InsurTech

Das InsurTech Lemonade tickt anders – Schadenabwicklung innerhalb von drei Sekunden

App von Lemonae mit Schadenabwicklung in drei Sekunden
Bild: obs/Lemonade

InsurTech Lemonade feiert seit drei Jahren in den USA Erfolge – mit dem Markteintritt in Deutschland setzen die digitalen Versicherer auch in Europa neue Massstäbe.

Die digitalen Versicherer für Hausrat und Privathaftpflicht geben sich auf ihrer Website selbstbewusst und sagen: "Vergiss alles, was du über Versicherungen weisst". Nachdem des Lesers Kraftakt des Vergessens gelungen ist, doppelt Lemonade nach: "Alles im Nu. Dufte Preise. Grosses Herz."

Was sich wie smarte Werbung liest, ist genau das, trifft bei Lemonade darüberhinaus jedoch auch den Kern der gelebten Tatsachen. Nicht von ungefähr hat das InsurTech und Startup nach eigenen Angaben in den USA innerhalb von drei Jahren bereits über 500'000 Versicherungen verkauft.

Nach der letzten Finanzspritze von Softbank Group (300 Millionen US-Dollar im April 2019) soll Lemonade nach einer Quelle von Forbes mit 2 Milliarden US-Dollar bewertet worden sein.

Und jetzt Europa

Für den Europa-Start hat das InsurTech Mitte 2019 seine erste Flagge in Deutschland eingeschlagen. Die Begründung von Co-Founder Shai Wininger:

Wir haben Deutschland für unsere erste internationale Markteinführung ausgewählt, weil es eine sehr traditionelle Versicherungsbranche mit einem sehr vorausschauenden, digitalen Erstverbraucher verbindet

Dass die Amibitionen nicht in Deutschland enden, sondern sehr viel weitergehen, hat das Startup bereits damals klargemacht – Lemonade will mit einem aussergewöhnlichen Geschäftsmodell in ganz Europa "das traditionelle Versicherungsmodell auf den Kopf stellen".

Absichtserklärungen und smarte Werbeaussagen sind das eine, konkrete Fakten und Taten das andere. Deshalb ein Blick auf einige zentrale Punkte des Lemonade-Geschäftsmodells.

Zur Behauptung: "Alles im Nu"

Lemonade bietet Hausrat- und Hapftpflichtversicherungen an, die über eine App in 90 Sekunden abgeschlossen werden können. Direkt und ohne Papierkram. Das Startup legt auch Wert auf die Feststellung, dass bei seiner Versicherung 2.0 in der Police alle kurzgefassten Punkte für Menschen geschrieben sind, die Versicherungs-Chinesisch nicht verstehen, deshalb klar, einfach und für jeden verständlich.

Abschliessen geht also schon mal im Nu – und die Schadenabwicklung? Ziemlich sicher ist Lemonade aktuelle Rekordhalterin in Deutschland, das Startup berichtet Ende Dezember 2019:

"Am 13. November um 09:38 Uhr und 42 Sekunden klickte Lemonade-Kunde Christian auf den "Submit" Button für seinen Schadensanspruch von 791 Euro für sein Cube Nature Pro Fahrrad. Um 09:38 Uhr und 45 Sekunden wurde sein Anspruch bereits vom Chatbot AI Jim überprüft, mit Lemonades Versicherungspolice 2.0 abgeglichen und hatte 18 Anti-Betrugs-Algorithmen durchlaufen. Der Anspruch wurde genehmigt, der Zahlungsauftrag über 791 Euro an die Bank gesendet und der Kunde informiert."

Zur Behauptung: "Dufte Preise"

Lemonade bietet tiefe Preise, weil das InsurTech nach eigenen Angaben Versicherungsmakler durch Chatbots ersetzt. Die Preise für Hausrat starten bei 2 Euro pro Monat, jene für Haftpflicht ebenfalls. Dabei bleibt es meistens nicht. Ein Chatbot, der auf den Namen Maya hört, gestaltet mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz die jeweils individuelle Versicherung pro Kunde. Was dabei herauskommt, sind günstige Preise, die sich im Vergleich sehen lassen können.

