoneyToday.ch teilt er sein Wissen und seine Einschätzung auch sozial-medial auf LinkedIn und X/Twitter sowie als Prakademiker, Speaker, Moderator oder Podiumsgast auf Konferenzen im In- und Ausland.
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