Analyse

Überraschend: UBS wird Investorin der Neo-Bank Radicant

Kristian Kabashi & Anton Stadelmann von der Neo-Bank Radicant
Kristian Kabashi, Gründer und Ex-CEO von Numarics & Anton Stadelmann, CEO von Radicant (Bild: ZVG)

Die Grossbank UBS investiert allerdings nicht direkt, die Beteiligung an Radicant kommt durch die Fusion mit dem FinTech Numarics zustande.

Im Juli 2023 hat sich die Grossbank UBS – zusammen mit weiteren Investoren – in einer 10-Millionen-Franken-Finanzierungsrunde am FinTech Numarics beteiligt.

Nun sollen die Neo-Bank Radicant und das FinTech Numarics zu einem neuen Unternehmen fusioniert werden. Das haben die Aktionäre von Numarics und Radicant beschlossen. Das Fusionsprodukt behält den Namen Radicant und der Sitz des Unternehmens wird nicht mehr Zürich sein, die bisherige Adresse von Radicant und von Numarics, die neue Radicant soll in Liestal domiziliert werden.

Faktisch ist das eine Übernahme. Die Neo-Bank Radicant ist eine hundertprozentige Tochter der Basellandschaftlichen Kantonalbank (BLKB). Und die BLKB wird auch die Mehrheit an der neuen Radicant mit integrierter Numarics behalten. Durch diese Übernahme wird neu auch die UBS Anteilseignerin von Radicant und holt sich eine Neo-Bank ins Haus.

Neben der UBS sind auch die Venture-Capital-Firmen Founderful, FiveT, SeedX sowie Davidson Capital als bisherige Investoren von Numarics an der neuen Radicant beteiligt. Die genauen Beteiligungsverhältnisse sind nicht kommuniziert worden.

Entsprechende Verträge sind bereits unterzeichnet, die Fusion soll nach Zustimmung der zuständigen Behörden vollzogen werden.

Welche FinTechs kommen da zusammen?

Radicant ist die hochfinanzierte Tochter der BLKB – eine Schweizer Neo-Bank mit wechselvoller Geschichte. Nach langer Vorlaufzeit sowie politischen Zänkereien und personellen Unruhen mit Sesselwechseln ist Radicant im August 2023 im Markt gestartet. Mit eigener Banklizenz, als "erste digitale Nachhaltigkeitsbank der Schweiz".

Mit dieser Positionierung kam die Neo-Bank aufgrund zu kleiner Kundengruppen mit Nachhaltigkeits-Interessen nicht auf den erhofften grünen Zweig. Im November 2023 hat Anton Stadelmann auf dem heissen CEO-Stuhl von Radicant Platz genommen. Stadelmann hat der Neo-Bank eine völlig neue Strategie verpasst. Heute ist Radicant nicht mehr als grüne Bank unterwegs, sondern als viel breiter positionierte Neo-Bank mit einer sehr aggressiven Preisstrategie. Nachhaltigkeits-Aspekte spielen heute eine untergeordnete Rolle, die sind in den Hintergrund gerückt worden.

Numarics hat sein Produkt im September 2021 lanciert. Eine All-in-One-Lösung für Finanzen, Buchhaltung und Treuhand, die KMU helfen soll, ihre Geschäfte effizient zu führen und schneller zu skalieren. Die Plattform kombiniert KI, maschinelles Lernen sowie die Expertise von zertifizierten Wirtschaftsprüfern und Unternehmensberatern. Die App soll die Verwendung unterschiedlicher Software für Buchhaltung, Rechnungsstellung, Dokumenten-Management und Liquiditätsplanung überflüssig machen. Das soll KMU Kosten einsparen, weil sie ohne externe Berater auskommen. 

Das FinTech ist von Kristian Kabashi und Dominique Rey gegründet worden und hat zuletzt 160 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an neun Standorten in der Schweiz gemeldet.

Welche Idee steckt hinter der Fusion?

