Challenger-Banken

Was kauft sich ein FinTech wie Revolut mit 500 Millionen Dollar?

Illustration mit Mann vor einem Geschäftshaus
Illustration: Revolut

Revolut-Gründer Nikolay Storonsky hat sich zusätzlich eine halbe Milliarde US-Dollar für sein Unternehmen gesichert – was ist als Nächstes zu erwarten?

Über den Deal haben wir bereits Anfang Februar 2020 berichtet, allerdings war der Vollzug damals noch nicht offiziell bestätigt. Das hat CEO und Mitgründer von Revolut, Nikolay Storonsky, diese Woche nachgeholt und auch gleich nächste Schritte und Pläne umrissen.

Die aktuelle Finanzierungsrunde spült der Challenger-Bank den gigantischen Betrag von einer halben Milliarde US-Dollar in die Kasse. Die Series-D-Runde wird von der kalifornischen TCV angeführt, begleitet von bisherigen Investoren. TCV ist in zahlreiche Tech-Unternehmen investiert, welche die Welt verändern, unter anderen Airbnb, Expedia, Facebook, Godaddy, LinkedIn, Netflix, Spotify und weitere.

Die Bewertung von Revolut nach der Finanzierung wird mit 5,5 Milliarden US-Dollar beziffert, eine Verdreifachung seit April 2018. In den letzten Jahren hat die Challenger-Bank insgesamt 836 Millionen US-Dollar eingesammelt.

Was Investoren und Politiker sagen

John Doran, General Partner bei TCV, ist überzeugt, dass Revolut auf dem Weg ist, "eines der der grössten Finanzdienstleistungs-Unternehmen der Welt zu werden" – er kommentiert die Investition mit folgenden Worten:

Mit einem modernen Technologie-Stack und dem unermüdlichen Fokus, Kunden zu begeistern, hat Revolut ein wirklich aussergewöhnliches Kundenerlebnis geschaffen, das alles übertrifft, was bestehende Banken bieten können

Der britische Abgeordnete und Parlamentarier John Glen nutzt die Gelegenheit für einen "Nach-Brexit-Spot", nimmt die Rekord-Risikokapital-Investition als Beweis dafür, dass der britische FinTech-Sektor weiterhin floriert und unterstreicht:

Ein klarer Indikator für unsere Stärke als Platz für das FinTech-Geschäft beim Verlassen der EU

Wofür will Revolut das frische Kapital einsetzen?

Mit 2'000 Mitarbeitern in 23 Büros weltweit bedient die Challenger-Bank nach eigenen Angaben heute über 10 Millionen Kunden. Allerdings nicht alle auf dieselbe Weise. Neben den Basis-, Premium- und Geschäftskonten stehen Kunden, je nach Region und Land, eine Vielzahl von Zusatzleistungen zur Verfügung, wie zum Beispiel provisionsfreier Aktienhandel, Kryptowährungen, Versicherungspakete, Sparprodukte und mehr.

Eigene Banklizenz im Vordergrund
Damit sämtliche Kunden in allen Märkten das volle Angebot nutzen können, stellt Revolut die Banklizenz in den Vordergrund. Oder genauer: die Lizenzen. Das FinTech plant, "überall auf der Welt eine eigene Banklizenz zu haben".

Ob "überall auf der Welt" auch die Schweiz mit einbezieht, bleibt offen, ist jedoch denkbar. Zumal Revolut in der Schweiz bereits Mitte Oktober 2019 die Zahl der Schweizer Kunden mit 250'000 angegeben hatte – generiert ohne wirkliche Präsenz und ohne aufwendige Marketingmassnahmen. Die Kunden strömen Revolut gewissermassen uneingeladen zu, die Empfehlung von Freunden und Bekannten scheint zu genügen, um die Schleusen zu öffnen.

Nach Angaben des FinTechs "gehöre die Schweiz zu den am schnellsten wachsenden Märkten von Revolut in Europa". Gut möglich, dass das schnelle Wachstum mit den vollen Revolut-Leistungen zusätzlich forciert werden soll.

So oder so fährt Revolut mit der Strategie der eigenen Banklizenz "überall auf der Welt" im Kern die Gegenthese zu N26. Das Unternehmen wird sich, sehr zum Ärger seiner über 200'000 Kunden, demnächst aus Grossbritannien zurückziehen und alle Konten schliessen. Die Kosten für eine Banklizenz scheinen sich im dicht besiedelten Markt, den mehrere Challenger-Banken bewirtschaften, für N26 nicht zu rechnen.

