Neo-Banken

CSX nach einem Jahr – sind 100'000 Kunden viel oder wenig?

Smartphone-Ansicht der Banking-App CSX von der Credit Suiss
Bild: Credit Suisse

Die Antwort der Credit Suisse auf die Challenger- und Neo-Banken ist mit CSX seit gut einem Jahr im Markt – wie steht die App im Vergleich zu ihren Konkurrenten da?

Die digitale Banking App CSX der Credit Suisse will selbst keine Neo-Bank sein, weil sie ebendiese als Feindbild auf der Spielwiese identifiziert hat. Zum Start von CSX hat Anke Bridge Haux, Leiterin Digital Banking bei Credit Suisse, den Challengers und Neos einen neuen Platz zugewiesen und auch gleich die eigene Positionierung klar gemacht:

Schluss mit Apps, die Banken spielen, wir bringen als renommierte Bank ein Angebot, das sich anfühlt wie eine App

Seit Oktober 2020 ist also eine weitere "richtige Bank" mit im Spiel der Neo-Banken. Eine allerdings, die weder Bank noch Neo-Bank spielen mag, sondern den Anspruch hat, in einer App alles zu vereinen und damit "das Beste aus zwei Welten" zu verbinden. Nach aktueller Lesart von CSX funktioniert das so: "Die App kombiniert die Einfachheit und Flexibilität von Neo-Banken mit der Kompetenz und dem Leistungsangebot einer in der Schweiz verankerten, global tätigen Grossbank".

Hat CSX die Challenger- und Neo-Banken schon von der Spielwiese gefegt?

Natürlich nicht, das war auch kaum das Ziel, zumal ein kurzes Jahr fegen nicht reicht, um die Karten völig neu zu mischen. Neon, Yapeal, Zak, N26 und Revolut sind alle noch da, mit der Flow Bank und Yuh sind zwei weitere Player dazugestossen, die beide nicht zu unterschätzen sind.

Mit dem von der Credit Suisse gewählten hybriden Modell geht's primär darum, Marktanteile nicht an Neo-Banken zu verlieren und primär jüngeren Kundengruppen eine Alternative zu bieten, die sich eben nicht wie eine traditionelle Bank anfühlt. Das dürfte gelungen sein. 

CSX ist vor einem Jahr in Basisfunktionen, Look und Komfort solide gestartet und hat das Jahr genutzt, um weitere Leistungen und Funktionen in die App zu integrieren. Aktuell sind Bereiche wie Investieren, Sparen, Finanzplanung, Vorsorge, Hypotheken (nur Verlängerung der Hypo) mehr oder weniger ausgebaut mit an Bord. Damit grenzt sich CSX von anderen Neo-Banken nicht unbedingt ab, die bieten teilweise ähnliche Leistungen. CSX hat jedoch in der Weiterentwicklung und mit der Aufschaltung neuer Features ein beachtliches Tempo an den Tag gelegt.

Ein Punkt geht zudem klar an CSX: Kundinnen und Kunden können direkt über die App einen Privatkredit beantragen, der Antrag wird innerhalb von 24 Stunden bewilligt oder abgelehnt. Mit diesem Zusatzangebot steht die CSX in der Neo-Banken-Landschaft vorläufig konkurrenzlos da.

In der Pipeline für die kommenden Monate stehen nach Aussagen der Credit Suisse zusätzliche Funktionen und Lösungen in den Bereichen Konto- und Kreditkartenangebote, Mietzinskautionen sowie eine umfassende Plattform für den Erwerb und die Veräusserung von Liegenschaften (!).

Wie steht CSX in Zahlen und Fakten im Markt?

Hatte die Credit Suisse in der Vergangenheit die Zahl der Nutzerinnen und Nutzer von CSX jeweils mit "im fünfstelligen Bereich" angegeben, hat die App zum Ende des ersten Jahres offenbar die sechste Stelle geknackt. CSX meldet über 100'000 Kundinnen und Kunden. Mit dem CSX-Offering würde die Bank die gewünschte digital affine, jüngere Zielgruppe sehr gut erreichen, so Credit Suisse, die Hälfte der Kunden soll jünger als 34 Jahre alt sein.

Mit angegebenen Bareinlagen von insgesamt 1 Milliarde Franken ist jeder Kunde mit durchschnittlich 10'000 Franken in der App unterwegs. Der gemeldete Durchschnitt von rund einer Transaktion pro Tag würde bedeuten, dass Kundinnen und Kunden mit etwa 30 Transaktionen pro Monat eher aktiv in der App zugange sind. Die Credit Suisse verweist darauf, dass rund die Hälfte der Kunden CSX als Salärkonto und als primäre Bankverbindung nutzen würden.

100'000 Kunden – Neukunden-Gewinnung oder Migrations-Effekte?

In diesem Punkt lässt sich die Credit Suisse nicht in die Karten schauen. So sollen nach aktuellen Medienberichten im grösseren oder kleineren Stil zum Beispiel "Basic Banking"-Kunden aktiv aus dem eigenen Hause zu CSX-Nutzern migriert worden sein. Das ist allerdings weder überraschend noch verkehrt, Zak mit der Bank Cler im Hintergrund und Yuh als Tochter von Postfinance und Swissquote nutzen ähnliche Schienen. 

Wenn's passt, dann passt's – und mit zum cleveren Teil des Marketings gehört, absprungwilligen, bankmüden oder auch gebührentraumatisierten Kunden eine Alternative und eine neue Heimat in der App anzubieten. So bleiben die Kunden unter dem gleichen Dach und werden nicht passiv und kampflos der Konkurrenz überlassen. 

