ARD-Dok: Go West, Ihr Genies!

Bild: Dok auf ARD | Die Story im Ersten – Go West, Ihr Genies!

Die sehenswerte Dok im Ersten über deutsche Auswanderer und ihre Motive, ihr Glück im Silicon Valley zu schmieden. Eine bitterböse Abrechnung von Alard von Kittlitz und die Replik von Frank Schmiechen gleich dazu.


Die Dok im Ersten

Eine interessante und gut gemachte Dok über das Silicon Valley und die inzwischen 50'000 Deutschen, die im "Tal der Zukunft" leben, arbeiten und Startups gründen.

Go West, Ihr Genies!
Warum so viele Deutsche ins Silicon Valley flüchten
Eine Dok von Marion Schmickler & Oliver Richardt

Kurzbeschreibung
Fehlende Risikobereitschaft, mangelndes Vertrauen in die Kreativität – die deutsche Tech-Elite "flüchtet" ins Silicon Valley. 50'000 Deutsche leben mittlerweile im Tal der Zukunft. Viele arbeiten an den Schaltstellen bei Google und Co.

Themen und Thesen

  • Im Silicon Valley treffen wir sie, die Talente, Erfinder und Propheten, geflüchtet vor der German Angst, etwas zu wagen.
  • Ein Besuch bei Deutschen, die bei Google, Airbnb, Uber, Twitter, Youtube Oracle, Facebook, Google, Microsoft, Yahoo, LinkedIn, Cisco arbeiten oder sich mit ihrer eigenen Idee selbstständig gemacht haben.
  • Aus dem Tal der Zukunft rollt eine Revolution auf uns zu, die auch unser Leben in Deutschland radikal verändern wird – wo stehen wir in diesem Wettbewerb?
  • Die kalifornischen Investoren geben 33 Milliarden Dollar Wagniskapital im Jahr aus, in Deutschland ist es nicht mal 1 Milliarde.

Gründer, Investoren, Autoren und ihre Statements
Die Geschichte von Stefan Groschupf, der von deutschen Banken keine Kredite für seine Idee bekommen hat, ins Silicon Valley ausgewandert ist, um eine 16-Seiten-Präsentation und acht Wochen später mit 2.5 Millionen Startup-Kapital sein FinTech zu lancieren.

Ein Gespräch mit Margit Wennmachers, die sich als Startup-Investorin und Partnerin bei Andreessen Horowitz einen Traum erfüllt und einen Namen gemacht hat. Für Wennmachers ist es selbstverständlich, dass neun von zehn Startups floppen. Die Betrachtung ist eine (noch) grundsätzlich andere im Vergleich zu Europa: «Wir können uns einige Risiken leisten und wir schauen nicht auf die Experimente, die nicht funktionieren. Der Trick im Venture Capital ist: die Firma, die wirklich funktioniert, das nächste Google oder Facebook, die bezahlt für all die anderen Experimente. Die Frage ist: Wenn's funktioniert, wie gross kann es sein? – Der Unterschied zwischen Kalifornien und der deutschen Kultur? Die Venture Capital Firmen sind bereit, einem jungen Unternehmer, der vielleicht 22 ist und gerade aus der Uni kommt, 20 Millionen zu geben, um eine Idee auszuprobieren. Die Kultur unterstützt es, Risiken einzugehen.»

Tobias Knaup und Florian Leibert, Gründer eines Startups: «Im Silicon Valley gibt's alle Ressourcen, die wir brauchen, zum Beispiel Ingenieure und Kapital. – Die Silicon Valley-Krawatten sind die bunten Socken.»

Thomas Arend, Gründer: «Hier gehört es sehr viel mehr dazu, zu scheitern, und das Scheitern zu feiern. Ich mag den Spannungbogen zwischen Hippies auf der einen Seite und Hochtechnologie auf der anderen Seite.»

