PSD2 und die Schweiz

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Das Verhältnis der Schweiz zur PSD2 als Liebesheirat zu bezeichnen, wäre verfrüht. Immerhin, über die Grundzüge möglicher Eheverträge wird nachgedacht und diskutiert. Allerdings noch mit unterschiedlichem Engagement.

PSD2 in der Diskussion

Im Gespräch mit Bankern, Paymentprofis, Kartenanbietern, Startups und Beratern ist PSD2 in der Schweiz ein omnipräsentes Thema. Wirklich konkret wird's jedoch selten, weil Anwendung und Umsetzung im Moment noch mit zahlreichen Unsicherheiten und Fragezeichen behaftet sind. Nahezu unabhängig von der Zusammensetzung einer Gesprächsrunde, einig ist man sich praktisch durchwegs in den folgenden Punkten:

  • PSD2 wird als eines der grossen Themen mit Tragweite wahrgenommen.
  • PSD2 wird Europa beschäftigen, Bankenlandschaften und Geschäftsmodelle werden sich massiv verändern.
  • Drittparteien und neue Finanzdienstleister werden mit innovativen Services das Kundenverhalten beeinflussen und die Position der Kunden stärken.
  • In PSD2 werden grosse Chancen erkannt, auch und gerade für Banken, allerdings noch ohne klare Konturen zeichnen zu können.
  • Risiken werden ebenfalls gesehen, zum Teil auch verbunden mit Ängsten, Bestehendes teilen zu müssen oder sogar zu verlieren.

Vorgehen und Roadmap zur PSD2 stehen seit längerem fest, die Rollen von EU-Parlament, EBA und betroffenen EU-Ländern sind ebenfalls definiert. Doch wie sieht's aus mit der Haltung der Schweiz oder mit konkreten Plänen und Vorgaben?

Die Haltung der offiziellen Schweiz zur PDS2

Unsere Redaktion wollte die aktuelle Meinung der offiziellen Schweiz zum Thema in Erfahrung bringen und hat Ende November 2016 nachgefragt.
 

FINMA | Eidgenössische Finanzmarktaufsicht

Tobias Lux (Leiter Kommunikation) sieht die PSD2-Regulierung in erster Linie als eine Regulierung des Wettbewerbs. Die FINMA habe kein Mandat als Wettbewerbsbehörde und daher keine Kompetenz, in Marktstrukturen einzugreifen. Eventuell notwendige gesetzliche Änderungen müssten vorgängig von den politischen Instanzen, insbesondere dem Parlament, beurteilt und beschlossen werden.
 

Eidgenössisches Finanzdepartement EFD | Staatssekretariat für internationale Finanzfragen SIF

Beat Werder (Leiter Kommunikation SIF EFD) hält fest, dass PSD2 als Richtlinie der EU für die Schweiz nicht verbindlich ist. Dennoch wäre die Zahlungsdienste-Richtlinie Teil interner, allgemeiner Überlegungen. Insbesondere im Hinblick darauf, für die Schweizer Finanzinstitute den bestehenden Zugang zur SEPA zu erhalten.

Beat Werder verweist in diesem Kontext auch auf die Aktivitäten des EFD im Zusammenhang mit den neuen Regulierungen im FinTech-Bereich, um innovative Formen von Finanzdienstleistungen zu ermöglichen. Unser Bericht vom 4. November 2016

Schweizerische Bankiervereinigung SBVg

Thomas Sutter (Stellvertreter CEO, Leiter Kommunikation) teilt die Ansicht, dass PSD2 als europäische Direktive keine direkten Auswirkungen auf die Schweiz hätte. Er verweist auf das European Payments Council EPC) – gemäss EPC würden weder die PSD2 noch die SEPA Scheme Rulebooks die Schweizer Banken verpflichten, ihre Konten den europäischen Third Party Provider zu öffnen.

«Selbstverständlich beobachten die Schweizer Banken die Entwicklungen laufend – nicht zuletzt auch im Interesse der Kunden.»
 

SIX Management AG

Jürg Schneider (Deputy Head Media Relations) sieht PSD2 als aktuelles, jedoch auch politisches Thema. In Bezug auf Innovationen ortet Jürg Schneider über Services wie AIS (Account Information Services) und PIS (Payment Initiation Services) viele neue Möglichkeiten, innovative Businessmodelle aufzuziehen – nicht nur für FinTechs.