Kredite für Private und für Unternehmen
Banklizenzen sind auch für den nächsten Service wichtig: Revolut will Kreditdienstleistungen für Private und für Geschäftskunden anbieten. Mit diesem Service öffnet die Challenger-Bank eine weitere Sparte, welche für das FinTech Erträge bringen wird und für Kunden die App zusätzlich attraktiv macht. Umso mehr, als man davon ausgehen kann, dass Revolut eine schnelle und unbürokratische Online-Abwicklung forcieren wird.

Open Banking
Kürzlich hat Revolut Open Banking für britische Kunden geöffnet. Open Banking als Strategie dürfte in Zukunft zum zentralen Verstärker für weitere Märkte werden, um die App durch smarte Leistungen innerhalb eines schnell wachsenden Ökosystems attraktiver zu machen. 

Aktuell hat Revolut mit einem Startup von digitalen Anwälten in Grossbritannien einen neuen Service lanciert. Geschäftskunden können eine Plattform mit Rechtsdienstleitungen nutzen und auf eine Vielzahl von anpassbaren Verträgen, Dokumenten und Informationen zugreifen. Die juristischen Services, Rat und Tat inklusive, stehen zwischen kostenlos und kostengünstig zur Verfügung. Für die Qualität und die Bandbreite der Leistungen stehen die Juristen von Sparqa Legal.

Eine Finanz-App, die "als Beilage" zielgruppenspezifische Services anbietet, welche Alltagsprobleme schnell und einfach lösen, kann ihren Wert markant erhöhen.

Geografische Expansion
Bis anhin noch weisse Flecken auf der Europa-Landkarte sollen mit den Revolut-Farben gefüllt werden. In Singapur und in Australien ist das FinTech bereits präsent. Der längst angekündigte Start in den USA steht 2020 auf dem Progamm, ebenfalls die Lancierung der Angebote in Japan. Weitere Destinationen bleiben weiterhin auf dem Radar, sind aber noch nicht konkret kommuniziert worden.

Bestehende Märkte stärken und Leistungen harmonisieren
Ganz oben auf der Liste der Massnahmen steht die Pflege und die Festigung der bereits bestehenden Märkte. Einerseits sollen, wie bereits angeführt, zusätzliche und bisher noch nicht nutzbare Leistungen für weitere Märkte geöffnet werden. Auf der anderen Seite soll  das Angebot mit neuen Leistungen und Services ausgebaut werden. 

Das Kundenerlebnis verbessern
Dieser ziemlich schwammige Planungspunkt kann auf alles zielen, was schon genannt worden ist. Er kann auch andeuten, dass die App selbst in Look und Handling optimiert werden soll.

Wie auch immer, wird das Kundenerlebnis verbessert, kann das sämtliche Nutzer freuen, sofern die Verbesserung sich in sichtbaren oder eben erlebbaren Leistungen ausdrückt.

Fokus Rentabilität
Mit im Fokus steht die Rentabilität, so Storonsky, was sich vor allem auch in der Pflege und im Forcieren der gebührenpflichen Konten (Premium, Metal und Geschäftskonten) niederschlagen dürfte. Das sind bereits heute die hauptsächlichen Generatoren von Erträgen, welche mit explosiv steigenden Nutzerzahlen zu tragenden Säulen der Rentabilität werden können.

Diesen Fokus werden die Investoren nicht nur begrüssen, sie werden ihn auch einfordern. Die Wachstumszahlen von Revolut sind wohl mehr als bemerkenswert, dieses Wachstum wird jedoch ermöglicht und finanziert durch die Investoren. Deshalb gehört Skalieren mit sichtbaren Effekten mit zum Deal.

Immerhin ist Revolut inzwischen mit 836 Millionen Dollar finanziert und die aktuell kommunizierte Unternehmensbewertung von 5,5 Milliarden Dollar verpflichtet. Das solide Fundament dazu muss aus stark wachsenden Erträgen in der Gegenwart gebaut werden – allein mit Hoffnungen, delegiert an die ferne Zukunft, lässt sich diese stolze Bewertung nicht rechtfertigen.