Avaloq, ein global führender Anbieter von digitalen Banking-Lösungen, lanciert dieses Jahr drei neue Plattformen, um diesen Veränderungen Rechnung zu tragen. Wie das Banking der Zukunft aussehen wird, erklärt Martin Greweldinger, Group Chief Product Officer bei Avaloq.
Interview: Marc Landis | Redaktion: Colin Wallace
Inwiefern sehen Sie sich selbst als Gamechanger in der Finanzindustrie?
Martin Greweldinger: (Lacht) Die Entwicklung von Gamechanger-Produkten bzw. -Software ist immer eine Teamleistung. Ich selbst bin hier also nicht der Gamechanger – wer das Spiel verändern will, braucht ein starkes Team und einen starken Arbeitgeber im Rücken. Beides haben wir hier bei Avaloq.
Inwiefern sehen Sie Avaloq als Gamechanger in der Finanzindustrie?
Bereits die Vision von Avaloq und der Grund, weshalb Avaloq vor über 30 Jahren gegründet wurde, machen uns zum Gamechanger. Banken sollten sich beim Banking und bei der Vermögensverwaltung auf das Kerngeschäft konzentrieren können: die Wertschöpfung für den Kunden. Alle anderen Prozesse, wie beispielsweise das Backoffice, sollten weitmöglichst automatisiert werden, um die Effizienz zu maximieren. Genau da setzen wir an. In der Schweiz gibt es viele gute Digitalmarktanbieter und auch viele gute Anbieter im Core-Banking-Bereich. Doch es gibt nur wenige, welche die ganze Prozessstrecke von Endkunden über Berater bis zum Core Settlement vollständig automatisieren können.
Das Bankgeschäft verändert sich. Sales und Client Enablement laufen zunehmend über digitale Kanäle. Dabei wirkt Covid-19 wie ein Katalysator für die Digitalisierung im Banking und es wird diese rasante Entwicklung noch weiter beschleunigen. Digitale Kanäle mit Straight-Through-Processing (STP) in Echtzeit werden für das Kundenengagement und -management daher immer wichtiger. Ein hoher Automatisierungsgrad und eine saubere Datenhaltung sind dafür essenziell. Sie ermöglichen es Banken, Prozesse in Echtzeit zu verwirklichen und daraus Wissen zu generieren. Mit diesem Wissen, bekannt auch als Artificial Intelligence, können Kunden beraten werden, es kann aber auch für das Management von Kundenbeziehungen oder für das Kundenengagement genutzt werden.
Es braucht eine Plattform, die sämtliche Prozesse automatisiert und orchestriert. Das macht Avaloq zum Gamechanger.
Intelligente Automatisierung unterstützt Banken nicht nur auf der Operations-Seite, sondern auch in der Beratung
Sie haben Covid-19 als Katalysator der Digitalisierung angesprochen: Wie wird sich das Coronavirus als Gamechanger auf die Finanzindustrie auswirken?
Covid-19 wirkt vor allem in zwei Bereichen als Katalysator für die Digitalisierung des Bankwesens: Im Front-End- und im Core-Banking-Bereich. Durch die ganze Situation und die Ausgangsbeschränkungen gingen die Kunden nicht mehr gerne direkt zur Bank, und auch viele Bankangestellten arbeiteten und arbeiten zum Teil immer noch im Homeoffice. Es muss also sichergestellt werden, dass Bankmitarbeitende ihr Kundenmanagement auch von zu Hause aus betreiben können, ohne dass das Schweizer Bankgeheimnis verletzt wird. Dazu müssen beispielsweise kundenidentifizierende Daten von nicht-kundenidentifizierenden Daten getrennt werden.
Weiter braucht es Mittel zur Kommunikation zwischen Bank und Kunden. Dabei ist es für das Engagement wichtig, dass Kunden über ihre präferierten digitalen Kanäle mit ihren Beratern in Kontakt treten können und nicht über irgendeine eigene, neue App. Kunden wollen über Plattformen kommunizieren, die sie auch privat im Alltag nutzen und auf denen sie sich wohlfühlen, etwa beispielsweise über Whatsapp.
Covid-19 wird die Digitalisierung in diesen Bereichen vorantreiben, was schliesslich auch zur Abnahme der Heterogenität im Bankwesen führen wird. Gleichzeitig nimmt die Nutzung von cloudbasierten Diensten zu. Momentan existiert eine grosse Heterogenität im Banking-Umfeld – jede Bank hat eine andere Infrastruktur. Avaloq ist auf die Kollaboration zwischen Banken ausgelegt. Das heisst: Wir entwickeln den gleichen Code für viele Banken mit den entsprechenden Anforderungen der einzelnen Banken. Dasselbe machen wir bei den verschiedenen Systemen. Da hilft uns der Move zur Cloud, da so eine Standardisierung der Systeme herbeigeführt werden kann, die es bis anhin so nicht gab.
Welche Trends gibt es aktuell in Ihrem Geschäftsfeld als Anbieter von Bankensoftware?
Einen Haupttrend sehe ich in der intelligenten Automatisierung. Schlagwort ist hier wiederum STP, also die automatisierte Abwicklung von Prozessen. So können etwa Zahlungen abgewickelt werden, ohne dass sie von einer Person überprüft werden müssen. Das sieht man im Payment-Bereich, zum Beispiel bei den Neobanken. Intelligente Automatisierung unterstützt Banken aber nicht nur auf der Operations-Seite, sondern auch in der Beratung. Wenn Berater beim Austausch mit Kunden alle relevanten Informationen direkt angezeigt bekommen, hilft das enorm. Das ist einer der Gründe, warum wir unsere neue Plattform «Avaloq Engage» entwickelt haben.
