Amazon schreibt jetzt auch den Einkaufszettel

Amazon Dash Wand: Direkt bestellen ohne Einkaufszettel
Bild: Amazon Dash Wand

Toll, und was hat das mit der Finanzbranche und mit Banking zu tun?

Diesen leicht genervten Einwand in fragender Form bekomme ich von einem Banker zu hören, mit dem ich mich zu Themen von Zahlungsverkehr und Banking austausche. Der von mir eingestreute Amazon-Exkurs lässt im ersten Anlauf wenig Freude aufkommen, lenkt scheinbar vom Thema ab und für technischen Firlefanz ist jetzt ohnehin weder Zeit noch Raum – schliesslich stehen ernsthafte Themen an, welche die Branche beschäftigen. Genau.

Gut, zweiter Anlauf

Und gleich nochmals zurück zum ersten Anlauf: Damit hatte Amazon selbst nämlich wenig Erfolg, die erste Version von Dash Wand hat 2016 noch keine hohen Wellen geschlagen. Dash Wand ist ein handlicher Produktscanner, der die Einkaufsliste ersetzt. Was 2016 noch gefehlt hat und jetzt mit an Bord ist: die Anbindung an Alexa. Alexa ist der sprachgesteuerte Assistent von Amazon, der in immer mehr Wohnungen über Amazon Echo oder Amazon Look das Leben von immer mehr Menschen in zahlreichen Bereichen organisiert.

Inzwischen ist Dash Wand fit für Amazon Echo und kommuniziert mit Alexa. Deshalb funktioniert Einkaufen direkt am Kühlschrank über Barcode-Scanner oder schlicht über den ausgesprochenen Wunsch, was gekauft und geliefert werden soll. Der Einkaufszettel ist Geschichte, direkt bestellen vor dem Kühlschrank oder irgendwo in der eigenen Wohnung genügt.

Effekt am Rande: Untersuchungen aus den USA belegen, dass Alexa-User ein anderes Einkaufsverhalten entwickeln – im Vergleich zu anderen Kunden kaufen sie dreimal so viele Produkte bei Amazon. Und seit Erfindung von Amazon Fresh kaufen sie eben auch Früchte, Milch, Fleisch und Gemüse bei Jeff Bezos ein. Einfach deshalb, weil es komfortabel ist und weil sie über Alexa permanent mit dem Shop verbunden sind und immer Zugriff zum richtigen Regal haben.

Neue Technologien verändern das Verhalten von Menschen

Wer einen Blick auf das Video wirft, erkennt sofort, dass mit Dash Wand und Alexa Einkaufen in einer neuen Dimension stattfindet: ohne Einkaufszettel, ohne Planung, ohne in den Laden gehen zu müssen, ohne Papier und auch ohne PC und Internet. Wünschen genügt.

Deshalb als Wiederholung unsere simple These: Was neuen Komfort bringt, Zeit spart, Kunden Probleme löst und Menschen das Leben einfacher macht, das kommt an und setzt sich durch. Immer. Und je mehr Menschen sich an den neuen Komfort gewöhnen, desto mehr erwarten sie genau diesen Komfort auch in anderen Bereichen. Das führt zu generellen Verhaltensänderungen von Zielgruppen und damit auch zu neuen Forderungen von Kunden an andere Dienstleister.

Um die Brücke zur Finanzbranche zu schlagen, eine simple Frage:
Wie kommunizieren Kunden in Zukunft mit ihrer Bank?

Kunden wissen, dass sie ihre Bank über PC und E-Mail erreichen. Kunden wissen auch, dass ihr Berater sich freut, wenn sie ihn anrufen. Briefschreiber versenden Post an ihre Bank und Smartphone-Nutzer managen ihr E-Banking über das für sie unverzichtbare Device. Das alles wird sich nicht über Nacht ändern und alle diese Kanäle sollen auch in Zukunft offen bleiben, sie werden jedoch an Bedeutung verlieren. Einfach deshalb, weil sich Zielgruppen und Kunden sehr schnell daran gewöhnen, über Alexa (oder ähnliche Sprachassistenten von anderen Anbietern) mit ihren Serviceanbietern und Dienstleistern zu kommunizieren. Ohne Papier, ohne Fax, ohne Telefon, ohne PC – nur über die Sprache. Nicht immer. Oft. Aber mit Sicherheit zunehmend.

