Open Banking Fachtagung Mai 2017

Bild: Oscar Neira | Fachtagung Open Banking 2017 | Swiss Payment Forum

Ist Open Banking ein Game Changer in der Finanzbranche? Referenten, Fakten und Meinungen zu einer Frage, welche die Schweiz als Finanzplatz aktuell beschäftigt.

Zum ersten Mal in Zürich 2017: die Fachtagung Open Banking. Durchgeführt vom Swiss Payment Forum, international ausgerichtet und dennoch mit einem starkem Bezug zur Schweiz. Das ist deshalb sehr hilfreich und interessant, weil die PSD2 als EU-Richtlinie keinen bindenden Charakter für die Schweiz hat, Open Banking als Entwicklung jedoch weitreichende Auswirkungen auf Banking, Geschäftsmodelle und Kundenverhalten haben wird.

Referenten, Themen und Diskussionen sind deshalb auch so ausgelegt, dass Informationen, Fakten und Meinungen "zum Anfassen" geboten werden. Von unserer Redaktion mit dabei: Oscar Neira, mit Notizen und Kommentaren in der Zusammenfassung.

Kein Zwang und dennoch Druck

Veranstalterin Nicole von Mulert und Moderator Damir Bogdan unterstreichen denn auch gleich zum Einstieg zwei Kernpunkte: In der Schweiz muss die PSD2 nicht umgesetzt werden. Den Banken ist jedoch durchaus bewusst, dass die Gefahr des Verlustes der Kundenschnittstelle besteht.

Zentrale Programmpunkte im Überblick, begleitet und moderiert von Damir Bogdan, ehemaliger CIO und Head of Operations bei Raiffeisen, aktuell Gründer und Berater Digitalisierung bei Actvide. Als Moderator für die komplexen Themen ist Bogdan auch insofern eine gute Wahl, als er Kupplungen und Brücken zwischen Referenten und Publikum bauen kann. Als Pendler zwischen Silicon Valley, Zürich und dem Rest von Europa ist er voll im Thema und sehr gut informiert über die neusten internationalen Initiativen.

Ist Open Banking ein Bedürfnis?

Prof. Dr. Martin Brown, Professor für Bankwirtschaft an der Universität in St. Gallen, relativiert durch Zahlen und Erkenntnisse. Brown präsentiert die starke Beziehung, welche Schweizer Kunden gegenüber ihren Banken haben. Laut eigenen Studien haben die meisten (75 Prozent) eine weit über 10-jährige Beziehung zu ihrer Hausbank. Bei sehr vielen Befragten ist das immer noch dieselbe Bank, welche entweder die Eltern für ein erstes Konto gewählt hatten oder wo man selbst zum Beispiel das erste Studenten- oder Lehrlingskonto eröffnet hat.

Interessant auch der Fakt, dass bei 86 Prozent die Hausbank im Umkreis von maximal 5 Kilometern zum eigenen Wohnort entfernt liegt. Studien aus anderen Ländern kommen zu ähnlichen Resultaten. Daraus lässt sich ableiten: der Faktor Vertrauen hat auch mit Nähe zu tun.

Aufgrund der Tatsache, dass 75 Prozent der Befragten nur eine bis zwei Bankbeziehungen haben, bewertet Martin Brown beim Open Banking die Möglichkeiten der aggregrierten Kontodaten (Kontoinformationen über AISPs) als wenig bahnbrechend. Nur vermögende Personen unterhalten drei und mehr Bankbeziehungen.

Die Frage, ob in Zukunft die Hausbank durch eine “HausApp” ersetzt wird, verknüpft Brown ebenfalls mit den Faktoren Vertrauen, Präsenz und Regulierung. Auf der anderen Seite könnte eine HausApp als interessante Plattform funktionieren, indem sie jeweils die besten Konditionen aller Banken vergleicht und dem Kunden aktive Empfehlungen liefern kann.