Ich sehe auch einen Trend zur Kooperation. Früher war es so, dass jede Bank alles selbst und alleine machen wollte. Wichtig dabei ist, dass Kooperationen über eine standardisierte, offene Plattform ablaufen. Das Stichwort hier lautet Open Banking. Dabei gilt es, miteinander zu kooperieren und sich auf Schnittstellen zu einigen. Es geht darum, wirklich integrierte Lösungen zu entwickeln und vom bisherigen «Best of Breed»-Gedanken wegzukommen.
Der dritte grosse Punkt ist die Industrialisierung des Bankwesens. Durch sie sollen Redundanzen eliminiert und Prozesse standardisiert werden. Das geschieht wie bereits angesprochen durch die Standardisierung der Infrastruktur durch die Cloud.
Ein weiterer Trend, den ich auf Kundenseite wahrnehme, ist die «unsichtbare Bank». Banking wird in den nächsten fünf bis zehn Jahren zu einem Service werden, der transparent in vielen Prozessketten eingebunden ist. Eine weitere Entwicklung, die aus diesem Trend hervorgeht, nennen wir die «Demokratisierung des Wealth Managements». Das heisst, nicht nur grössere, sondern auch kleinere Kunden kommen in den Genuss von Banking-Produkten und -Dienstleistungen, die früher nur wohlhabenden Kunden vorbehalten waren, da die Produkte nun skaliert angeboten werden können.
Ein Trend, den ich auf Kundenseite wahrnehme, ist die «unsichtbare Bank»
Sie sprachen von Avaloq Engage. Was hat es damit auf sich?
Avaloq Engage, Wealth und Insight sind unsere drei neuen Plattformen, die sich als Konsequenz des technologischen Wandels und auch des Wandels der Kunden und ihrer Anforderungen an ihre Bank ergeben. Mit Engage haben wir eine Omnichannel-Plattform entwickelt. Die komplette Kundenbetreuung und -interaktion über alle Prozessbereiche läuft darüber. Kunden können über Whatsapp, Line oder WeChat mit ihren Beratern in Kontakt treten. Die Lösung ist aber kein reines Kommunikationstool. Die kompletten Bankingfunktionen der Plattform, sei es Advice, Portfolio, Trading, News oder Sales-Kanäle, sind in Avaloq Engage eingebunden. Der Relationship Manager der Bank hat also einen smarten digitalen Assistenten an seiner Seite. Dieser smarte Assistent liest den Chat mit und kann durch die integrierte KI die Bedürfnisse des Kunden erschliessen. So kann er dem Relationship Manager Vorschläge liefern, welche Produkte oder Informationen er dem Kunden direkt anbieten kann.
Mit Avaloq Wealth tragen wir dem Trend zur Hyperpersonalisierung im Beratungsumfeld Rechnung. In den nächsten drei bis fünf Jahren kommt es im globalen Vermögensverwaltungsgeschäft zu einem gewaltigen Generationswechsel. Viele grosse Portfolios werden von den Babyboomern auf die jüngere Generation übertragen, und diese haben andere Bedürfnisse als die ältere Generation. Sie wollen ihre Belange in Echtzeit abwickeln können, sie möchten Anlagen mit einem individualisierten Risikoprofil tätigen können und sie verlangen nach einem auf sie zugeschnittenen, personalisierten Ökosystem. Mit unserer Wealth-Plattform können wird diese individuellen Bedürfnisse befriedigen.
Avaloq Insight ist eine Plattform zur Aufbereitung von Daten – ein sogenanntes «federated learning system». Das ist ein Machine-Learning-Algorithmus, der über alle teilnehmenden Kunden hinweg Daten verarbeitet. So haben wir eine riesige Menge an Daten, mit denen der Algorithmus trainiert wird. Je mehr Daten zur Verfügung stehen, desto bessere Unterstützung bietet der Algorithmus.
Welche weiteren Produkte oder Dienstleistungen entwickeln sie?
Wir sehen über die nächsten Jahre hinweg ein grosses Wachstumspotenzial im Bereich Open Banking und den damit entstehenden Ökosystemen im Wealth-Management-Segment. Hier sind wir bereits gut positioniert mit dem Avaloq.one Ecosystem, das wir kontinuierlich ausbauen wollen. Auch im Krypto- beziehungsweise im DLT-Bereich (Distributed-Ledger-Technologie) wird es noch einige sehr spannende Use Cases geben, beispielsweise in Bezug auf Krypto-Asset-Lifecycles. Wir glauben stark an digitale Anlagen; wir bieten bereits jetzt ein Krypto-as-a-Service-Modul an.
Wir sehen über die nächsten Jahre hinweg ein grosses Wachstumspotenzial im Bereich Open Banking
Mit welchen Herausforderungen müssen sich Finanzinstitute und Vermögensverwalter im Zusammenhang mit der Digitalisierung auseinandersetzen, wenn sie mittel- und langfristig erfolgreich sein möchten?
Die grösste Herausforderung für Banken sind Datenhaltung – Datenmanagement, -kontrolle und -konsistenz. Es existieren nach wie vor zu viele Datensilos, welche die Banken aufgeben müssen. Vor allem im Hinblick auf die fortschreitende Digitalisierung geht nichts ohne qualitativ perfekt aufbereitete Datensätze.
Wie sehen Sie die mittelfristige Entwicklung im Bankensektor?
Im Wealth-Management-Bereich wird das Aufwand-Ertrag-Verhältnis ein grosses Thema sein. Die Marktteilnehmer mit einer klaren Strategie und mit eindeutigem Fokus werden mehr Erfolg haben als Banken, die von allem ein bisschen anbieten. Was auch kommen wird, ist die zunehmende Kooperation im Banking, insbesondere auch zwischen Banken und auch Nicht-Banken wie zum Beispiel Fintechs.