Deshalb bleibt die 100'000 eine starke Zahl – eine allerdings, die in der Neukundengewinnung nicht direkt vergleichbar ist mit anderen Neo-Banken ohne starke Mutter im Rücken. In absoluten Zahlen hingegen schon.

Die aktuelle Zahlen-Parade der Neo- und Challenger-Banken in der Schweiz

Eine kleines Land wie die Schweiz verfügt inzwischen über eine erstaunliche Dichte von einheimischen Neo-Banken. Dazu kommen ausländische Challenger-Banken, die heute in unterschiedlicher Stärke mitmischen.

Zak, die Wegbereiterin aus dem Hause Cler

Markteintritt: März 2018

Aktive Kunden Februar 2021: über 40'000 (heute wahrscheinlich um die 45'000)

Zak darf sich den Pokal der "ersten Smartphone-Bank der Schweiz" ins Regal stellen. Die Neo-Bank der Bank Cler scheint als Startup gewisse Freiheiten zu geniessen, die koordiniert mit dem Mutterhaus ausgespielt werden. Zak wächst nicht berauschend, aber solide und kontinuierlich.

Neon, die komfortabel Finanzierte mit hoher Sichtbarkeit im Markt

Markteintritt: März 2019

Aktive Kunden Dezember 2021: über 80'000

Die sehr gut finanzierte Neo-Bank ist deshalb gut sichtbar im Markt, weil sie verschiedene Marketing-Kanäle intensiv bespielt und ihre Community stark einbezieht und als Multiplikatoren nutzt. Neon wird nach eigenen Aussagen bald die Marke von 100'000 Kunden knacken.

Yapeal, die Mehrspurige mit brisantem Überraschungs-Potenzial

Markteintritt: Juli 2020

Aktive Kunden März 2021: rund 6'000 Kunden, nach eigenen Aussagen "mit Hochdruck" unterwegs zur ersten fünfstelligen Zahl (10'000)

Bei Yapeal steht nicht unbedingt die direkte Neukundengewinnung im Vordergrund, Kunden werden auch indirekt generiert, weil die Neo-Bank in Kooperation mit Abacus stark im B2B-Bereich engagiert ist. In dieser Kooperation liegen brisante Potenziale, welche ein FinTech und eine Neo-Bank mit vereinten Kräften in Arbeit haben.

CSX, die digitale Tochter als neues Spielfeld für die Kunden der Mutter

Markteintritt: Oktober 2020

Aktive Kunden Dezember 2021: über 100'000

Die Neo-Bank der Credit Suisse gehört zu den FinTechs, die sich über ihre Finanzierung und über Rentabilität erstmal keine Sorgen machen müssen. CSX profitiert von den Möglichkeiten der starken Mutter – und umgekehrt. Die App kann absprungwilligen Kunden der Credit Suisse eine neue Heimat bieten.

Flow Bank, die vermeintlich Sanfte als Invest-Wolf im Schafspelz

Markteintritt: November 2020

Aktive Kunden: erste Zahlen werden Ende 2021 erwartet

Das Genfer Startup mit Banklizenz bietet alles, was eine Bank ausmacht, setzt jedoch den klaren Schwerpunkt auf Anlagen und Investments – mit einem extrem breiten Angebot. Die Neo-Bank und der Neo-Broker haben kürzlich ein Büro in Zürich eröffnet und den Löwenplatz zum neuen Paradeplatz erklärt. 

Yuh, die Frische mit neuen Akzenten und Yuhuu-Potenzial

Markteintritt: Mai 2021

Aktive Kunden November 2021: über 33'000

Hinter der Neo-Bank stehen zwei Banken mit völlig unterschiedlicher Ausrichtung, Swissquote und Postfinance. Das FinTech mit Startup-DNA bietet auch Aktien- und Kryptoanlagen und baut seine Angebote laufend aus. Die Hälfte der aktuellen Kunden stammt aus den Kundenbeständen der Mutterbanken, die andere Hälfte ist frei zugewandert.

Revolut, die Aggressive mit dem Caterpillar

Markteintritt Schweiz: 2017

Aktive Kunden Sommer 2020: 350'000, die Zahl müsste heute deutlich höher liegen

Das britische FinTech mit dem griffigen Namen ist weltweit seit sechs Jahren in den Märkten aktiv und Revolut ist die Challenger-Bank unter den Neos. Aggressiv in der Strategie, forsch in Expansion und Wachstum. 350'000 der weltweit 15,5 Millionen Kunden leben in der Schweiz, eingesammelt vom FinTech mit dem Caterpillar ohne besondere Marketinganstrengungen.

N26, die (noch) Unentschlossene

Markteintritt Schweiz: September 2019

Aktive Kunden März 2021: "im gut fünfstelligen Bereich"

Die deutsche Neo-Bank N26 beschränkt sich seit ihrem Start in der Schweiz auf Euro-Konten. Die meisten Schweizerinnen und Schweizer dürften Apps vorziehen, die ihre Hauswährung unterstützen, deshalb ist das Angebot von N26 für einen eher kleinen Kreis von Kunden interessant. Ob und wann die Neo-Bank mehr will, ist unbekannt.

Wie viel Neos verträgt die Schweiz?

Trotz der aktuellen Dichte, die genannten Neos und Challengers werden nicht unter sich bleiben. Anbieter mit unterschiedlichen Ausprägungen dürften über kurz oder lang ebenfalls in der Schweiz spürbar werden. Zum Beispiel Wise, Vivid, Klarna, Neo-Broker wie Trade Republic oder Bitpanda.

Mittelfristig könnten sich auch die Leistungen von Banking-as-a-Service-Anbietern auswirken, die zahlreiche neue Spielformen und auch Mitbewerber in den Bereichen Embedded Finance möglich machen.