Interview

Warum lanciert das FinTech Findependent ein Crowdinvesting?

Matthias Bryner, Gründer und CEO von Findependent
Matthias Bryner, Gründer und CEO von Findependent (Bild: Findependent)

1.5 Millionen von bestehenden Investoren und dazu 2 Millionen aus der Crowd – doppelt gemoppelt oder kluge Finanzierungs-Strategie? Wir haben bei Matthias Bryner nachgefragt.

Das FinTech Findependent hat zum dritten Geburtstag seiner Anlage-App solide Kundenzahlen präsentiert und von seinen bestehenden Investoren 1.5 Millionen Franken frisches Kapital erhalten. Jetzt kommt noch ein Crowdinvesting dazu, das weitere 2 bis 5 Millionen bringen soll.

Wir haben Gründer und CEO, Matthias Bryner, zu den Gründen und Hintergründen der doppelten Finanzierungsrunde befragt. Auch zu seinen persönlichen Erfahrungen in den ersten drei Startup-Jahren. Und zu weiteren Aspekten, die FinTech-Gründer und Startup-CEOs beschäftigen.

Ein Interview mit Matthias Bryner von Findependent

MoneyToday.ch: Findependent ist vor drei Jahren gestartet. Wie würdest Du diese drei Jahre im Leben eines Jungunternehmers kurz und knapp zusammenfassen?

Matthias Bryner: Die letzten drei Jahren waren für mich spannend, lehrreich und erfüllend. Es freut mich sehr, dass sich unsere ETF-Anlage-App trotz vielen Mitbewerbern am Markt etablieren konnte und mittlerweile bald 13‘000 Menschen in der Schweiz mit Findependent Geld anlegen. Ich persönlich habe beim Unternehmensaufbau jeden Tag viel gelernt und bin froh, dass wir uns selbst auf dem Weg immer treu geblieben sind und heute noch mit genauso viel Elan Findependent weiterentwickeln können wie zu Beginn.

Deine beste Entscheidung in diesen drei Jahren?

Die beste Entscheidung war, überhaupt mit Findependent zu starten. Ich habe mich zu Beginn schon gefragt, ob ich wirklich alleine gründen soll. Zum Glück habe ich es gemacht und dann auch die passenden Menschen fürs Findependent-Team gefunden.

Eine gute Entscheidung war es auch, Findependent in kleinen Schritten und mit wenig Kapital aufzubauen. Wir sind schon immer mit vergleichsweise kleinen Finanzierungsrunden ausgekommen und diese Sparsamkeit ist seit dem Zinsanstieg 2022/23 und dem Umschwung im Startup-Funding-Klima gefragter denn je.

Und Dein grösster Fehler?

Da muss ich etwas ausholen. Wir mussten wie alle bestehenden Vermögensverwalter bis Ende 2022 unser Bewilligungsgesuch bei der FINMA einreichen. Aufgrund der vielen Gesuche und des damit verbunden Staus hatte die FINMA im Frühling 2022 informiert, dass alle Gesuche bereits bis Ende Juni bei der Aufsichtsorganisation eingereicht werden müssen. Ich sah dies mehr als Empfehlung und dachte es macht wenig Sinn, ein halbfertiges Gesuch bereits einzureichen und wollte auch zuerst unsere Seed-Finanzierungsrunde im Sommer 2022 abschliessen. Denn ohne neue Finanzierung hätten wir die neue Bewilligung gar nicht mehr benötigt.

Also haben wir dann erst im September das vollständige Gesuch eingereicht und mussten aufgrund des Staus lange auf eine Antwort warten. Das Jahresende kam immer näher und wir waren in den Mühlen des System gefangen. Das war kein gutes Gefühl. Später habe ich dann erfahren, dass viele Vermögensverwalter einfach ihr halbfertiges Gesuch per Ende Juni eingereicht hatten. Sie mussten zwar noch vieles nachbessern, haben aber die Frist eingehalten. Dies entspricht nicht meiner Arbeitsweise, wäre aber in diesem Fall die cleverere Lösung gewesen. Schlussendlich ging dann alles gut und wir haben seit November 2023 unsere FINMA-Bewilligung.

Sparsamkeit ist seit dem Zinsanstieg 2022/23 und dem Umschwung im Startup-Funding-Klima gefragter denn je

Von Euren bestehenden Investoren habt Ihr aktuell 1.5 Millionen Franken erhalten. Jetzt startet Findependent zusätzlich eine Crowdinvesting-Kampagne – waren die Investoren zu geizig? Oder gibt's andere Gründe für ein Crowdinvesting?

Nein, wir haben einen sehr guten Austausch mit unseren Investoren, die uns schon seit Jahren unterstützen. Hinter Findependent steht aber kein Grossinvestor, der einfach mal 5 oder 10 Millionen investieren könnte. Das brauchen wir aber auch nicht. Wir wollen schon auch zusätzliche finanzielle Mittel aufnehmen, sehen das Crowdinvesting aber vor allem als super Möglichkeit, unsere Kundinnen und Kunden als Miteigentümer noch enger auf unserer Reise mitzunehmen. Als dann in einer Umfrage mehr als die Hälfte unserer Kunden daran Interesse zeigte, war für uns klar: diese Chance wollen wir packen.