Zudem: Zahlreiche Beispiele aus verschiedenen Branchen (Musik, Telefon, Taxi etc.) belegen, in welchem Tempo breite Zielgruppen die Distanz von analogen zu digitalen Verhaltensweisen zurückgelegt haben. Die nahe Zukunft wird Vermutungen und Prognosen durch Fakten ersetzen.

"Putting the Customer in Control"

Douwe Lycklama, Gründungspartner von Innopay, meint damit, dass Kunden zur Kontrolle ihrer persönlichen Daten befähigt werden müssen. Der Kunde muss deshalb datentechnisch "erwachsen" werden und sich der Verantwortung dieser Kontrolle und der Risiken bewusst sein.

Die Relevanz von Open Banking wird sehr stark von dessen Integration und dem Gestaltungswillen der involvierten Parteien abhängen. Setzen Banken bloss ein Minimum um, damit die PSD2 Compliance erreicht ist, dann wird es mittelfristig keine riesigen Veränderungen geben.

Lycklama ist jedoch der Ansicht, dass es anders kommt. Die API-Ökonomie erreicht nun definitiv die Banken. Wenn FinTechs kollaborieren oder wenn verschiedene Services, über API’s verbunden, neue Möglichkeien und Dienstleistungen schaffen, dann ist das die Uber-isierung der Banken. Ähnlich wie bei Uber eben, da hat das Geschäftsmodell auch erst funktioniert, als Google Maps eine gute Qualität hatten und API’s angeboten worden sind.

Eine vorteilhafte Kombination von API’s für Mobile-Geräte könnte laut Lycklama folgende sein:

  • AIS: Account Information Services (nach PSD2)
  • Identity API: die Digital Identity
  • PIS: Payment Initiation Services (nach PSD2)
  • Zahlung: diese dann als ISO 20022 SEPA Instant Payment ausgeführt

Der Kunde könnte seine Kontoinformationen elektronisch beziehen und sich dann durch die Identity App klar authentisieren. Zusammen mit den Kontoinformationen kann schnell und ohne Umwege zum Beispiel eine Kredit- ober Hypothekenanfrage bei den Banken platziert werden. Nach Abschluss des Vertrages werden die Raten direkt erfasst und als monatliche Zahlung freigeben. So einfach kann das funktionieren.

"Wir haben noch kein Open Banking..."

"...aber Training Camps". Mit dieser These startet David Kauer, Leiter Produktmanagment Value Added Services bei PostFinance, seinen Vortrag.

Bekanntlich gehört David Kauer zu den Exponenten, die sich aufs Open Banking freuen und PostFinance lotet Möglichkeiten aktiv aus. Kauer betont jedoch, dass PostFinance weniger über Open Banking spricht, sondern vielmehr Kundenbedürfnisse ins Zentrum stellt. Und die können noch sehr viel breiter ausfallen, als in Open Banking überhaupt Platz hat. Mit anderen Worten und David Kauer im Zitat:

«Grundsätzlich geht es nicht ums Bezahlen und mit welcher App bezahlt wird. Es geht darum, welche Plattformen und Netzwerke genutzt werden und ob meine Bank hier dabei ist oder nicht. Die Macht liegt in der Wertschöpfungskette, Zahlungen machen kann heute praktisch jeder.»

Eine sichtbare Funktion dieser Trainig Camps ist, dass PostFinance ihren Kunden den ersten im E-Banking integrierten Marktplatz der Schweiz anbietet. Mit direktem Zugriff aus dem E-Banking auf Stores wie Google Play, Apple Music, Nintendo und weitere – und das digitale Guthaben im Smartphone kann auch gleich gekauft und geladen oder auch verschenkt werden.

