Software

Frontalangriff von Abacus auf KMU-Software-Hersteller

Startup im Büro
Bild: Vgajic | Getty Images

Der Frontalangriff hat einen Namen: Swiss21.org. Hinter der Organisation steht ein Konsortium mit einer simplen Idee: Günstig ist gut, kostenlos verkauft besser. Das Projekt könnte bestehenden Anbietern schlaflose Nächte bereiten.

Die Idee ist simpel, die Umsetzung ist es nicht. Sie könnte jedoch gelingen, weil hinter dem Projekt nicht ein paar lustige Jungs und Mädels mit einer smarten Idee ohne Plan stehen, vielmehr Software- und Tool-Hersteller mit Erfahrung und Hintergrund. Das Konsortium von Swiss21.org will Schweizer Startups und Kleinunternehmen eine kostenlose Cloud-Gesamtlösung zur Verfügung stellen, welche die Büroadministration von A bis Z managen kann.

Das Konsortium

Hinter der Organisation Swiss21.org stehen aktuell die folgenden Unternehmen:

Abacus Research AG
Grosse Erfahrung als Anbieter von Business Software und bereits heute unterwegs mit der kostenlosen Cloud Business Software Aba Ninja

Glarotech Gmbh
Anbieter der Webshop-Lösung und Kassen-Lösung Peppershop

Orphis AG
Anbieter der CRM-Lösung Orphy

Fasoon AG
Startup-Portal für Firmengründungen

Die Initianten geben an, dass noch weitere Unternehmen dazustossen werden, damit das Angebot erweitert werden kann, insbesondere mit branchenspezifischen Cloud-Lösungen.

Das Produkt und die Leistungen

Die Macher versprechen eine kostenlose Gesamtlösung, welche die Büroadministration in Pflicht und Kür beherrrscht. Dazu gehören nach Angaben des Konsortiums:

  • Software für die Buchhaltung
  • CRM-Lösung
  • Onlineshop
  • einfache Zeiterfassung
  • Online-Kasse inklusive Lösung für die Rechnungserstellung

Die Initianten versprechen eine "nachhaltig kostenlose" Lösung, das heisst: zum Start und auch auf Dauer absolut kostenlose Nutzung sämtlicher Leistungen. 

Das Produkt dürfte auf der bestehenden Abacus-Lösung Aba Ninja aussetzen, welche bereits heute von Kleinunternehmen kostenlos genutzt wird. Die Zusammensetzung des Konsortiums zeigt, aus welchen Küchen die weiteren Funktionen und Leistungen stammen, welche mit an Bord sein werden: CRM und Webshop von Orphis und Glarotech. 

Weshalb die Zahl 21 für Aufregung bei Konkurrenten sorgen könnte

Der kostenlos nutzbare Leistungsumfang ist eher grosszügig gedeckelt und stellt sicher, dass Startups und Kleinunternehmen nicht bereits nach kurzer Zeit anstehen. Im Zentrum steht die Zahl 21, welche die Nutzungsspielräume definiert. Bis zu den folgenden Limits ist und bleibt das Produkt kostenlos:

  • 2'100 Rechnungen pro Jahr
  • 2'100 Artikel im Shop
  • 2'100 Kontakte
  • 21 Benutzer der Software

Wer im Laufe der Zeit mehr braucht, wechselt von der kostenlosen 21 auf die kostenpflichtige 50 und hat dann Anspruch auf bis zu 5'000 Rechnungen pro Jahr, 5'000 Produkte im Shop und 5'000 Kontakte. Für diese erhöhten Limits bezahlt der Nutzer CHF 21.– pro Monat. Die Kosten bleiben überschaubar, 21 bleibt Programm und ist nicht unanständig weit von kostenlos entfernt. 

