Als "neue Generation" der digitalen Identität bezeichnen die Macher die SwissID deshalb, weil die Vorgängerin, die SuisseID, bereits seit einigen Jahren besteht. Allerdings hat das Produkt den Durchbruch nie wirklich geschafft, trotz breiter Trägerschaft und massiven Investitionen. Die SuisseID war zu kompliziert, zu teuer, hat nicht alle Systeme unterstützt und konnte in Präsentation und Kommunikation nicht überzeugen. Deshalb ist die erste Generation der digitalen Identität an der Bevölkerung eher spurlos vorbeigezogen.
Insofern ist die SwissID für das breite Publikum wohl die neue, aber dennoch die erste Generation der Digital Identity für die Schweiz. Die meisten potenziellen Anwender haben die Vorgänger-Lösung schlicht nicht wahrgenommen, keiner wusste, dass es sie gibt (gab). Deshalb trifft die neue SwissID auf weitgehend unbeackertes und aufnahmefähiges Terrain. Das ist auch insofern ein Vorteil, als man sich nicht damit aufhalten muss, Start- und Landeprobleme der ersten SuisseID erst wegzureden, die Kommunikation kann auf einem weissen Blatt Papier beginnen.
SwissSign lanciert die SwissID
SwissSign ist das Gemeinschaftsunternehmen von Post und SBB. Das Joint Venture lanciert nun die SwissID, die schweizweite einheitliche digitale Identität.
In einem ersten Schritt wird die SwissID interessierten Unternehmen und Behörden angeboten. Geplant ist, dass die Internetportale von SBB und Post zeitlich gestaffelt mit SwissID ausgerüstet werden. Erste Postportal-Kunden sollen das neue Login über SwissID ab Herbst 2017 nutzen können, SwissPass-Kunden sollen ab 2018 folgen.
Die kritische Masse wäre verführerisch leicht zu erreichen durch das in Aussicht gestellte Vorhaben, Post- und SwissPass-Kunden das Login "nur" noch über SwissID zu ermöglichen – ohne Alternative. Bei diesem Plan lauern jedoch mögliche Fallstricke. Dürfen Kunden nicht wählen, sondern werden gewissermassen zwangsrekrutiert für die neue SwissID, ist mit Widerstand zu rechnen. Von Kunden oder von Konsumentenschutz-Organisationen, möglicherweise auch von Datenschutz-affinen Kreisen. Dadurch könnte ein wichtiges Produkt schon zum Start in eine mediale Diskussion und damit in Schräglage geraten, welche der Idee der nationalen digitalen Identität nicht wirklich gut bekommt. Das wäre schade und auch unnötig. Die Digital Identity überzeugt mit zahlreichen Vorteilen, die klar kommuniziert werden können – und nur freiwillige Teilnehmer generieren Signalwirkung und erzeugen den Sog, den dieses Projekt braucht.
Die SwissID ist modular konzipiert und ist wahlweise für die folgenden Funktionen ausgelegt:
- Modul 1: Einfaches Login
- Modul 2: Persönliche Datenübergabe
- Modul 3: Zwei-Faktor-Authentifizierung
- Modul 4: Geprüfte Identität
- Modul 5: Elektronische Signatur
Die SwissID ist für private Nutzer kostenlos, zusätzliche Geräte (Tokens etc.) sind nicht erforderlich und die Hoheit über die persönlichen Daten bleibt ausschliesslich bei den Anwendern. Neuste Technologie darf vorausgesetzt werden, mit der SwissID öffnen sich viele Türen und das Leben wird einfacher.
Die digitale Identität: Notwendig und überfällig
Mit der digitalen Identität erfüllt sich der von vielen Usern seit Jahren geträumte Traum, über ein einziges sicheres Login auf zahlreiche Online-Dienste zugreifen zu können. Ohne zig Passwörter kennen und nutzen zu müssen. Zudem entfällt die steinzeitliche und mühsame Prozedur, für jede neue Registrierung oder Dienstleistung die immer gleichen persönlichen Angaben erfassen zu müssen. Die digitale Identität kennt ihren Besitzer und liefert die notwendigen Angaben aus, sofern der Nutzer das wünscht.
Und die SwissID soll noch mehr können: vereinfachte Kommunikation mit Behörden, signieren, elektronisch abstimmen, und, und, und. Die Möglichkeiten der Digital Identity sind tatsächlich sehr weitreichend. Und je mehr die SwissID kann, umso leichter wird sich die Schweizer Bevölkerung überzeugen lassen, die digitale Identität zu nutzen. Nichts motiviert so sehr wie Komfort, Vereinfachung und nicht mehr vorhandene Hürden, die täglich nerven.
