Startup-Experte Nicolas Berg verfolgt einen neuen Ansatz – ein Vorschlag, wie Startups sofort geholfen werden kann und eine Idee, welche Gewinner auf allen Seiten produziert.
Der Bundesrat hat inzwischen 40 Milliarden Franken budgetiert als Nothilfe für die Wirtschaft gegen die Virus- und Lockdown-Schäden. Für die ebenfalls systemrelevante und besonders verletzliche Gruppe der Startups jedoch hat er noch keinen Plan. Es fehlt eine Milliarde.
«Der Bundesrat muss endlich eine Milliarde freigeben für das systemrelevante Ökosystem der 2'000 Startups!», fordert der Startup-Experte und ehemalige XING-Country-Manager Nicolas Berg* in einem Post auf LinkedIn. Innerhalb von drei Tagen lesen 13'885 Mitglieder den Beitrag, 146 applaudieren, 104 kommentieren und etliche teilen ihn – sogar österreichische Startup-Experten.
Wir haben uns mit Nicolas Berg über seine Forderung und einen Vorschlag unterhalten, der die Interessen von Bund, Startups, Investoren und Steuerzahlern unter einen Hut bringen kann. Im Folgenden zeichnen wir die Gedanken und die Argumente von Nicolas Berg im Detail nach.
Startups als Motor für die Wirtschaft und für neue Jobs
Als Startups gelten junge Unternehmen, die ein auf Technologie und Innovation basierendes, skalierbares Geschäftsmodell verfolgen. Sie sind erkennbar daran, dass sie Forschungsförderungs- oder Investorengelder eingesammelt haben oder ein Qualitätslabel wie Innosuisse, De Vigier oder Venturekick aufweisen.
Für jede Volkswirtschaft sind sie systemrelevant, weil sie als Motor für Innovation und zukunftsträchtige Jobs gelten. In Frankreich, das Startups mit vier Milliarden Euro via Ko-Investments und Garantien hilft, stammen 17 bis 20 Prozent aller Jobs von Startups. Für die USA wies die Kauffman Foundation nach, dass die maximal fünf Jahre alten Startups jährlich rund drei Millionen neue Jobs schaffen, während die etablierten Firmen jährlich per saldo eine Million Jobs abschaffen.
Weshalb Startups anders geholfen werden muss als KMU
Die Bundeshilfe von 40 Milliarden Franken greift bei typischen Startups nicht, weil die bei Selbständigen ohnehin auf 3'200 Franken beschränkte Kurzarbeits-Entschädigung keine Option ist und nach Umsatz berechnete Garantie-Darlehen bloss einen Tropfen auf den heissen Stein darstellen. Tech-Startups leben die ersten Jahre weniger bis gar nicht von Kunden, sondern hauptsächlich von Investorengeldern.
2019 investierten Business Angel, Family Offices und Venture-Capital-Fonds (VCs) gut zwei Milliarden Franken in Schweizer Startups. Wegen des Virus und der erwarteten weltweiten Rezession, welche die Schweiz mit 70 bis 170 Milliarden Franken treffen wird, werden diese Investitionen um etwa 50 Prozent auf rund eine Milliarde einbrechen. Weil die Investoren selber getroffen werden, für ihr bestehendes Portfolio doppelt so viele Mittel reservieren müssen wie vor der Krise geplant und nun nur noch sehr sparsam neue Engagements eingehen.
Falls der Staat und Forschungsförderer die wegbrechende Milliarde nicht sofort ausgleichen, so Berg, werden ab Mai monatlich bei 40 bis 80 unserer weltweit bewunderten Hochschul-Ausgründungen die Lichter ausgehen, weil Startups chronisch knapp liquid und von regelmässigen Folgefinanzierungen abhängig sind.
Welche Startup-Hilfe effizient, gerecht und qualifiziert wäre
Nicolas Berg, selber mehrfacher Gründer, Investor und Coach zahlreicher Startups, dachte gemäss seinem ersten LinkedIn-Post zur Startup-Rettung zuerst, inspiriert vom KMU-Nothilfeprogramm des Bundesrats, an Bankgarantien für Business-Angel- und VC-Investments «ähnlich genial dezentral» wie zuvor für die Etablierten via Bundesgarantie für ultraschnelle Bankdarlehen.
Auf einen Kommentar hin von Thomas Dübendorfer, Gründer des Investoren-Netzwerks Sictic und ehemaliger Google-Manager, hat Berg seinen Vorschlag optimiert:
Die Startup-Milliarde muss als automatische eins-zu-eins Ko-Investments mit den 3'000 Business Angels und 30 Venturefonds fliessen, um die Zerstörung unseres Innovations- und Jobmotors zu verhindern. Bitte teilen!
So wie unsere Banken die KMU besser kennen als Behörden, kennen die über 3'000 aktiven Business-Angel und VC-Investoren die Startups am besten. Mit erneuten Investments trotz Krise bestätigen diese Investoren die Qualität der Startups per Tatbeweis («skin in the game»), der Bund reagiert per sogenannten «Matching-Fonds» ähnlich effizient wie bei den Bankgarantien mit schnellen Zahlungen, ausgelöst via Webformular, das die Startups und der Leadinvestor gemeinsam ausfüllen. Gegen allfälligen Missbrauch schützen Bussen für falsche Angaben.
Die Startup-Milliarde wäre nachhaltig rentabel
Was bedeutet eine Milliarde in einem Startup-Matchingfonds für die Steuerzahler? Mit Garantie-Bürgschaften kann der Bund nur helfen, aber garantiert nichts verdienen. Darum wäre der von anderen Startup-Experten vorgeschlagene zentrale Corona-Fonds mit 85 Prozent Bundesgarantie kein gutes Geschäft für die Steuerzahler.
«Eine zentralistische Lösung zerstört das bestehende Ökosystem, allokiert Kapital ungerecht, langsam und mit qualitativ schlechter Selektion, und der Bund verliert als Bürge Geld», warnt Berg.
Als Ko-Investor im Matching mit privaten Investoren hingegen verdient der Bund mittelfristig Geld. Startups als Anlagekategorie rentieren bei genügend Diversifikation mit über 10 Prozent jährlich, verdoppeln das Kapital demnach in etwa sieben Jahren. Entscheidend für die Rendite sind übrigens zu 70 Prozent die besten 10 Prozent der Startups, lehren die Statistiken der VC-Fonds.
Der Bund bzw. die Nationalbank haben in früheren Krisen auch schon in die Rettung der nationalen Fluggesellschaft und der grössten systemrelevanten Bank investiert. Ersteres resultierte in einem Abschreiber von 1,5 Milliarden Franken, zweiteres brachte mittelfristig immerhin Gewinn.
«Jetzt ist wieder die Fluginfrastruktur mit Flughäfen, Swiss, Easyjet und Skyguide zuerst auf der politischen Agenda, von denen 170'000 Jobs abhängen sollen. Obwohl mit der Milliarde für den Job- und Innovationsmotor Startups sich die Mehrheit der neuen Jobs der nächsten 20 Jahre sichern lässt und das auch noch gewinnbringend», betont Nicolas Berg.