Annanow ist das Startup, das seit 2017 die letzte Liefermeile kultiviert und bestellte Ware innerhalb von 10 bis 60 Minuten an der Haustüre abliefert. Möglich wird das durch eine intelligente App, die über eine Crowd-basierte Lieferkette Sofortlieferungen garantiert – Bezahlung und Versicherung inklusive.
Oh Tannenbaum...
Das Startup agiert saisonal und nimmt Weihnachtsbaum-Käufern die Last oder eben die Tanne von den Schultern und verspricht "Weihnachten ohne Stress". Passt der ausgewählte und zu gross geratene Weihnachtsbaum nicht in den Kleinwagen oder ist jemand allergisch auf Tannennadeln im Kragen – das FinTech übernimmt.
Wer beim Schweizer Baumarkt Jumbo einen Weihnachtsbaum bestellt oder in der Filiale aussucht, erhält diesen auf Wunsch innerhalb von 10 bis 60 Minuten nach Hause geliefert. Daniel Gradenegger, Gründer des FinTech Startups Annanow verspricht:
Der Weihnachtsbaum ist bereits bei Ihnen zu Hause, bevor Sie Ihren Glühwein ausgetrunken haben
So oder so eine clevere Idee, die ganzjährigen Serviceleistungen von Annanow saisonal aktualisiert in der Weihnachtszeit in Kooperation mit einem grossen Partner zu kommunizieren – aufgehängt am Weihnachtsbaum.
Wie arbeitet Annanow?
Annanow stellt bei jeder Bestellung die geographische Verfügbarkeit von Produkten fest und ermöglicht über die Crowd-Lieferkette eine lokale Lieferung, indem bereits vor Ort verfügbare Verkehrsteilnehmer, wie Taxis, Kuriere und Private aktiviert werden. Wer "am nächsten" steht und Kapazität hat übernimmt den Job. In maximal 60 Minuten wird das Produkt geliefert.
Gradenegger ist überzeugt:
Wer in Zukunft nicht innerhalb von 60 Minuten liefern kann, verliert – das gilt ganz besonders auch an Weihnachten
Das FinTech-Unternehmen verfügt bereits heute über das grösste cloudbasierte Netz und Logistik-Ökosystem der Schweiz. Mit über 5‘000 Shops sowie rund 100‘000 Taxis und Kurieren stellt Annanow Tempo auf der letzten Meile und Sofortlieferungen sicher – die gesamte Abwicklung funktioniert über eine intelligente App.
Warum sind die Kleinen kreativer als die Grossen?
Die Migros hat kürzlich ihre Social-Shopping-Plattform Amigos eingestellt, obschon die Idee der Nachbarschaftshilfe nach Aussagen des Detailhandels-Riesen eingeschlagen und im Testbetrieb seit April 2018 zahlreiche Freunde gefunden hat:
Besteller konnten auf der Amigos-Website ihre Einkaufsliste posten, ein Bringer nahm die Bestellung über die Amigos-App an, erledigte den Einkauf in der Migros und brachte die bestellten Produkte dem Besteller nach Hause. Der Bringer hat knapp 8 Franken (für einen Einkaufssack, 2 Franken für jeden weiteren) für seinen Nachbarschaftsdienst erhalten. Im Vordergrund dieses "Peer to Peer"-Konzepts stand der soziale Gedanke der Nachbarschaftshilfe.
Die Begründung der Migros, warum die Plattform nicht weitergeführt wird:
"Während des Pilotprojektes konnten wir sehr viele Erfahrungen sammeln. Anfang 2019 packten wir die angestrebten Weiterentwicklungen an. Leider mussten wir schlussendlich feststellen, dass sich Amigos nach den Weiterentwicklungen von dem Prinzip des sozialen Nachbarschaftsgedankens entfernt hätte. Es wäre eine gewöhnliche Shoppingplattform mit Lieferdienst geworden. Das war nie unser Ziel.
Somit haben wir uns schweren Herzens entschieden, nach Beendigung des Testbetriebs, auf eine definitive Einführung von Amigos zu verzichten."
Eine Genossenschaft in der Grösse einer Migros, die dazu auch noch "den Leuten" und ihren eigenen Kunden gehört, verfügt nun wirklich über alle Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass die grossartige Idee der Nachbarschaftshilfe und damit der Plattform Amigos in Struktur und Ausrichtung nicht zu einer "gewöhnlichen Shoppingplattform mit Lieferdienst" mutiert. Wenn nicht die Genossenschaft Migros, wer dann?
Der Vorwurf "Uber des Detailhandels" giftelt an Ziel und Absicht vorbei
Mit eine Rolle dürften die Vorwürfe der Gewerkschaft Unia gespielt haben, welche eine zu tiefe Entlöhnung reklamierte und die Frage aufwarf, ob die Bringer, die ihr Taschengeld aufbessern, nun Selbstständige oder Angestellte der Migros wären. Gewerkschaften generell kritisierten die Einkaufs-App scharf und kreierten für das Social Shopping der Migros den Begriff "Uber des Detailhandels".
Mit diesen kämpferischen Vorwürfen haben die Gewerkschaften gezeigt, dass sie weder die Idee der Nachbarschaftshilfe begriffen haben noch halbwegs sensibel unterscheiden können, wann der Ruf nach Mindestlohn gerechtfertigt ist und wann eben eher nicht. Im berechtigten Fall schafft die Forderung Lohngerechtigkeit, in anderen Fällen würgt sie grossartige Ideen ab, die nicht primär kommerziellen Zielen verpflichtet sind.
Diese Fragen nahmen im Verlauf der Diskussionen tatsächlich Uber-Dimensionen an. Dass solche Punkte rechtlich geklärt gehören, steht ausser Frage. Aufgrund auftauchender Probleme jedoch eine wirklich gute Idee gleich zu kippen, die verschiedenen Gruppen offensichtlich einen hohen Nutzen bringt, ist mehr als nur schade. Zumal Besteller und Bringer, nach Aussagen der Migros, in den Testmärkten Bern und Zürich in grosser Zahl eingestiegen sind und den Service genutzt und unterstützt haben.
Was die Migros überfordert hat, scheint für Annanow lösbar
Das FinTech Annanow verfolgt kommerzielle Ziele und ist deshalb mit Amigos von der Migros nicht direkt vergleichbar. Allerdings: auch für Annanow sind Taxifahrer, Kuriere und Private unterwegs, die nicht als Angestellte auf der Lohnliste des Startups stehen. Das Startup versichert jedoch nicht nur zugestellte Pakete, auch die Zusteller selbst sind sozial- und unfallversichert.
Was für ein kleines Startup lösbar ist, sollte einen Riesen wie die Migros nicht gleich zur Kapitulation bewegen. Annanow legt mit Blick auf ihre Zusteller aus der Crowd Wert auf die Feststellung:
Sämtliche Kuriere sind sozialversichert und das lokale Gewerbe sowie Arbeitsplätze werden gesichert
Mit anderen Worten: Es scheint Wege zu geben, die Uber-Probleme zu lösen. Für die Migros wäre es mit etwas Kreativität sicher auch möglich gewesen, die beiden Pole Nachbarschaftshilfe über Social Shopping und kommerziellen Touch unter einen Hut zu bringen. Zumal die einen dabei ihr Taschengeld aufbessern konnten und die anderen profitiert haben von einem willkommenen Service, der sie selbst in ihrem Alltag möglicherweise vor Probleme stellt.