Was an den Plänen des kostenlosen Produkts des Konsortiums überrascht, sind zwei Punkte: Zum einen der in Aussicht gestellte Leistungsumfang, der die Ansprüche von Kleinunternehmen erfüllen kann oder teilweise sogar übertreffen wird. Zum anderen die eher hoch angesetzen Limits, welche Startups Raum verschaffen. Spürbar ist, dass die Initianten Markt und Produkte studiert haben, mit der Intention, bestehenden Produkten vom Start weg in Preis und Leistung eher kräftig an den heute gut rollenden Karren zu fahren.

Die Ziele

Das Angebot von Swiss21.org wird im Frühling 2018 lanciert und Walter Regli, Geschäftsführer von Swiss21.org formuliert die Ziele so:

Wir sind überzeugt, dass unser nicht gewinnorientiertes Angebot rasch eine breite Akzeptanz gewinnt und bis Ende 2020 rund 10% aller Schweizer Kleinunternehmen die kostenlose Lösung von Swiss21.org einsetzen

Rechnet man das "M" raus aus den KMU in der Schweiz und fokussiert nur auf das "K", dann liegt die anvisierte Zahl der Kleinunternehmen, welche bis Ende 2020 mit der Gratis-Lösung arbeiten sollen, schon mal deutlich über 50'000. Ist das Produkt wirklich gut, bietet alle Funktionen und Features, die ein KMU braucht und wird die Software von einem cleveren Marketing begleitet, bleibt nach oben noch sehr viel Luft, um den Markt zu besetzen. Zumal im wichtigen Bereich der Startups der virale Effekt oftmals sehr wirkungsvoll greift. Was gut ist und Probleme löst, das empfehlen Startups auch anderen Jungunternehmern.

Im Visier

In wessen Revieren Swiss21.org wildern wird, ist klar. Im Fokus stehen Startups und KMU, welche bereits mit einer kostengünstigen Cloud-Lösung arbeiten oder nach der ersten Lösung suchen. Da geht dann die Bandbreite von A wie Abacus (es bleibt in der Familie) über B wie Bexio bis zu S wie Sage. Je nach Funktionsumfang und Modulen schlagen bestehende Cloud-Lösungen mit 25 bis 150 Franken pro Monat zu Buche. Kann ein KMU denselben Leistungsumfang mit vergleichbarem Komfort nutzen, dann bekommt die Zahl Null, die am Monatsende nicht überwiesen werden muss, doch ziemlich viel Magie und Durchschlagskraft.

Wer davon profitiert

Startups und KMU gehören mit Sicherheit zu den Gewinnern. Die beteiligten Unternehmen im Konsortium ebenfalls, wenn der Plan aufgehen sollte. Diese folgen keiner altruistischen Vision, sie sichern sich vielmehr die Marktanteile der Zukunft. Genaugenommen bereits jene der Gegenwart, diese sind jedoch vorerst mit eher hohen Kosten und Umsatzverzicht verbunden. Spannend wird's, wenn bestehende Gratis-Kunden mit ihren Firmen wachsen, andere und höhere Ansprüche entwickeln und zusätzliche Software und Lösungen brauchen. Wer da für die kostenpflichten Upgrades und organisch erweiterbaren Lösungen steht, liegt auf der Hand. Zu diesem Zeitpunkt dann auch verdientermassen, schliesslich hat man in seine Gratiskunden zuerst einmal massiv investiert.

Die Strategie der späten Ernte

Das Konzept ist interessant, setzt allerdings einen langen Atem voraus. Hält das Konsortium diesen Marathon durch, könnte die Rechnung aufgehen. Dann, wenn ein wirklich starkes Produkt mit hoher Bekanntheit im Zentrum steht, das Konkurrenten nicht nur ein bisschen stört, sondern den Markt durch seine kostenlose Einzigartigkeit und durch massives Marketing geradezu überflutet. 

Das Softwarepaket in der Cloud wird bereits im Frühling 2018 lanciert und soll dann allen KMU in der Deutschschweiz zur Verfügung stehen. 2019 wird das Angebot für die Romandie erweitert, 2020 dürfen dann auch Tessiner KMU mit an Bord.