Nach der Silvergate Bank, die abgewickelt wird, ist mit der Silicon Valley Bank (SVB) ein ganz anderes Kaliber ins Wanken geraten. Hat die freiwillige Abwicklung von Silvergate primär die Kryptobranche in Unruhe versetzt, ziehen die Ereignisse um die Silcon Valley Bank auch beunruhigende Kreise in alle Finanzmärkte.
Der Niedergang der Silicon Valley Bank
Die 1983 gegründete Bank gehörte mit zu den Schwergewichten in den USA, im Ranking der Top-20 lag sie auf Rang 16. Die SVB bediente vor allem Startups, Tech-Unternehmen und auch grosse Risiko-Kapitel-Unternehmen, in allen Bereichen eine beträchtliche Anzahl. Die SVB genoss einen tadellosen Ruf, war die Hausbank des Silicon Valley, eine wichtige Anlaufstelle auch international und noch 2021 deutlich höher bewertet als zum Beispiel die Credit Suisse oder die Deutsche Bank.
Steigende Zinsen haben die gewohnten Geschäfte der SVB-Kunden erschwert – durch einen erhöhten Kapitalbedarf dieser Kunden hatte die SVB nach der Zinswende massive Geldabflüsse zu verzeichnen. Ende 2022 verfügte die Bank über ein Gesamtvermögen von ungefähr 209 Milliarden US-Dollar und verwaltete Kundeneinlagen von immer noch über 175 Milliarden Dollar.
Offenbar haben sich die Rückzüge der Kunden auch 2023 fortgesetzt, das hat die Bank gezwungen, Teile ihrer US-Staatsanleihen und anderer Wertpapiere im Umfang von rund 21 Milliarden Dollar zur Unzeit (vor Ablauf) mit hohen Verlusten zu verkaufen, um liquide zu bleiben. Auch diese Anleihen haben durch die Zinswende teilweise massiv an Wert verloren, wenn sie vor ihrem Ablaufdatum veräussert werden.
Die Abschreibungen in ihrem Portfolio aus Anleihen und Hypothekenverschreibungen wollte die SBV mit einer Kapitalerhöhung im Umfang von rund 2 Milliarden Dollar ausgleichen. Dieser Plan hat Kunden aufgeschreckt und einen Bank Run ausgelöst, Kunden wollten ihre Einlagen abziehen und ihr Geld in Sicherheit bringen. Allein letzten Donnerstag hätten Kunden nach verschiedenen Medienberichten 42 Milliarden Dollar abgezogen oder abziehen wollen. Zum anderen ist der Aktienkurs der Silicon Valley Bank massiv eingebrochen, der Handel der SVB-Aktien ist letzten Freitag ausgesetzt worden.
Um Schlimmeres zu verhindern haben die Aufsichtsbehörden letzten Freitag eingegriffen. Die Silicon Valley Bank ist geschlossen worden, die US-Einlagensicherung Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) hat die Vermögenswerte der SVB übernommen und in eine neu gegründete Auffang-Bank, die Deposit Insurance National Bank of Santa Clara (DINB), überführt. Details zum Verfahren hat die FDIC in einer Medienmitteilung zusammengefasst, hier.
Der Haken an der Sache
Kundeneinlagen bei der SVB sind nur bis zu einem Höchstwert von 250'000 Dollar versichert. Das dürfte für den Grossteil der Kunden, die mit grossen Summen umgehen, ein Tropfen auf den heissen Stein sein. Die FDIC will sich raschmöglichst einen Überblick über die aktuellen Vermögenswerte und Einlagen der SVB verschaffen – erst aufgrund dieser Zahlen kann sie festlegen, welche Geldbeträge ausbezahlt werden können, die 250'000 Dollar übersteigen. Die Auffang-Bank DINB will am Montag sämtliche Filialen der Silicon Valley Bank wiedereröffnen, um einen halbwegs geordneten Betrieb zu gewährleisten.
