Günther Dobrauz, wer bist du, was machst du und wo tust du das?
Ich bin Partner bei PwC in Zürich und darf mit grosser Freude PwC Legal für die Schweiz leiten. Daneben bin ich auch als Teil des Global Legal Leadership Teams für unsere globalen LegalTech-Initiativen verantwortlich. Innovation und Technologie sind seit jeher meine Passion, ebenso als Teil eines multidisziplinären Teams und gemeinsam mit unseren Kunden Lösungen für und Antworten auf wichtige und oft knifflige Fragen zu finden.
Das World Web Forum stellt die Frage "Master or Servant?" – inspirirende Provokation oder These mit Realitätsbezug?
Beides. Und gerade wegen der zunehmenden Relevanz des Themas ist es wichtig und richtig solche kritischen Fragen zu stellen. Ich denke, dass wir in der Tat aktuell am Scheideweg stehen. Jetzt gilt es zu entscheiden, wie wir Technologie in Zukunft einsetzen. Ich will damit kein Skynet vs. Star Trek-Szenario, also Dystopie vs. Utopie beschwören, das wäre zu weit gegriffen, aber es geht darum, Grundsatzentscheide zu treffen.
Wollen wir die Menschen zum Beispiel dem unkontrollierten Suchtpotenzial von Social Media aussetzen – oder wie bei anderen Suchtmitteln Grenzen ziehen? Sollen wir bei der rasant fortschreitenden Entwicklung die Implementierung von KI moralisch-ethische Standards verpflichtend verlangen – und wenn ja, welche? Wenn Daten zunehmend an Wert gewinnen, wie schützen wir das Eigentum daran und die Kontrolle darüber?
Politische und gesellschaftliche Veränderung, vor allem auch die Technologie führen zu Verschiebungen. Wer wird verlieren, wer wird gewinnen?
Ich hatte das Glück als Xennial und somit als Teil einer glücklichen Mikrogeneration aufzuwachsen. Frei von den neuen Oppressionen des Internets und voll der Begeisterung für seine expandierenden Möglichkeiten. Für eine gewisse Zeit habe ich tatsächlich geglaubt, dass es uns zu besseren Menschen machen würde, dass wir alle näher zusammenrücken würden, gleichen Zugang zu Informationen erhalten und somit geografische, soziale und politische Grenzen nachhaltig überwinden und eine gerechtere, globale Gesellschaft aufbauen können. Ich hatte halt noch kein Google oder Wikipedia und konnte es daher wohl nicht besser wissen (lacht).
Im Ernst, ich habe das wirklich geglaubt. Was wir effektiv geschafft haben, ist zu einer bequemeren Gesellschaft zu werden. Ich kann praktisch alles auf der ganzen Welt mit einem Mausklick erwerben und jederzeit mit jedem kommunizieren. Ich muss vor einer Reise keine Karte studieren, denn ich habe ja Google Maps in der Tasche, und wo ich früher für ein Treffen den Ort und die Zeit genau bestimmen musste, kann ich mich heute lediglich vage – "am Abend in der Stadt" – verabreden und dann kurzfristig über mobile Kommunikation zueinander finden.
Was wir aber auch geschafft haben, ist mehr Macht über die Menschen als jemals zuvor in der Hand weniger zu konzentrieren. Langsam beginnen wir die Konsequenzen daraus zu erkennen. Tweets, die politische Verwerfungen auslösen können, Algorithmen, die unsere demokratischen Mechanismen manipulieren. Exponentielle Technologien führen uns ins nächste Maschinenzeitalter und werden schon bald viele Jobs vernichten. Deutsche Post-Chef Appel hat jüngst eindringlich formuliert, dass es, wenn man jung ist, unabhängig davon, welchen Beruf man sich aussucht, es keine Garantie gibt, dass er in 10 bis 15 Jahren noch existiert.
Wenn wir uns erinnern, zu welchen sozialen Verwerfungen das letzte Maschinenzeitalter geführt hat und wie lange es gedauert hat, die Menschen wenigstens in der westlichen Welt wieder aus den Fabrik-Slums zu befreien und lebenswerte und gerechte Umstände zu bieten, haben wir eine ethische Verantwortung, jetzt die Grundlagen zu schaffen, dass jene, welche absehbar ihre Jobs verlieren werden, sich Kenntnisse aneignen können, um auch zukünftig Sinn und Selbstwert stiftende Tätigkeiten verrichten zu können.