Bastian Lehmann, der mit Postmates 140 Millionen Dollar Venture Capital eingesammelt hat und ein Startup betreibt, das pro Monat 2 Millionen Kurierfahrten ausführt: «In Deutschland hast Du eine verrückte Idee und jeder hat zwanzig, dreissig verschiedene Gründe, warum das nicht funktioniert.»

Christoph Keese, Springer Verlag, Autor: «Deutschland ist zum Technologie-Museum des 20. Jahrhunderts geworden, die Technologie des 21. Jahrhunderts findet nur in homöopathischen Dosen statt. Man könnte sagen, wir leiden unter einer Neophobie, der Furcht vor dem Neuen. Es entstehen Arbeitsplätze nicht, die hätten entstehen können. Wir in Deutschland haben alle grossen Technologien der Digitalisierung der vergangenen zwanzig Jahre schlicht verschlafen, verpasst.»

Weitere Auswanderer, Gründer und Mitarbeiter in Technologie-Unternehmen im Silicon Valley berichten in der Dok über ihre Erfahrungen und ihre Sicht der Dinge.

ARD: Die Story im Ersten – Go West, Ihr Genies!

"Fuck you, Silicon Valley!"

Der Autor Alard von Kittlitz, Redakteur bei Zeit Online, hatte am 9. Februar 2017 einen wirklich schlechten Tag. Oder er findet das Silicon Valley und seine Gemeinde tatsächlich durchwegs aufgeblasen, daneben, selbstvernarrt, arrogant, antidemokratisch und irgendwie gefährlich. Zumindest bedrohlich. Oder beides trifft zu, was Kittlitz dazu getrieben hat, seine Feder zu spitzen, um vehement gegen die Digitalisierung und deren Exponenten anzuschreiben. Jedenfalls hat er beim Anschauen der Dok im Ersten "wieder mal so richtig Hass empfunden", wie er selbst schreibt, und den Hass offensichtlich auch genossen. Beflügelt von seinem Zorn schreibt er sich seine Aversion von der Seele und holt aus zu einem Rundumschlag, der kein gutes Haar am Silicon Valley, den Gründern und ihren Startups lässt. Kein einziges.

Zeit Online: "Fuck you, Silicon Valley!"

"Fuck you, Silicon Valley? Go fuck yourself!"

Die knallharte Abrechnung von Alard von Kittlitz konnte und wollte Frank Schmiechen, Chefredakteur der Gründerszene, nicht unwidersprochen lassen. Er blickt tief in die Seele von Alard von Kittlitz, findet gar nicht schön, was er dort vorfindet, vermutet, dass "der Gefühlshaushalt des Journalisten durch die ARD-Reportage ins Wanken geraten ist" und meint: «Es ist schon peinlich zu lesen, wie sich ein junger deutscher Journalist von seinem Schreibtisch aus als selbstgerechter Fundamentalkritiker der Menschen im Silicon Valley aufspielt.»

Frank Schmiechen gibt kräftig Kontra, begründet auch warum, ortet im Silicon Valley grosses Potenzial durch Erfindungskraft und Leidenschaft und glaubt zu erkennen, wer aus welchen Gründen die gesamte Entwicklergemeinde im Silicon Valley an den Pranger stellt: «Meistens Menschen, die noch nicht einmal im Ansatz irgendetwas für die Menschheit leisten wollen, sondern sich stattdessen lieber die schmerzhafte Erkenntnis über ihre eigene Mittelmäßigkeit von der Seele schreien.»

Gründerszene Deutschland: "Fuck you, Silicon Valley? Go fuck yourself!"

Sehenswert und lesenswert

Wie auch immer man selbst dem Silicon Valley gegenüberstehen mag, drei Dinge lohnen sich:

Zum Ersten: die gut gemachte Dok im Ersten anzuschauen

Zum Zweiten: den in Worte gefassten Zorn von Alard von Kittlitz zu lesen

Zum Dritten: die Replik von Frank Schmiechen zu würdigen