Die BLKB und Radicant versprechen sich durch die Fusion die Schaffung eines umfassenden Angebots, welches die nahtlose Integration von Finanzdienstleistungen und digitalen Lösungen in den Alltag von Privatpersonen und KMU ermöglichen soll.

Etwas konkreter: Durch den Zusammenschluss soll eine integrierte Banking- und Administrations-Plattform für Private und Unternehmenskunden entstehen. Bestehende Dienstleistungen und Produkte von Radicant im Bereich Banking, Investment und Vorsorge für Privatkunden sollen durch eine umfassende digitale Administrationslösung von Numarics erweitert werden. Gleichzeitig wird das Administrations- und Treuhand-Angebot von Numarics für Geschäftskunden durch ein digitales Bankkonto ergänzt, wodurch ein durchgängiges Angebot entstehen soll, welches sich vor allem an kleinere und mittlere Unternehmen richtet. 

Radicant-CEO Stadelmann will "Banking noch smarter machen" und fasst zusammen: «Wir machen mit dem geplanten Zusammenschluss den nächsten grossen Schritt hin zu einem ganzheitlichen Finanzangebot».

Numarics-Gründer Kabashi ergänzt aus seiner Sicht: «Mit der Integration von Bankfeatures in unsere Administrationsprozesse werden wir einen wichtigen Schritt in Richtung Automatisierung und vollintegriertes, digitales Ökosystem schaffen».

Können die gewünschten Ziele erreicht werden?

Der bisherige Radicant-CEO, Anton Stadelmann, wird auch CEO der neuen Radicant. Gründer und CEO von Numarics, Kristian Kabashi, wird Chief Operating Officer im fusionierten Unternehmen. Mit zu den erfolgsrelevanten Faktoren gehört, wie sich die beiden Alphas in neuer Konstellation und angepasster Aufgabenverteilung vertragen.

Es ist vorgesehen, dass ein sechsköpfiger Verwaltungsrat zu gleichen Teilen von Radicant und Numarics bestimmt wird. Marco Primavesi, aktuell Verwaltungsratspräsident von Radicant und Mitglied des BLKB-Bankrats, soll die Position des Verwaltungsratspräsidenten des neuen Unternehmens besetzen. Auch hier steht im Zentrum, ob die Verwaltungsräte aus zwei Fraktionen ihr Heu auf die gleiche Bühne bekommen und strategisch am selben Strick ziehen wollen und können. 

Numarics hat aktuell etwas mehr als 3'500 Kunden, Radicant weist 6'500 Kunden aus. Die auf beiden Seiten noch kleine Kundenbasis kann nicht der Grund für die Fusion sein. Ob die Buchhaltungs- und Treuhandservices mit digitalen Finanzdienstleistungen zum Turbo für die Neo-Bank werden können, wird sich zeigen.

Radicant beschäftigt rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Numarics hat sich nach aktuellen Aussagen von 160 auf 80 Personen verkleinert. Mit dem Zusammenschluss der beiden FinTechs wird die neue Radicant nicht zum Grossunternehmen. Bei einer Belegschaftsgrösse von 240 Personen müsste es möglich sein, zwei unterschiedliche Firmenkulturen ohne gewaltige Friktionen unter einen gemeinsamen Unternehmens-Hut zu bekommen.

Entlastung bereits ab dem ersten Tag gibt's für die BLKB, welche sehr viel Kapital – in der Nähe von 100 Millionen Franken – in die "alte" Radicant investiert hat. Bei der neuen Radicant sind weitere Investoren und Aktionäre mit an Bord, welche nun mittragen helfen. Ein Aspekt, welcher auch die streckenweise erhitzten Gemüter in der basellandschaftlichen Politik etwas abkühlen und beruhigen könnte. Radicant und die Mutter BLKB stehen auch von politischer Seite immer wieder in der Kritik.

Die Fusion der beiden Unternehmen mutet auf den ersten Blick etwas exotisch an. Auf den zweiten Blick öffnen sich in der neuen Konstellation möglicherweise tatsächlich neue Chancen. Insbesondere im Bereich von kleineren Firmenkunden.