Wer sich dafür interessiert, was eine wirklich durchdachte, mit Behörden und Dienstleistern abgestimmte Digital Identity alles kann: Estland hat dem Rest von Europa vorgemacht, wie Digitalisierung konzipiert werden soll, Staat und Bevölkerung integriert und Anwender durch tolle Serviceleistungen überzeugt werden können. Hintergrund-Story | Estland: Digitalisierung als Geschäftsmodell
Die Marke SuisseID geht an SwissSign AG
Das SECO hat die Markenrechte SuissID an die SwissSign AG übertragen. Alle bisherigen Akteure der Trägerschaft SuisseID haben der Übertragung zugestimmt. Die bestehende und bisherige Lösung SuisseID steht weiterhin zur Verfügung, soll jedoch mittelfristig in der neuen SwissID aufgehen. Damit ist sichergestellt, dass nicht zwei Parallelprodukte mit ähnlicher Marke die Nation verwirren.
Markus Naef, CEO SwissSign, zum Thema:
«SwissID ist die Basis für die Digitalisierung der Schweiz. Mit SwissID schaffen wir eine längst überfällige Dienstleistung für alle Bürgerinnen und Bürger, den Bund und die Unternehmen. Mit der SBB und der Post im Rücken haben wir genügend Kraft, um das Angebot erfolgreich zu etablieren.»
Stimmt. Möglicherweise würde jedoch die Kraft von fünf Grossunternehmen im Rücken entscheidende Unterschiede schaffen und der schweizerischen digitalen Identität schneller zum Durchbruch verhelfen.
Und wie weiter?
Jetzt gibt's also die SwissID von der Post und den SBB. Parallel dazu arbeiten die beiden Grossbanken Credit Suisse und UBS gemeinsam mit Swisscom an einer Lösung. Beide Gruppen sind nach eigenen Aussagen im Gespräch, um die Möglichkeiten eines gemeinsamen Vorgehens auszuloten. Mögen die Erfahrungen der Vergangenheit (Paymit und Twint) sowie die Herausforderungen der Zukunft und die Erwartungen der Nutzergruppen die Verantwortlichen auf beiden Seiten einsichtig und kooperativ stimmen.
User dürften sich freuen, wenn sie sich nicht zwischen zwei guten Lösungen mit Vor- und Nachteilen entscheiden müssten – die eine und dafür die beste Lösung wäre prima. Möglicherweise also sinnvoll, die gebündelte Kraft in ein einziges Produkt zu investieren – in die beste, vielseitigste und komfortabelste Lösung, in eine Digital Identity, die Massstäbe setzt. Tut sie das, dann ist der Schweiz gedient und vielleicht ist die Technologie dermassen überragend, dass die Digital ID made in Switzerland und das damit verbundene Know-how sogar als Exportartikel Chancen hat.
Wie sag ich's Herrn und Frau Schweizer?
Das Wie ist sicher entscheidend, das Wer sollte dabei nicht unterschätzt werden. Ziehen fünf Grossunternehmen am selben Strick, dürfte es über Marketing und Kommunikation sehr viel einfacher werden, die vorerst zurückhaltende Schweizer Bevölkerung eher schnell von den klaren Vorteilen der digitalen Identität zu überzeugen. Wichtig auch deshalb, weil das schnelle Erreichen der kritischen Masse die Durchsetzung und den Erfolg der digitalen Identität in der Schweiz massgeblich beeinflussen dürfte. Ein Vor-sich-hin-Dümpeln, wie das bei der SuisseID der Fall war, wäre fatal, weil dann die Wechselwirkung Anbieter-Anwender nicht in Schwung kommt.
Zudem: Fünf Anbieter als Konsortium schaffen das Kunststück, persönliche Befindlichkeiten zu nivellieren oder Bedenken auszuräumen. Medien-Umfragen haben gezeigt, dass beträchtliche Anteile von möglichen Nutzern ihre Digital ID nicht unbedingt bei einer Bank hosten lassen möchten. Oder vielleicht nicht bei ihrem Telko oder nicht bei der Post und nicht bei der Bahn. Solche Bedenken mögen irrational sein, als Hürde sind sie nicht zu unterschätzen. Fünf Unternehmen als Trägerschaft können mit einem klaren Absender arbeiten und wirken als Gruppe dennoch neutral. Auch dieser Aspekt könnte helfen, die Nuss der irrationalen Bedenken zu knacken und mögliche Hindernisse leichter und vor allem schneller zu überspringen.
SwissID: Factsheet mit Details
Video: SwissID im Film
SwissSign: Details zur SwissID
Stichworte zum Thema im Lexikon: Digital Identity | Authentifizierung | E-ID | E-ID-Gesetz