Das US-amerikanische Software-Unternehmen Epic Games entwickelt seit 1991 Computer- und Videospiele. Bekannt ist das Unternehmen vor allem durch den Battle-Royale-Shooter Fortnite, ein Game mit weit mehr als 350 Millionen Spielern weltweit. Nach Angaben von Superdata Research hat Fortnite letztes Jahr 1,8 Milliarden Dollar eingespielt – es geht also bei Epic und bei den Distributions-Plattformen der App (Apple und Google) um sehr viel Geld.
Epic Games arbeitet erfolgreich und ist aktuell mit rund 17 Milliarden US-Dollar bewertet. Im Vergleich zum 2-Billionen-Konzern Apple ein Zwerg, ohne direkten Vergleich allerdings ein Riesenzwerg.
Der streitbare Riesenzwerg fährt Apple und Google an den Karren
Im Kern geht's um den Dauer-Zankapfel der Gebühren – Apple zwackt bei jedem Kauf der App im App Store und bei In-App-Käufen 30 Prozent des Verkaufspreises ab und verdient kräftig mit. Google mischt im Play Store in ähnlichen Grössenordnungen mit, lässt allerdings alternative Bezugsquellen zu, was Apple nicht erlaubt.
Die hohen Gebühren der marktbeherrschenden Plattformen von Apple und Google sind zahlreichen Anbietern schon seit längerem ertragsschmälernder Dorn im Auge. Der Streaming-Dienst Spotify hat bereits vor einem Jahr eine Beschwerde bei der EU-Kommission eingereicht. Begründung: Ungleich lange Spiesse im Markt, Spotify ist durch die hohen Abgaben gezwungen, seine Dienste im Vergleich zu Apple Music teurer anzubieten.
Aktuell holt Epic mit der grossen Keule und einer gut durchorchestrierten PR-Kampagne zum Schlag gegen Apple und Google aus. Aufgrund ihrer Grösse und Marktmacht hätten Epic Games vermutet gute Chancen gehabt, mit Apple und Google neue und individuelle Konditionen auszuhandeln.
Die Fortnite-Entwickler gehen jedoch einen anderen Weg, stellen gleich grosses Geschütz auf und bevorzugen den publikums- und medienwirksam geführten Kampf gegen die Big Techs.
Epic Games setzt eine gewaltige PR-Maschinerie in Gang
Mit der Einführung eines neuen Bezahlsystems, das den 30-Prozent-Anteil der App-Store-Anbieter umgeht, verstösst Epic gegen die Regeln und hat damit bewusst den Rauswurf aus den Plattformen von Apple und Google provoziert. Dadurch stehen Fortnite-Spieler mit einer App da, die auf ihren Smartphones wohl noch läuft, aber für Updates und Erweiterungen blockiert bleibt.
Eine clevere Strategie: Damit sehen Apple und Google nicht "nur" Epic als Gegner, Epic Games hat eine Armee von mehr als 350 Millionen erzürnten Fortnite-Spielern mit im Boot, die Stimmung gegen die Big Techs machen und sich beschweren.
Die angelaufene PR-Kampagne ist durchdacht und gut orchestriert. Die mehr als 60-seitige Klage war bereit und wurde eingereicht, der Hashtag #FreeFortnite war kreiert, die Kampagne in den Social Medias wurde von Epic Games hochgefahren, Apple und Google stehen im Gegenwind. Mit einem martialischen Video, das sich 1:1 an den legendären Super-Bowl-Werbespot von Apple anlehnt, hat Epic Games der Klage "Wir alle gegen die wettbewerbsschädigenden Big Techs" auch in einer klaren Bildsprache zusätzliches Gewicht gegeben. Epic bedient sich denselben Mitteln und punktgenau derselben Bildsprache, die Apple 1984 gegen Marktdominatoren wie IBM oder Microsoft in den Kampf schickte.
Die nächste Eskalationstufe liess nicht auf sich warten, Apple will Epic Games bis zum 28. August sämtliche Entwicklerkonten kündigen. Ohne diese Konten können keine weiteren Apps für iOS-Geräte entwickelt werden. Dieser zweite Schritt ist noch wesentlich einschneidender als der erste, Apple bringt damit zusätzlich den Teil der grossen Fortnite-Gemeinde gegen sich auf, der mit Apple-Geräten unterwegs ist.
Wie, durch wen und zu welchem Preis kommen Apps aufs Smartphone?
Diese Frage ist heute schnell beantwortet, Apple und Google dominieren den Markt und diktieren die Konditionen. Genau diese Frage will jedoch Gründer und Epic-Präsident Tim Sweeney neu und anders beantwortet haben. Deshalb legt er sich öffentlichkeits- und medienwirksam mit den Big Techs an. Sweeney selbst ist aktiv an der professionell aufgezogenen PR-Kampagne beteiligt und twittert:
"Es geht hier nicht darum, dass ein Milliardenunternehmen mit einem Billionenunternehmen über Geld streitet, es geht um die Freiheit von allen Verbrauchern und Entwicklern."
Passt das Gewand von Robin Hood also doch zu Sweeney und Epic Games?
In erster Linie führt Epic Games den Kampf für die eigenen Interessen, die mit Freiheit ohne Diktat, mit erweiterten Möglichkeiten und vor allem mit ungeteilten Erträgen zu tun haben.
Die Begleitumstände und vor allem die möglichen Effekte rücken Epic Games dennoch zumindest in die Nähe des sagenumwobenen Helden. Das Unternehmen zeigt Mut, nimmt ein hohes Risiko in Kauf und ist bereit, massive finanzielle Mittel in den Kampf zu investieren. Der Zeitpunkt ist gut gewählt, Big Techs stehen von verschiedenen Seiten verstärkt unter Beobachtung und unter Beschuss.
Dass Kartellrechtler und Gerichte die seit Jahren eingespielten Verteilungs- und Ertrags-Prozesse für Apps durchleuchten, auf Fairness und auf ihre Tauglichkeit für die Zukunft überprüfen, ist sicher nicht falsch. Wird dabei das Kind nicht gleich mit dem Bade ausgeschüttet, kann dabei auch etwas Gutes herauskommen.
Dieses mögliche Gute könnte nicht nur Epic Games, sondern sämtlichen App-Produzenten helfen, auch und gerade Millionen von kleinen Anbietern. In Richtung von fairen Bedingungen in Bezug auf Gebühren wie auch beim Zugang zu den grossen App Stores. Die Big Techs bieten wohl eine Menge Möglichkeiten, Services, Vertrieb und auch Sicherheit – aktuell sind jedoch alle Anbieter und App-Entwickler den beiden Grossen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. In Bezug auf Zugang wie auch bei den Abgaben.
Epic Games wirft sich hier auf eigenes Risiko mutig in die Bresche und kämpft für die eigenen Interessen – in zweiter Linie jedoch zwangsläufig und stellvertretend auch für die Interessen von vielen anderen. Wird dabei im Resultat die konzentrierte Marktmacht nicht nur von einem auf den anderen Grossen übertragen, sondern haben auch Kleine etwas davon, verbessern sich die Spielregeln für alle.
Insofern darf man zu einem späteren Zeitpunkt darüber nachdenken, ob und wem die Etikette "Robin Hood" ans Revers geheftet werden darf.