«Die Schweiz ist Teilnehmerin an der SEPA, aber untersteht nicht der PSD2. Damit müssen die Schweizer Banken die Regelwerke für SEPA einhalten, die übrigen Vorgaben der PSD2 müssen sie jedoch nicht umsetzen. Es kann allerdings sein, dass der Marktdruck dazu führt, dass die Schweizer Banken trotzdem Lösungen anbieten werden.»

Jürg Schneider unterstreicht, dass die SIX das Thema beobachtet und mögliche Implikationen in der Positionierungsstrategie berücksichtigen würde. Zumal SIX als international operierendes Unternehmen und als Betreiberin von PSD regulierten Gesellschaften im Europaraum aktiv in den laufenden Entwicklungen involviert sei.

Übereinstimmung in drei Punkten

Bei den offiziellen Stellen herrscht in diesen Punkten weitgehend Übereinstimmung:

  • PSD2 gilt für die EU, ist jedoch für die Schweiz als SEPA-Teilnehmerland nicht verbindlich.
  • Die erweiterte Zahlungsdienste-Richtlinie wird als europäische Tatsache und Entwicklung im Banking und im Zahlungsverkehr erkannt und beobachtet.
  • Das Thema ist präsent, wird jedoch im Moment noch eher abwartend und nicht mit Priorität behandelt.

Insgesamt ist eine Diskrepanz in Betrachtung, Haltung und "Leidensdruck" zwischen dem Markt und offiziellen Stellen auszumachen. Finanzdienstleister und FinTechs mit neuen Angeboten machen Druck, weil sie Klarheit über ihre Möglichkeiten in der Schweiz haben möchten. Banken spüren Druck, weil die Welle PSD2 anrollt und vor der Schweizer Grenze nicht Halt machen wird. Beratungsunternehmen in der Schweiz sind zuweilen erstaunt und etwas ratlos, weil von offizieller Seite niemand sichtbar und tatkräftig die Themenführerschaft übernehmen mag.

Fehlende Signale für die eigene Planung

Gut möglich, dass in zahlreichen Kommissionen und Ausschüssen das Thema PSD2, die Auswirkungen auf die Schweiz und die notwendigen Strategien sehr viel breiter und engagierter diskutiert werden, als das im Moment spürbar wäre. Dann freut sich der Markt auf baldige Kommunikation, Konkretisierung und Koordination. Damit gemeinsam geplant werden kann, zentrale Weichen für eine starke Zukunft rechtzeitig gestellt werden und die Schweiz mit Innovationen in der ersten Reihe mitspielt.

Rund um die Schweiz

Die Schweiz als zentraler Finanzplatz ist umgeben von unglaublich viel Europa. Und dieses Europa ist dabei, der Finanzbranche neue Spielregeln mit neuen Mitspielern und damit auch ein neues Gesicht zu geben. Allen voran Grossbritannien oder auch Deutschland. Mit zahlreichen Initiativen und konkreten Projekten, welche die Möglichkeiten von PSD2, von Open Banking, von Frontends, die Vorsprung verschaffen, bereits vorwegnehmen – ohne 2018 abzuwarten. Und damit Kunden überzeugen und Terrain besetzen. Zum Beispiel die Deutsche Bank und zahlreiche andere etablierte Finanzinstitute, die in Kooperation mit innovativen Startups das neue Banking entwickeln.

Die Chancen der Schweiz sind nicht nur intakt, sie sind hervorragend. In Sachen Technologie, Infrastruktur, Know-how, Spezialisten, Bankenlandschaft, FinTech-Szene, Umsetzungsstand von ISO 20022 und mehr ist die Schweiz top aufgestellt. Dazu kommt, dass EFD und FINMA gerade in den letzten Monaten sehr proaktiv wirken und mit neuen Regelungen zusätzlich gute Rahmenbedingungen für den Finanzplatz Schweiz und für Innovationen schaffen.

Schade deshalb, die Zeit beim Thema PSD2 zum mächtigsten Gegner werden zu lassen. Konkurrenten können mit cleveren Ideen und Services auf Distanz gehalten werden, nicht genutzte Zeit jedoch kann uns sehr viel teurer zu stehen kommen.