Über Crowdinvesting möchte Findependent mindestens 2 Millionen Franken einspielen – was ist denn das Maximalziel?

Wenn’s wirklich super läuft, können wir die Summe auf maximal 5 Millionen ausbauen.

Deine Prognose, bei welchem Betrag wird die Kampagne landen?

Diese Frage stelle ich mir in diesen Tagen auch immer wieder. Eine Prognose ist schwierig. Ich hoffe aber, dass wir die 2 Millionen Franken schnell erreichen und schlussendlich darüber liegen.

Wo liegt für Findependent der Hauptnutzen beim Crowdinvesting – im frischen Kapital oder in der Kundenbindung?

Gute Frage. Ich denke, dass wir gerade mit unserem super Wachstum seit Anfang Jahr auch von anderen Investoren frisches Kapital erhalten würden. Wir haben uns aber ganz bewusst für ein Crowdinvesting entschieden, weil wir unseren Kundinnen und Kunden die Möglichkeit geben wollen, Miteigentümer zu werden und so am zukünftigen Erfolg von Findependent beteiligt zu sein. Darum ist die Kundenbindung sogar noch wichtiger als das frische Kapital.

Die Kundenbindung ist beim Crowdinvesting sogar noch wichtiger als das frische Kapital

Ihr gebt in Eurem Crowdinvesting Partizipationsscheine aus, wie zum Beispiel Neon. Warum keine Aktien mit Stimmrechten, wie zum Beispiel Inyova – Angst vor dem Mitspracherecht der neuen Aktionärinnen und Aktionäre?

Überhaupt nicht. Wir haben eine guten Austausch mit unseren bestehenden Aktionären, aber nur wenige kommen an die jährliche GV und der Event ist jetzt auch nicht sonderlich spannend. Damit wir schnell unterwegs sein können, machen wir auch immer mal wieder ausserordentliche GVs und müssen dann von allen Aktionären Vollmachten einholen. Das ist schon mit den heutigen knapp 40 Aktionären aufwändig. Uns ist es wichtig, dass wir auch mit einer deutlich breiteren Eigentümerschaft noch agil und schlank unterwegs sein können, darum haben wir uns für Partizipationsscheine entschieden. Wir wollen aber auch mit den Crowdinvestoren zukünftig in einem stetigen Austausch sein. 

In welchen Wert investiert die Crowd – wie ist das Unternehmen Findependent aktuell bewertet?

Die Pre-Money-Bewertung von Findependent beträgt 12.4 Millionen Franken. Dieser aktuelle Unternehmenswert reflektiert aber nicht den Umsatz, den Findependent heute schon macht, sondern unser schnelles Kundenwachstum, den hohen Anteil (mehr als die Hälfte) der Kunden, die regelmässig in einem Sparplan anlegen, die lange durchschnittliche Kundendauer und unser stark skalierbares Geschäftsmodell. Und natürlich auch unsere beliebte App mit 4.7 Sternen bei fast 700 Bewertungen in den App-Stores.

Auf welchen Grundlagen basiert diese Bewertung und wer legt sie fest?

Gerade bei einem jungen Startup wie Findependent ist die Bewertung keine exakte Wissenschaft. Die Wachstumsgeschwindigkeit und die zukünftigen Margen sind wichtiger als der aktuelle Umsatz. Uns war es deshalb wichtig, dass die Crowdinvestoren zur gleichen Bewertung investieren können, wie zuletzt unsere bestehenden Investoren. Denn viele unserer bestehenden Investoren beschäftigen sich regelmässig oder sogar beruflich mit dem Thema Startup-Investments und können so relativ gut abschätzen, welche Bewertung für Findependent aktuell passend ist.

Die zahlreichen neuen Aktionärinnen und Aktionäre investieren Geld und Vertrauen – irgendwann möchten sie Gewinne sehen und Dividenden verbuchen. Wann wird das der Fall sein?

Findependent wird gemäss Plan 2027 erstmals einen Gewinn erzielen. Ob das Unternehmen dann gleich eine Dividende ausschüttet, entscheidet natürlich die GV. Viele Startups investieren ihre anfängliche Gewinne gleich wieder ins Unternehmen, um das Geschäft weiter auszubauen. Zudem sind Startup-Investoren häufig nicht primär an einer Dividende interessiert, sondern möchten lieber, dass sie ihre Anteile nach ein paar Jahren zu einem deutlich höheren Preis verkaufen können und so eine Rendite erzielen.

Findependent wird gemäss Plan 2027 erstmals einen Gewinn erzielen

Und wie haltet Ihr die investierende Crowd bei Laune, wenn die Gewinnzone gar nicht oder viel später erreicht wird?