Der Abschluss der Versicherung funktioniert, wie versprochen, schnell und reibungslos und kann hier getestet werden. Ob die "90 Sekunden" eingehalten werden können, mag von Kunde zu Kunde unterschiedlich sein, so oder so ist der Ablauf flüssig und Langeweile kommt im clever konzipierten Prozess nicht auf. 

Wer nicht selbst mit Chatbot Maya verhandeln möchte, die Kurzdemo im Video zeigt, wie der Abschluss einer Versicherung geht und auch wie eine Schadenmeldung abläuft. In beiden Fällen über Chatbots, schlaue Algorithmen und KI.

Zur Behauptung: "Grosses Herz"

Das grosse Herz hängt mit dem besonderen Geschäftsmodell von Lemonade zusammen. Das InsurTech behält einen festen Prozentsatz der Versicherungsbeiträge für Entwicklung, Gehälter und Betriebskosten und "etwas Profit". Was nach Abzug der Kosten für Rückversicherung und Auszahlung von Schadenfällen übrig bleibt, wird gespendet. Nach Aussagen von Lemonade eine erhebliche Quote bis zu 40 Prozent. Die Spenden gehen an gemeinnützige Institutionen und Non-Profit-Organisationen, welche jeder Kunde bereits beim Abschluss der Versicherung festlegen kann.

Lemonade Inc. ist eine B-Corp (Public Benefit Corporation) und zertifiziert als gemeinwohlorientiertes Unternehmen, das strenge Standards in Bezug auf Gesellschafts- und Umweltleistungen wie auch in Sachen Verantwortlichkeit sowie Transparenz erfüllen muss. Die beiden Ausrichtungen "profitorientiert" und "gemeinwohlorientiert" stehen deshalb nicht im Widerspruch, weil das Startup seine eigenen Profitansprüche freiwillig deckelt, transparent geschäftet und ebenso transparent informiert.

Kommentar von Lemonade zum Punkt der grossen Herzen:

So wird aus der sauren Zitrone Versicherung, die viele von uns als lästige Pflicht ansehen, eine süsse Limonade - Lemonade eben

Die Open Source Versicherungspolice

Lemonade bezeichnet ihre Police 2.0 als eine "radikal vereinfachte, modernisierte und digitalisierte Versicherungspolice, die jeder Kunde lesen und tatsächlich verstehen kann". 

Ein Blick in die Musterpolice zeigt, dass auch diese Behauptung durch Fakten untermauert wird, hier nachzulesen

Zum Begriff "Open Source" im weiteren Sinne gehört auch, dass Lemonade sehr nahe an der Community operiert und sich Feedbacks von Kunden und Partnern stellt. Offen und transparent.

Fazit

In mehrfacher Hinsicht ein interessantes Geschäftsmodell und ein InsurTech, das mit starken Leistungen überzeugt. Ob sich der Siegeszug und das Wachstum in den USA auch in Europa wiederholen lassen, wird die Zukunft zeigen. Die Chancen auf Erfolg stehen eher gut, weil Lemonade die Behauptung, "Wir sind ein Versicherungsunternehmen, wie du es nie zuvor gesehen hast", auch tatsächlich lebt.

Damit tritt das Startup gegen einen Markt an, der weitgehend noch in sehr traditionellen Strukturen funktioniert und deshalb Raum bietet für starke Ideen von disruptiven InsurTechs. Neue Massstäbe setzt Lemonade heute schon

Und was ist mit der Schweiz und dem Rest von Europa?

Auch darauf haben die digitalen Versicherer eine Antwort: "Wenn du ausserhalb Deutschlands und der USA wohnst, keine Sorge! Wir sind auf dem Weg! Bleibe hier auf dem Laufenden und folge uns auf Facebook und Twitter."

Man glaubt's den Machern des InsurTechs, dass sie auf dem Weg sind. In den USA ist Lemonade in den meisten Staaten bereits vertreten, in Europa erst in Deutschland. Das Ziel, in den gesamten USA und in allen Ländern Europas präsent zu sein, steht jedoch weit oben auf der Liste der offenen Aufgaben und Ziele.