«Unsere Kunden denken nicht in Silos, sondern agieren aufgrund ihrer individuellen Bedürfnisse in Freizeit und Beruf», erklärt Kauer und zeigt damit, dass die Digitalisierung nicht nur eine technische Komponente ist, sondern vor allem eine mentale. Diesen Mind Shift scheint die PostFinance gut zu bewerkstelligen, indem sie konsequent Kunden und deren Bedürfnisse ins Zentrum stellt. Mit diesen Erkenntnissen werden dann Lösungen und Geschäftsmodelle entwickelt, die ganz nahe an Märkten, Menschen und Bedürfnissen operieren.

FinTech und Rahmenbedingungen in der Schweiz

Sarah Jungo, Rechtsanwältin im Bereich Finanzmarktregulierung, Rechtsdienst SIF, präsentiert die neuen FinTech-Regeln. Jungo hält fest, dass sich die Schweiz bereits heute in einer guten Ausgangslage befindet, nach Umsetzung der neuen Regulierung jedoch erst recht für eine positive regulatorische Zukunft gewappnet ist.

Sarah Jungo erklärt die drei wesentlichen Änderungen. Zwei davon aus der Bankenverordnung und eine aus dem Bankengesetz.

Wohl nennt sich alles FinTech, also FinTech-Gesetz und FinTech-Bewilligung, aber in Tat und Wahrheit ist das keine starre Definition und deshalb keine Einschränkung. Das heisst konkret: sämtliche Firmen in der Schweiz haben dasselbe Recht unter dieser Regulatorik zu fahren. Die Schweiz geht einen Weg ohne Diskriminierung. Im Gegensatz zu anderen Jurisdiktionen, bei denen die FinTechs, die an diesen Programmen teilnehmen wollen, vom Regulator handverlesen werden. Das traut sich die Schweiz nicht zu und sie will das auch nicht, nämlich die Zukunft vorher zu sehen und die "richtige" Technologie auszuwählen, um sie zu fördern. Hier spielen der Markt und die laufende technologische Entwicklung.

Da der Bundesrat dieses Geschäft als sehr wichtig erachtet, wird das Projekt besonders schnell durch die Kammern geführt. Wenn alles rund läuft, wird es bereits im zweiten Quartal 2018 soweit sein. Wenn das klappt, wird die FinTech-Branche (und wer sich dazu zählen will) 2018 einen ereignisreichen Frühling und Sommer erleben.

BBVA und Open APIs

Eine internationale Sicht der Dinge bringen die Vertreter der spanischen Bank BBVA, Abteilung Open APIs. BBVA gehört zu den führenden Banken weltweit, welche ihre Systeme geöffnet haben, um über APIs neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Verschieden API-Services bietet BBVA in Spanien und den USA an, der nächste Markt wird Mexiko sein.

Alles begann im 2013, als BBVA ihren "Innovation Challenge" lancierten, einen "Datathon".

Ein Schlüsselmandat sei gewesen, erklärt Alberto González, Product Owner bei BBVA API Market, dass sämtliche externen sowie auch internen Integrationen über dieses Programm von Open Banking laufen.

Dennoch sei die grösste Herausforderung keine technologische, fügt González weiter an, sondern die persönliche. Interne Hahnenkämpfe durch MDs, welche sich teilweise quer stellen, weil sie Angst haben um ihr kleines Königreich. González erklärt auch, wieso die Banken eine API-Strategie brauchen, nämlich nicht nur, um regulatorischen Anforderungen zu genügen. Es geht vielmehr darum, sich an Plattformen anzubinden wie zum Beispiel Spotify, Uber, Netflix und andere. Das generiert Effekte und ermöglich ganz neue Geschäftsmodelle. Beispiel: Bringt BBVA als grösste spanische Bank Spotify neue Kunden, laufen zum einen Zahlungen über die Bank, vor allem jedoch sind diese Abschlüsse mit einer Provision für BBVA verbunden.