Dieses Risiko besteht natürlich immer. Seit Beginn versuchen wir bei Findependent immer realistische Pläne und Ziele zu formulieren und konnten diese über die letzten Jahre, trotz nicht immer einfacher Börsenkonjunktur, grossmehrheitlich erreichen. Auch unsere zukünftigen Pläne sind nicht einfach aus der Luft gegriffen. Aber es ist natürlich noch ein weiter Weg mit vielen Faktoren, die wir selbst auch nicht beeinflussen können. Ich bin überzeugt, dass vor allem eine offene und transparente Kommunikation mit den Crowdinvestoren wichtig ist. Wir werden mit der Finanzierung aus dem Crowdinvesting gewohnt sparsam umgehen und so weitere Meilensteine erreichen, die es uns ermöglichen, auch nochmals weitere finanziellen Mittel aufzunehmen, sollte dies notwendig sein.

In den letzten zwei Jahren haben wir in der Schweiz nun schon mehrere Kampagnen gesehen, die über die Crowd Millionen eingespielt haben – hat sich Crowdinvesting in Deiner Betrachtung zum etablierten alternativen Finanzierungskanal für Startups und FinTechs entwickelt?

Ich glaube, gerade für B2C-FinTechs ist es ein spannender Finanzierungskanal, weil er neben Kapital auch ein wertvolles Kundenbindungsinstrument bringt. Zudem haben die Kunden häufig auch eine gewisse Affinität fürs Thema. Startup-Investments haben zwar ein höheres Risiko als beispielsweise unsere ETF-Anlagelösungen, können im Erfolgsfall aber auch eine viel höhere Rendite bringen. Mit kleineren Beträge können solche Investitionen also durchaus eine spannende Ergänzung fürs Portfolio sein.

Die Anbieterseite ist ebenfalls grösser geworden, inzwischen sind zahlreiche Crowdinvesting-Plattformen im Spiel. Welchen Partner habt Ihr für Eure Kampagne gewählt?

Die Plattformen machen es tatsächlich technisch deutlich einfacher, eine Crowdinvesting-Kampagne durchzuführen. Wir haben für unsere Kampagne Conda gewählt.

Ich glaube, gerade für B2C-FinTechs ist Crowdinvesting ein spannender Finanzierungskanal

Warum Conda?

Findependent hat schon länger eine Partnerschaft mit Conda und wir freuen uns, dass wir ihren Service nun auch selbst nutzen können. Gerade weil unser Crowdinvesting ab dem 4. Juli für alle in der Schweiz offen ist, hat es für uns Sinn gemacht, eine etablierte Plattform zu nutzen.

Wofür wird das frische Kapital von insgesamt mindestens 3.5 Millionen eingesetzt? Ausschluss vorweg: für Wachstum und Produktentwicklung sagen immer alle, das ist langweilig. Also: für was konkret?

Wir nutzen die Finanzierung neben diesen beiden obligaten Bereichen tatsächlich noch für ein grosses Projekt. Wir haben das Ziel, in den nächsten ein bis zwei Jahren eine höhere FINMA-Bewilligung zu erlangen, die es uns ermöglichen wird, die Konten und Wertschriftendepots unserer Kunden selbst zu führen. So machen wir einerseits Findependent für die Kunden noch schneller, einfacher und besser. Andererseits verschieben wir auch bestehende Einnahmequellen wie Depotgebühren, Wechselkurszuschläge und Zinserträge von der Hypothekarbank Lenzburg zu Findependent. Und wir schaffen damit die Basis, um zukünftig weitere Produkte und Innovationen zu lancieren.

Finale Frage: Findependent ist jetzt drei Jahre alt. Wo steht Euer Unternehmen nach weiteren drei Jahren?

Wenn alles nach Plan läuft, wird Findependent im Sommer 2027 über eine höhere FINMA-Bewilligung verfügen und kurz vor der Profitabilität stehen oder sogar schon profitabel sein. Die Anzahl Kunden wird sich gegenüber heute ungefähr verdreifacht haben.

Wir werden uns mit einigen Schlüsselmitarbeiterinnen verstärken, das Team aber bewusst klein und agil halten. So kommen wir bis 2027 unserem Ziel, das Anlegen zum neuen Sparen zu machen – für alle zugänglich und selbstverständlich – hoffentlich deutlich näher.

Der Interviewpartner: Matthias Bryner

Matthias Bryner ist CEO und Gründer von Findependent. Das FinTech Startup hat eine praktische und einfach Anlage-App entwickelt und ist damit Mitte Februar 2021 gestartet.

Erste FinTech-Erfahrungen sammelte Bryner bereits während seiner Zeit 2018 bei der Konto-App Neon. Seither ist er überzeugt, dass neue, digitale und benutzerfreundliche Angebote das Retail Banking deutlich verändern werden.

Bryner verfügt über einen Masterabschluss in Banking & Finance an der Universität St. Gallen (HSG) sowie einen Bachelorabschluss an der Universität Zürich.