N26-CEO Valentin Stalf hatte in früheren Jahren gegenüber Kryptowährungen als Feature für die eigene App eine eher ablehnende Haltung. Erst Anfang 2021 hat N26 Trading als Chance erkannt und den Kryptohandel für Kundinnen und Kunden auf die Agenda gesetzt. Stalf sagte damals in einem Clubhouse-Talk: «Ich sehe persönlich zwar noch keinen richtigen Use Case für das tägliche Leben, aber die Kunden wollen es haben». Nun bekommen sie es, das Berliner FinTech betritt die Bühne der Anbieter und startet mit Kryptos für seine Kundinnen und Kunden.
Die Gründe für diesen Schritt sind nachvollziehbar, zahlreiche FinTechs und Neo-Banken haben in den letzten Monaten ihre Strategie geändert. Der jahrelang verfolgte Weg des ungebremsten Wachstums um jeden Preis ist zu teuer geworden, neu steht Profitabilität auf dem Programm. Der teilweise abrupt eingeleitete Strategiewechsel ist herausfordernd, ohne neue Ertragsquellen werden Konsolidierung und Profitabilität kaum zu erreichen sein.
In der Schweizer Neo-Banken-Landschaft hat kürzlich auch Neon ein Krypto-Feature angekündigt, das 2023 an Bord der App kommen soll, MoneyToday.ch hat berichtet. Diese Ankündigung steht ebenfalls im Zusammenhang mit einem strategischen Richtungswechsels, auch Neon hat sich neu Profitabilität auf die Flagge geschrieben. FinTechs und Neo-Banken stehen verstärkt unter dem Druck der Investoren, die ihre finanziellen Engagements in Zeiten des teurer werdenden Geldes schneller als ursprünglich geplant auf die eine oder andere Weise in Form von realisierbaren Gewinnen ins Trockene bringen möchten.
Neue Ertragsquellen für FinTechs und Neo-Banken
Die Erschliessung neuer Ertragsquellen steht für FinTechs und Neo-Banken deshalb neuerdings im Vordergrund. Der Handel mit Kryptowährungen für Kundinnen und Kunden soll zu einem dieser zusätzlichen Ertragspfeiler werden. N26 wie auch Neon sind jedoch mit ihren Trading-Erweiterungen sehr spät dran. Nicht wegen des anhaltenden Krypto-Winters, Kryptos und DeFi sind noch länger nicht vom Tisch, auf einen Winter folgt in der Regel ein Frühling. Aber: im Markt des Kryptohandels sind inzwischen zahlreiche grosse, mittlere und kleinere Plattformen unterwegs und haben sich erfolgreich etabliert.
Neue Player, die den Krypto-Winter nutzen, um mit aussergewöhnlichen Leistungen und innovativen Angeboten den Markt zu überraschen, haben zweifellos schon heute und insbesondere im nächsten Krypto-Frühling Chancen. Anbieter allerdings, die nur gerade genau dasselbe anbieten, das alle bestehenden Player längst im Programm haben, dürften es etwas schwerer haben.
Helfen kann hier eine bestehende, grosse und treue Kundenbasis, die sämtliche Leistungen aus einer Hand beziehen möchte. N26 hat nach eigenen Aussagen aktuell 8 Millionen Kundinnen und Kunden, davon 3.7 Millionen aktive und damit etragsrelevante Kunden. Zudem verspricht sich die Neo-Bank einiges von den bestehenden 6 Milliarden Euro Kundeneinlagen, die zum Teil in Krypto-Investments fliessen könnten.
N26-CEO Valentin Stalf bleibt jedenfalls zuversichtlich und meint:
Auch wenn Kryptowährungen im vergangenen Jahr an Wert verloren haben, bleiben sie eine gefragte und attraktive Anlageklasse
Damit liegt Stalf sicher richtig – die Frage beantwortet sich jedoch erst später, ob N26-Kunden, die mit Bitpanda, Trade Republic, Bison, Revolut, Relai oder anderen Anbietern im Geschäft sind, den Wechsel in die App ihrer Neo-Bank tatsächlich vollziehen werden.