BBVA und PSD2

Die Banken müssen sich warm anziehen, meint Raul Lucas, Country Manager Spain bei BBVA, Abteilung Open APIs. Grund: die PSD2 kommt. Lucas verweist auf die hinlänglich bekannten Defensiv-Strategien wie "Abwarten" oder "Abschotten", die er als komplett falsch und auch gefährlich bezeichnet. Die neuen Geschäftsmodelle heissen Kollaboration und Konkurrenz. Also Zusammenarbeit auf bestimmten definierten Feldern mit gegenseitigen Support und Hilfe, um auf der anderen Seite und in anderen Bereichen weiterhin als Konkurrenten zu agieren. Ein Spagat, der gelernt werden muss, aber funktionieren kann.

Raul Lucas präsentiert, welche Services BBVA heute schon anbietet und dass bereits insgesamt 45 verschiedene Firmen und deren Entwickler auf ihrer Plattform mit an Bord sind.

Wichtig ist, meint Lucas, dass ein gutes und übersichtliches Portal für die Entwickler gebaut wird und dass, nach PSD2, auch "Sandboxes" zur Verfügung gestellt werden müssen. (Eine Sandbox ist eine Testumgebung, in der Entwickler Fortschritte prüfen und Anpassungen ausführen können.)

Ein erstaunlicher und "Augen öffnender" Vortrag dieser beiden Spezialisten aus Spanien.

Ein Smartphone Payment Scheme für Europa?

Wie wäre es, wenn ein europäisches Scheme für Mobile Payments zu haben wäre? Eines, das die Kreditkarten- und somit die amerikanischen Schemes ablösen und auf der anderen Seite vom Handel sehr schnell und einfach eingeführt werden könnte? Ein Open API Scheme, das sämtliche Anforderungen von PSD2 erfüllt?

Das und vieles mehr erhofft sich das Scheme "Blue Code" von der Firma Blue Code International. Der CEO Christian Pirkner erklärt, wie Blue Code in Österreich sehr schnell flächendeckend das Scheme einführen konnte. Inzwischen bei mehr als 14’000 POS-Geräten mit Unterstützung von Retailer und grossen Banken.

Pirkner fokussiert aktuell auf Deutschland, dort ist Blue Code im Aufbau und soll den Markt erobern.

Ob und wie schnell sich Blue Code ausbreiten und Terrain besetzen kann, bleibt abzuwarten, über einen Schweizer Markteintritt ist noch nichts bekannt.

Rechtliche Aspekte bei der Öffnung von APIs

Welche rechtlichen Aspekte zu beachten sind und wo allfällige Fallstricke lauern, erklären Dr. Jana Essebier und Christian Wyss, beide Partner beim Anwaltsunternehmen Vischer AG. Das ist auch deshalb von Bedeutung, weil in der Schweiz vom Gesetzgeber vorerst keine analogen Regeln zur EU-Zahlungsdienstrichtlinie geplant sind.

Lizenzbestimmungen müssen abgeklärt werden. Was heisst denn "offene APIs" anbieten? Wie soll diese Offenlegung denn geschehen? Was muss vorgängig geklärt werden, damit man nicht angreifbar wird? Was sollte vertraglich geregelt werden?

Allein diese Überlegungen sind geschaffen für ein abendfüllendes Referat. Essebier und Wyss haben das Kunststück vollbracht, das Wesentliche kurz und prägnant auf den Punkt zu bringen. Das macht aus Zuhörern noch keine Juristen, aber immerhin wird klar, was wichtig ist und wo man sich absichern sollte.

Smarte Idee: Speed Debating

Die letzte Stunde gehörte nicht, wie gewohnt, einem Podium mit Experten hier und Zuhörern dort – die Veranstalter haben sich etwas anderes einfallen lassen und die Gruppen gemischt. Interaktives Speed Debating. Meinungen austauschen, mit Experten und Teilnehmern diskutieren, Fragen stellen, kontroverse Ansichten hören, Urteil bilden und mehr. Interessantes und lebendiges Format mit hohem Nutzen.

Fachtagung Open Banking: Details und Informationen

Stichworte zum Thema im Lexikon: PSD2 | Open Banking | API | API Banking