Fakt ist: Startups und Unternehmen mit laufenden Ausgaben haben am Montag nur Zugriff auf ihre versicherten Einlagen. Nicht versicherte Einleger sollen innerhalb der nächsten Woche eine Vorausdividende von der DINB in noch unbekannter Höhe ausbezahlt bekommen. Zudem sollen Kunden eine Zwangsverwaltungsbescheinigung für den verbleibenden Betrag ihrer nicht versicherten Gelder erhalten.
Dieser momentan eingeschränke Zugriff auf die eigenen Gelder kann Tech-Unternehmen und Startups in Schwierigkeiten bringen und Liquiditätsengpässe schaffen. Zum Beispiel, wenn diese Woche Löhne ausbezahlt werden müssen, zusätzlich zu den laufenden Kosten.
Die Auswirkungen auf das Finanzsystem und die Finanzmärkte
Die Silicon Valley Bank gehört zu den Top-20 in den USA, ist also keine kleine unbedeutende Bank. Der Kollaps weckt Erinnerungen an die Finanzkrise und deren Auslöser 2008. Die losgetretene Schockwelle hat an den Börsen insbesondere Finanztitel in den USA und in Europa letzte Woche erheblich einbrechen lassen.
Kommen diese Kurse wieder zurück, liegt das grössere Problem in neu geschürten Ängsten und Vertrauensverlusten. Die Frage wird nun vermehrt gestellt, welche Banken durch langfristige Staats-Anleihen auf nicht realisierten Verlusten sitzen. Werden diese Wertpapiere bis zum Ablaufdatum gehalten, bleibt die Welt in Ordnung. Sollten sie vorzeitig verkauft werden müssen, aufgrund der Zinsentwicklung unter Wert, könnten hier auch bei anderen Banken Gefahren lauern.
Die FDIC selbst benennt noch nicht realisierte Buchverluste auf Wertpapieren der versicherten Banken per Ende 2022 in der Höhe von 620 Milliarden Dollar. Es ist nicht davon auszugehen, dass zahlreiche Banken langfristige Anlagen zur Unzeit verkaufen müssen, sofern sie aufgrund von Haltevorschriften überhaupt verkaufen werden dürfen. Dennoch bringt der Umstand der nicht realisierten Verluste oder der langfristig gebundenen Liquidität Unruhe in die Finanzmärkte.
Die Auswirkungen auf die Kryptomärkte
Der Kollaps der Silicon Valley Bank kann bei Tech-Unternehmen und Startups zu Zahlungsproblemen führen, wenn sie im Moment nicht in vollem Umfang an ihre Gelder herankommen. Oder auch zu Verlusten, sollte die DINB nach dem SVB-Kassensturz nicht in der Lage sein, sämtliche Einlagen von Kunden in voller Höhe auszuzahlen. Je nach Höhe dieser Verluste, könnten diese Ausfälle zu weiteren Firmenpleiten führen, sattsam bekannte Domino-Effekte inklusive.
Die SVB ist auch als Kreditgeberin bei Startups engagiert, mit dazu gehören Unternehmen aus der Kryptobranche. Die ungewisse Zukunft der Kreditgeberin sorgt für Unsicherheiten bei den Kreditnehmern. Versiegt die bisher zuverlässige Quelle für faire Kredite, sind neue Probleme vorprogrammiert, wenn die SVB sich nicht durch andere Kreditgeber ersetzen lässt.
Dazu kommt: die SVB ist indirekt über Startups und Tech-Unternehmen mit der Kryptobranche verbunden. Ein Beispiel dafür ist der top-regulierte Stable Coin USDC von Circle. Das Unternehmen hat für den USDC rund 8 Prozent der Reserven als Sicherheit bei der SBV hinterlegt. Daraus ergeben sich weitere Abhängigkeiten und Risiken, die unsere Kollegen vom "Crypto Valley Journal" als "Dominoeffekt durch die DeFi-Märkte" beschreiben, hier im Detail ausgeführt.