Bitpanda ist im Kryptobereich der Technologie-Partner von N26
Dass sich mit dem Handel von Kryptowährungen Geld verdienen lässt, zeigt das FinTech-Unicorn Bitpanda aus Österreich. Nach Recherchen unserer Kollegen von Finance FDW hat Bitpanda im Boom-Jahr 2021 einen Umsatz von knapp einer halben Milliarde Euro erwirtschaftet und damit ein Wachstum von traumhaften 764 Prozent realisiert. Im Gegensatz zu vielen anderen FinTechs hat Bitpanda 2021 einen Überschuss erzielt, der mit 37.5 Millionen Euro beziffert wird.
Diese Zahlen sagen noch nichts über die weitere Umsatzentwicklung des Unternehmens im Umfeld von Bärenmärkten aus, Bitpanda ist jedoch breit und dadurch wahrscheinlich auch gut aufgestellt. Zudem hat das Unternehmen bereits im Juni 2022 sehr entschlossen und rigoros auf veränderte Marktumfelder reagiert – gegen aussen sichtbar geworden ist das auch dadurch, dass das FinTech ein Viertel seines Teams entlassen hat, MoneyToday.ch hat berichtet.
Bitpanda hat das Wachstum vor dem Krypto-Winter genutzt, um seine Technologie und Plattform B2B-tauglich und damit fit für andere Anbieter zu machen. Das FinTech positioniert sich seit einiger Zeit zusätzlich als Technologie-Partner für Banken, Neo-Banken und FinTechs. Eine kluge Strategie. Bitpanda generiert mit seiner Trading-Plattform Umsätze mit Direktkunden in den Bereichen Aktien, Kryptos, Rohstoffe und Edelmetalle. Mit dem neuen Angebot Bitpanda White Label stellt das FinTech anderen Anbietern seine eingespielte Plattform, Technologie und die benötigte Infrastruktur zur Verfügung und verdient deshalb immer mit, wenn andere Player wie N26 Umsätze generieren.
N26 startet in Österreich mit der Whitelabel-Lösung von Bitpanda
Von Know-how, Technologie und B2B-Angebot profitiert jetzt auch N26, die Neo-Bank setzt auf die Whitelabel-Lösung von Bitpanda. Kundinnen und Kunden der Neo-Bank brauchen deshalb keine zusätzliche Wallet, der Kryptohandel funktioniert direkt in der App, Transaktionen und Portfolio werden in der gewohnten Umgebung abgebildet. Die effektive Durchführung des Handels sowie die Verwahrung der Assets werden im Hintergrund durch Bitpanda wahrgenommen.
Die neuen Krypto-Funktionen sind bei N26 direkt mit den bestehenden Konten verbunden, Käufe und Verkäufe von Kundinnen und Kunden werden jewels unmittelbar dem Konto belastet oder gutgeschrieben.
So gesehen ist das Whitelabel-Angebot eine komfortable und über APIs eher schnell integrierbare Lösung für FinTechs und Neo-Banken. Allerdings mit dem Wermutstropfen, dass eingespielte Erträge über Fees und Kommissionsmodelle geteilt werden müssen.
N26-Kunden können aus knapp 200 handelbaren Coins auswählen, die Neo-Bank verspricht niedrige und transparente Gebühren. Die Transakionsgebühren liegen bei 1.5 Prozent für den Handel mit Bitcoin und betragen 2.5 Prozent für alle anderen Kryptowährungen. Metal-Kunden fahren bei den Gebühren jeweils ein halbes Prozent günstiger, der Preisvorteil ist limitiert und gilt für Krypto-Investitionen bis 5'000 Euro pro Monat, danach greifen die normalen Konditionen.
Der Start in Österreich ist erst der Anfang, N26 will das Krypto-Feature in den nächsten Monaten schrittweise auch in weiteren Kernmärkten ausrollen.
Gilles BianRosa, Chief Product Officer bei N26, bezeichnet den Handel mit Kryptowährungen als "erste Anlageklasse" im Angebot von N26 – die Erweiterung zu Aktien, ETFs und anderen Assets dürfte folglich in Planung sein.
Welchen Märkten, ausserhalb von Österreich. welche Leistungen wann genau zur Verfügung stehen werden, hat die Neo-Bank bisher nicht kommuniziert.