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Zeitenwende auch bei Klarna – und bei anderen FinTechs

Weibliche Hand mit Ringen trägt eine Klarna-Karte
Quelle: Klarna

Das Riesen-FinTech wächst weiter, die Verluste allerdings auch – der operative Verlust hat sich verdreifacht. Die neue Losung: Profitabilität statt Wachstum um jeden Preis.

Die Bewertungs-Delle bei der letzten Finanzierungsrunde von Klarna hat für Gesprächsstoff in der Branche gesorgt: das FinTech hat im Juli 2022 800 Millionen US-Dollar eingesammet, sich aber gleichzeitig eine Rückstufung der Bewertung um 85 Prozent eingehandelt. Die Bewertung von 45.6 Milliarden Dollar vom Juni 2021 ist auf 6.7 Milliarden reduziert worden.

Mit der deutlich strengeren Betrachtung von Bewertungen steht Klarna allerdings nicht alleine, diese neue Formel hat auch bei anderen FinTechs Einzug gehalten. Sie spiegelt die neue Zurückhaltung der Investoren und auch deren Forderung, Profitabilität nun über Wachstum um jeden Preis zu stellen.

Die von zahlreichen FinTechs eingeleiteten Sparmassnahmen ziehen oftmals unter anderem auch Entlassungen nach sich. So wie Robinhood, Bitpanda und andere Unternehmen hat auch Klarna einen einschneidenden Richtungswechsel angekündigt: zehn Prozent des Teams sollen entlassen werden, weitere Einsparungen in der Verwaltung und anderen Bereichen sind ebenfalls notwendig.

Profitabilität statt Wachstum um jeden Preis

Klarna-CEO und Co-Gründer Sebastian Siemiatkowski begleitet die aktuelle Präsentation der Halbjahreszahlen 1/2022 mit der Bemerkung, dass die heutige Welt eine völlig andere wäre als jene im Herbst letzten Jahres. Die damals formulierten Geschäftspläne für das Jahr 2022 sind heute weitgehend Makulatur. Der Klarna-Chef beschreibt den neuen Kurs mit folgenden Worten:

Wir hatten jetzt einige Jahre, in denen Wachstum von Investoren sehr stark priorisiert wurde – jetzt wollen sie verständlicherweise Profitabilität sehen

Das schwedische FinTech hat vergleichsweise früh reagiert und verschiedene Sparschrauben angezogen. Siemiatkowskis Kommentar zu diesen Schritten:

«Wir mussten einige schwierige Entscheidungen treffen, um sicherzustellen, dass wir die richtigen Leute am richtigen Ort haben, die sich auf geschäftliche Prioritäten konzentrieren, um unsere Rückkehr zur Rentabilität zu beschleunigen und gleichzeitig Verbraucher und Einzelhändler in einer schwierigeren wirtschaftlichen Zeit zu unterstützen. Wir mussten sofort und vorbeugend handeln, was meiner Meinung nach damals missverstanden wurde, aber jetzt sehen wir leider, dass viele andere Unternehmen diesem Beispiel folgen.»

Mit diesem Bild trifft Siemiatkowskis ziemlich genau die Stimmung der internationelen FinTech-Branche, insbesondere jene von erfolgreichen und sehr schnell wachsenden Unternehmen mit Unicorn-Status. Letztere sind zum Teil auf Kosten der vertagten Profitabilität sehr aggressiv gewachsen. Eine Schubumkehr aufgrund der eingetrübten Wirtschaftslage, gewissermassen von heute auf morgen, ist ein Kraftakt, der nicht allen problemlos gelingen dürfte.

Klarna im ersten Halbjahr 2022

Die zum Teil drastischen Massnahmen innerhalb des neuen Sparkurses sollen bald Wirkung zeigen. Der aktuelle Bericht zu den Zahlen des ersten Halbjahres 2022 spiegelt allerdings noch den bis anhin verfolgten Kurs auf der Wachstumsschiene.

Die Betriebskosten, inklusive Gehälter, sind um 40 Prozent gestiegen und der Preis des schnellen Wachstums drückt sich in einem Verlust aus, der gut drei Mal höher ausfällt im Vergleich zur Vorjahresperiode: in Schweizer Franken rund 580 Millionen.

Das Unternehmen, das sich unter anderem mit Buy Now Pay Later (BNPL) einen Namen gemacht hat, verzeichnet im Vergleich zur Vorjahresperiode um 50 Prozent angestiegene Kreditausfälle: in Schweizer Franken rund 270 Millionen. Klarna begründet diese Zahl mit einem stark gestiegenen Kreditvolumen und beziffert die Ausfälle mit einem Anteil von nur 0.7 Prozent der finanzierten Warenwerte. 

Die an Konsumentinnen und Konsumenten innerhalb von BNPL gewährten zinslosen Ratenkredite sollen in Zukunft jedoch strenger gehandhabt werden. Einerseits, um die Kreditausfälle zu reduzieren und andererseits, um Kundinnen und Kunden in wirtschaftlich angespannen Zeiten nicht zusätzlich in Schwierigkeiten zu bringen.

Gute Nachrichten gibt es auch

Der Umsatz von Klarna ist um rund ein Viertel angestiegen. Das Unternehmen bedient und verbindet heute weltweit 450'000 Einzelhändler mit 150 Millionen Kundinnen und Kunden. Die Highlights des ersten Halbjahres 2022 illustriert Klarna mit folgenden Werten:

Weitere gute Nachrichten und sämtliche Zahlen des ersten Halbjahres 2022 im geschäftlichen Leben von Klarna gibt's im Detail im "Interim Report | January - June 2022", der als PDF direkt bei Klarna runtergeladen werden kann.

Bricht für Klarna BNPL als tragende Säule ein?

Kaum, zumal Buy Now Pay Later inzwischen nahezu mit dem Namen Klarna assoziiert wird. Schwierigkeiten könnten dem FinTech allerdings zwei Entwicklungen bereiten. Zum einen ein möglicherweise gebremstes Konsumverhalten auf Kundenseite, ausgelöst durch Inflation oder durch eine drohende Rezession. Zum anderen durch die Tatsache, dass Big Techs wie Apple mit "Apple Pay Later" und andere, BNPL nicht Klarna überlassen werden. Neben Grössen wie PayPal sind inzwischen auch Banken ins BNPL-Geschäft eingestiegen oder planen ihren Einstieg. Der Kuchen ist riesig, aber eine zunehmende Zahl von Mitspielern will teilhaben.

Die grossen Player werden Klarna die Platzhirsch-Rolle streitig machen – das kann sich auf Wachstum und Umsätze auswirken. Und diese Aussichten machen vor allem die Investoren nervös, weil BNPL mit zu den tragenden Säulen des Klarna-Geschäftsmodells gehört.