Die PSD2 bewegt Europa und Open Banking schafft neue Spielregeln. Auch in der Schweiz? Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) hat ihre Haltung gefunden, definiert und kürzlich mit einem Positionspapier konkret Stellung bezogen. Unsere Redaktion nimmt aktuell den Puls der Branche – wir haben Experten aus verschiedenen Lagern um ihre Meinung zum Thema gebeten.
Exponenten aus dem Umfeld von Banken, FinTechs, Verbänden, Beratung, Medien und Recht nehmen Stellung. Ihre Statements bringen wir laufend in unserer Serie:
Fokus Schweiz | Meinungen zur PSD2 und zu Open Banking
Fünf Fragen an Andreas Iten von F10 FinTech Incubator & Accelerator
Welche Auswirkungen hat nach Ihrer Betrachtung die EU-Regulierung PSD2 für die Schweiz?
Im Prinzip hat die EU-Regulierung für die Schweiz per 1.1.2018 keine direkten Auswirkungen. Für mich ist es jedoch ein klares Signal, in welche Richtung sich die Finanzindustrie bewegt, und dies wird mittelfristig auch für Schweizer Finanzinstitute relevant werden. Viele Institute sind ja nicht nur in der Schweiz sondern auch im EU-Raum aktiv und darum werden sie sich bereits heute mit den neuen Vorgaben beschäftigen müssen.
Für Schweizer FinTech-Firmen, welche sich mit ihren Dienstleistungen und Produkten an der Kundenschnittstelle bewegen, eröffnen sich in der EU neue Möglichkeiten.
Welche Bedeutung messen Sie Open Banking für den Finanzplatz Schweiz zu?
Die gesamte Industrie ist im Umbruch. In den letzten fünf Jahren hat sich der Wert der Top 50 Banken um +58%, derjenige der Top 50 FinTech-Firmen jedoch um +169% gesteigert. Es fliesst also verhältnismässig mehr Kapital in FinTech als in die traditionellen Banken. Auch die Bewertung von Tech-Firmen hat +140% zugenommen (Zahlen stammen von einer Studie von Oliver Wyman).
In der Schweiz ist das noch nicht stark zu spüren. Das Vertrauen der Kunden hat, trotz Finanzkrise und anderen negativen Ereignissen, nicht wirklich gelitten. Im Vergleich zu anderen Ländern in- und ausserhalb Europas, verfügt die Schweiz über eine ausserordentlich gute Infrastruktur. Die Banken müssen sich trotzdem eine Strategie zurechtlegen wie sie mit den anstehenden Veränderungen umgehen wollen. Open Banking ist eine offensive Möglichkeit, sich auf Wachstum zu fokussieren und sich in einer neuen Welt zu positionieren.
Die SBVg bezieht Stellung und lehnt eine PSD2-analoge Regulierung für die Schweiz ab. Welche Signale werden dadurch gesetzt? Ist das ein Vorteil, ein Nachteil oder bleibt eine fehlende PSD2-analoge Regulierung ohne Auswirkungen für die Schweiz?
Ich verstehe die Haltung der Banken. Es geht darum zu verhindern, dass Tech-Firmen wie Apple, Facebook etc. sich einfach in die Kundenschnittstelle einklinken können, somit eine starke Konkurrenz entsteht und sich langfristig die Kundenbeziehung von den Banken wegbewegt.
Als Innovator stehe ich der Sache jedoch skeptisch gegenüber. Die Kunden der Zukunft werden vielleicht weniger loyal sein und sich dorthin bewegen, wo sie die beste Dienstleistung zum besten Preis erhalten. Die globale Digitalisierung schreitet voran und ich denke, wir werden uns irgendwann vor dem Trend der "Öffnung" nicht mehr schützen können. Auch wenn wir es noch schaffen, den Schweizer Markt für eine gewisse Zeit abzuschotten, ist es eine Frage der Zeit, bis der Druck so stark steigt, dass wir eine PSD2-analoge Regulierung übernehmen werden. Die Institute, welche sich heute diesbezüglich eine klare digitale Strategie zurechtlegen, werden dann bereit sein. Für die anderen sehe ich leider keine rosige Zukunft.
Wird die PSD2 in ihren Auswirkungen generell überbewertet oder ist es tatsächlich eine umwälzende Neuerung?
Ich denke, man sollte die Auswirkungen auf keinen Fall unterschätzen. Wie gesagt werden sich Nicht-Banken in die Kundenschnittstelle drängen, dort mit neuen aus Kundensicht sinnvollen Dienstleistungen positionieren und die dahinterliegenden Institute werden zu Komponenten-Lieferanten.
Der Kunde wird vermutlich dann nicht mal mehr wissen, bei welcher Bank sein Konto oder seine Hypothek liegt. Die Banken müssen sich gut überlegen, welche Rolle sie in Zukunft spielen möchten und wie ihr Geschäftsmodell dann aussieht. PSD2 bietet jedoch auch vielen eine Chance für eine Neupositionierung und für innovative Produkte und Dienstleistungen ausserhalb des angestammten Geschäfts.
Welche Rolle wird Open Banking in fünf Jahren in Europa im Allgemeinen und in der Schweiz im Besonderen spielen?
Open Banking wird in den nächsten Jahren zuerst in Europa und später auch in der Schweiz dazu führen, dass der Kunde neue Dienstleistungen von sogenannten "Demand Aggregators" erhält. Ein Beispiel dafür ist der Erwerb und Besitz von Eigenheim: Eine solche Lösung startet beim Ansparen des benötigten Kapitals, dann geht’s weiter mit dem Finden, dem Kauf und dem Versichern des Objekts. Das alles aus einer Hand, mit einem Prozess und bei voller Transparenz.
Hinter einer solchen Lösung stehen verschiedene Plattformen und Komponenten-Lieferanten, welche durch offene Schnittstellen (API) dem Aggregator Leistungen zu Verfügung stellen. Solche Lösungen sind erst durch Open Banking und APIs möglich. Immer mehr Firmen/Start-ups wollen ganzheitliche Kundenprobleme lösen. Offene Schnittstellen sind daher für die Innovation am Kunden-Interface essentiell.
Was wir nicht gefragt haben, was jedoch Ihrer Meinung nach zum Thema PSD2 oder Open Banking unbedingt gesagt gehört:
Kollaboration ist massgebend für die Innovationskraft einer Branche. Open Banking bedeutet Kollaboration. Mit dem F10 FinTech Incubator & Accelerator fördern wir die Kollaboration zwischen FinTech-Start-ups, Banken, Versicherungen und Technologie-Herstellern.
Ich wünsche mir, dass die Branche noch mehr Bereitschaft zur Zusammenarbeit zeigt. SIX als Hauptsponsor von F10 und als Rückgrat des Schweizer Finanzplatzes setzt sich für offene Standards ein und bietet sich als Brückenbauer und Betreiber von offenen Lösungen an.
Sehen wir Open Banking als Chance und nicht als Bedrohung, In diesem Sinne schätze ich folgenden Spruch von Abraham Lincoln sehr: "The best way to predict the future, is to create it".