Das Gericht hat im französischen Crossborder-Fall gegen die UBS gesprochen und die Bussen festgelegt – in überraschenden Dimensionen. Jenseits von Verfahrensdetails, Schuld, Unschuld, unterschiedlichen Betrachtungsweisen und Berufung, ein Gedanke zur dynamischen Entwicklung der Bussen.
Den Letzten beissen die Hunde
Und weil es immer wieder einen Letzten gibt, wird zunehmend kräftiger zugebissen. Aktuell von einem französischen Gericht, oft von den USA, Deutschland kann auch beissen und die EU fletscht mit ihren Kommissionen vermehrt ebenfalls die Zähne.
Dass Recht auch Recht bleiben soll und Vergehen geahndet gehören, steht ausser Frage. Eine Busse soll wehtun, sonst bewirkt sie nichts. Einverstanden. Eine Busse soll einen Bezug zum Delikt und zum angerichteten Schaden haben, sofern ein Schaden bezifferbar ist. Ebenfalls klar.
Dass die Höhe einer Busse, neben der Idee von Strafe und Sühne, eine abschreckende Wirkung auf mögliche Nachahmungstäter habe kann, vermag einzuleuchten. Die Frage drängt sich allerdings auf, ob bei der Verhängung von Bussen noch andere Überlegungen und Anreize eine Rolle spielen und welche Auswirkungen die erschreckend dynamische Entwicklung der Grössenordnungen haben könnte.
Bussenmarathon mit Rekordambitionen?
Im aktuellen Fall, Frankreich gegen die UBS, hält das französische Gericht in der Rangliste der ungebrochenen Rekorde momentan den Spitzenplatz in Europa. Die Busse inklusive Schadenersatz von insgesamt 4,5 Milliarden Euro verweist den bisherigen Bussen-Rekordhalter, die EU gegen Google im Sommer 2018 mit damals 4,3 Milliarden Euro, auf den zweiten Platz.
Im Vergleich zu den einstmals als gigantisch empfundenen Bussen in den Steuerverfahren der USA gegen Schweizer Banken, wirkt die Höhe der Strafzahlungen rückblickend geradezu moderat: CS mit 2,6 Milliarden US-Dollar, UBS mit 780 Millionen US-Dollar, Julius Bär mit 547 Millionen US-Dollar. Deutschland begnügte sich im Steuerstreit mit 300 Millionen Euro im Falle der UBS, die CS kam mit 150 Millionen Euro davon.
Ohne jetzt sämtliche weiteren Fälle, Strafen und Bussen aufzählen zu wollen, die Entwicklung der gesprochenen Bussen innerhalb der letzten zehn Jahre kennt nur eine Richtung: steil nach oben. Die Bussen-Kursentwicklung wirkt wie der Chart eines Börsenlieblings, der von Jahr zu Jahr erstklassig performt und zuverlässig zulegt.
Entwicklung mit Signalwirkung?
Ist die Schwere der verhandelten Vergehen in denselben Proportionen grösser geworden wie die Höhe der Bussen? Wenn Staaten über ihre Gerichte Recht sprechen und bei der Festsetzung der Höhe der Bussen ihre Muskeln spielen lassen, könnte das auch etwas mit Machtanspruch und internationaler Positionierung zu tun haben? Kommen dann angepasste und moderate Bussen völlig aus der Mode, weil das als Schwäche empfunden wird?
Werden die Milliarden, welche durch verhängte Bussen in die jeweiligen Staatskassen gespült werden, im Laufe der Zeit zur erwarteten und budgetierten Grösse, die andere Defizite ausgleichen kann? Bleiben die Zahlungen aus, weil sich alle ausländischen Unternehmen aufs Mal wohlverhalten, könnte es sein, dass sich ein Staat gezwungen sieht, neue Gesetze zu schaffen, die leichter übertreten werden können, um den Zahlungsstrom wieder zu aktivieren?
Klagen länderübergreifend bald einmal alle gegen alle, also Staaten gegen Unternehmen, weil diejenigen ins finanzielle Hintertreffen geraten, die nicht klagen? Ist es denkbar, dass irgendwann die Grenze der existenzgefährdenden Bussenhöhe bewusst überschritten wird, um Bussen nicht nur als Strafe, sondern auch als wirkungsvolles Mittel der internationalen Marktbereinigung zu eigenen Gunsten einzusetzen?
Alles nur Hirngespinste und schwarzgemalte Utopie, weil es schliesslich nur um Vergehen, Recht, Schuld, Strafe, Sühne und adäquate Bussen geht? Danke, dann bin ich ja beruhigt – war nur so ein aufkeimender Gedanke.