Zum Thema Skills: Das sind die Apps von Drittanbietern, welche Amazon Echo und Alexa jeden Tag vielseitiger machen. Waren in den USA im Februar 2017 rund 10'000 Skills im Angebot, so sind es aktuell bereits 15'000. Services und Leistungen von Drittanbietern, welche in Alexa investieren, um ganz nahe an ihren Zielgruppen zu operieren.

Fragen, die Banken sich stellen sollten

Es geht noch weniger um Amazon Echo, Alexa und die Skills, die sich jeden Tag erweitern. Andere Anbieter wie Googles Assistant, Apples Siri oder Microsofts Cortana sind mit im Spiel und auch China holt aktuell mächtig Anlauf. Es geht vielmehr um die Technologie und die damit verbundenen Verhaltensänderungen, die schneller durchschlagen werden, als man denkt. Immerhin sind in den USA bereits rund 11 Millionen User und damit Haushalte mit einem Gerät aus der Linie Amazon Echo oder Echo Look ausgerüstet. Die Marktkraft und das Marketing von Amazon sowie die neue Komfortkomponente für User werden dafür sorgen, dass diese Zahlen eher schnell ansteigen. In Europa ist Amazon Echo erst seit September 2016 auf dem Markt, die Entwicklung dürfte ähnlich verlaufen wie in den USA. Befeuert werden Technologie und Marktdurchsetzung zudem durch andere Anbieter, welche das Feld nicht Amazon überlassen werden.

Unabhängig vom Anbieter, der Kernpunkt ist, dass die intelligente und selbstlernende Technologie dort stattfindet, wo jeder Anbieter präsent sein möchte, in der Regel jedoch kein Berater hinkommt: in der Wohnung, im Wohnzimmer, in der Küche, im Büro oder im Auto der Kunden. Immer online und immer bereit, ausgesprochene Wünsche sofort weiterzuleiten oder sofort zu erfüllen.

Deshalb lohnen sich auch für Banken Überlegungen, ob und wie diese machbare und permanente Nähe zum Kunden für Bankdienstleistungen und Finanzservices genutzt werden kann. Welche Produkte oder Services eignen sich für diesen Kanal? Sind diese Produkte und Services überhaupt vorhanden – oder müssen sie erst geschaffen werden? Welche Services, manchmal sind das "kleine Sachen", schaffen "Dankbarkeit" beim Kunden und damit Kitt in der Beziehung zwischen Bank und Kunde, weil die Bank für den Kunden ein Problem aus dem Weg geräumt hat, das er mitten in der Nacht gelöst haben wollte. Oder: Kann es sich lohnen, den Einfall eines Kunden, den er spontan zu Hause formuliert, am nächsten Tag mit der perfekten Offerte zu beantworten?

Technologie ist "nur" der Treiber, die digitale Zukunft gestalten wir selbst

Digitale Transformation wird durch Technologien getrieben. Wie wir damit umgehen und die digitale Zukunft für Unternehmen und für Kunden mitgestalten, bleibt uns überlassen. Jedem Unternehmen für sich. Und damit auch die Wahl, welche Position besetzt und welche Rolle gespielt werden soll.

Unsere Überlegungen sind schlicht die kurz angedachte Antwort auf die Frage, was der nicht mehr benötigte Einkaufszettel, den neuerdings Alexa schreibt, mit der Finanzbranche zu tun haben könnte. Die Zukunft der digitalen Assistenten hat erst begonnen – möglicherweise keine schlechte Idee für eine Bank, die Spielfelder ganz nahe bei den Kunden mit neuen Strategien zu besetzen.

Einkaufen mit Alexa: So funktioniert Amazon Dash Wand

Warum Alexa jeden Tag vielseitiger wird: Skills von Banken und Versicherungen
 

Stichworte zum Thema im Lexikon: Digitale Transformation | Künstliche Intelligenz | Machine Learning