Die Kryptobranche ist im Moment generell unter Druck, die US-Börsenaufsicht SEC geht aktuell rigoros gegen Kryptobörsen, Stable-Coin-Emittenten oder auch DeFi-Unternehmen vor. Die Äusserung von SEC-Chef Gary Gensler, «alles ausser Bitcoin» als Wertpapiere einzustufen, beunruhigt die Branche und Investoren. Die Durchsetzung dieser Betrachtung würde bedeuten, dass heute alle Coins und Tokens, die nicht Bitcoin heissen, als nicht registrierte Wertpapiere unrechtmässig gehandelt würden. Die New Yorker Staatsanwaltschaft hat Genslers Ball aufgenommen und klagt gegen die Kryptobörse KuCoin mit dem Vorwurf, die Börse würde mit “Securities” handeln. Bei dieser Frage ist das letzte Wort der Justiz noch nicht gesprochen, aber die Regulierungs- und Klagewelle beunruhigt die gesamte Branche sowie auch Anlegerinnen und Anleger.
Dass Tether, der mit Abstand bedeutendste Stable Coin im Markt, einmal mehr und anhaltend Vorwürfen ausgesetzt ist, wofür es gute Gründe geben könnte, gehört mit zu den schlechten Nachrichten, welche die Branche in diesen Tagen beschäftigen.
Was Aktien- und Kryptomärkte gleichermassen und zusätzlich unter Druck setzt
Die Ankündigung des US-Notenbankchefs Jerome Powell, dass aufgrund des hohen Inflationsdrucks die Zinsen schneller und stärker angehoben werden könnten, hat die Börsen letzte Woche schon ausgebremst. Die Umsetzung der Ankündigung dürfte Aktien- und Kryptomärkten weiterhin zusetzen.
Die verschiedenen Vorschläge zu neuen Steuern in den USA verunsichern Anlegerinnen und Anleger. Dazu gehören zum Beispiel eine Verdoppelung der Kaptalerstragssteuer auf fast 40 Prozent. Oder die diskutierte Einführung einer Steuer für Milliardäre in der Höhe von 25 Prozent. Im Kryptolager könnte der für das Bitcoin-Mining verwendete Strom nach einem aktuellen Vorschlag von US-Präsident Biden mit 30 Prozent besteuert werden.
Fazit
Nach dem Terra-Luna-Desaster kam das FTX-Debakel. Vorher, dazwischen und danach haben weitere Projekte oder Unternehmen das Handtuch geworfen oder Insolvenz angemeldet. Die Regulierungs- und Klagewelle in den USA ist durch diese Ereignisse ausgelöst und beschleunigt worden.
Mit Silvergate wird eine Bank abgewickelt, die im Kryptobereich eine zentrale Rolle gespielt hat. Der Kollaps der Silicon Valley Bank betrifft nicht in erster Linie die Kryptobranche, vielmehr generell die Finanzmärkte, wird jedoch als der (bisher) grösster Kollaps seit der Finanzkrise 2008 in die Geschichte eingehen. Die reihum von zahlreichen Medien gestellte Frage: "Droht eine neue Finanzkrise?", wird ihre Antwort erst noch finden.
Im Ergebnis und als Zwischenbilanz: Mehrere Crashs mit Schäden in Milliardenbereichen haben die Kryptobranche erschüttert und Regulatoren auf den Plan gerufen, die nun zu tendenziell überzogenen Regulierungs-Leitplanken neigen. Zwei kurz nacheinander kollabierende Banken erschüttern die Krypto- und die Finanzmärkte.
Aufgrund einer toxischen Mischung verschiedenster Einflüsse ist die Stimmung in den Märkten aufgeladen. Das birgt die Gefahr, dass weitere Ereignisse, auch wenn sie an sich eher bedeutungslos sein sollten, überhöht eingestuft und falsch bewertet werden. Mit entsprechenden Panikreaktionen in der Folge.
Für die Kryptobranche entscheidet sich in den nächsten Wochen und Monaten, was in Zukunft möglich ist und was nicht.
Die Finanz- und Aktienmärkte sind aufgeschreckt, Anlegerinnen und Anleger reagieren nervös. Die nächsten Wochen werden zeigen, ob sich die Märkte eher schnell wieder beruhigen oder ob neue Ereignisse und Entwicklungen zu weiteren Ausschlägen und panischen Reaktionen führen können.