Nur schon die Nachrichten der letzten Wochen zeigen, dass die einst beschauliche Ruhe innerhalb der traditionellen Bankenlandschaft der Vergangenheit angehört. Klassische Banken sind in den letzten Monaten sehr viel aktiver als in den Jahren zuvor. Einige Beispiele im kurzen Überblick.
Ein Blick auf die Aktivitäten der traditionellen Banken
Die Grossbank Credit Suisse hat Mitte Jahr ihre neue Debit Mastercard lanciert, das ist die abgelöste Maestro-Karte mit neuen Flügeln und erweiterten Funktionen. UBS hat kurz darauf nachgezogen und die Global Card vorgestellt – über das eine wie das andere haben wir berichtet.
Die Lancierung erfolgte in beiden Fällen und von den beiden Banken auch so deklariert als Antwort und Alternative auf die Angebote von Challenger-Banken, die (auch) den Grossbanken Kartenkunden abjagen.
Grossbanken denken nicht nur über die frühere Allfinanz-Idee nach, die UBS macht neue Schritte in Richtung Bancassurance und kombiniert Hypo-Abschlüsse mit Lebensversicherungen. Mit den Hypo-Vergleichsplattformen Valuu und Key4 haben die Postfinance und die UBS offensichtlich Grosses vor, beide Plattformen werden nicht reine Vergleichsdienste bleiben, sondern sollen zu Ökosystemen mit erweiterten Leistungen ausgebaut werden.
Die Bank Cler konkretisiert ihre Bitcoin- und Kryptopläne und will 2021 ein Angebot für den Handel und die Verwahrung von digitalen Vermögenswerten lancieren. Die Hypothekarbank Lenzburg, seit Jahren schon die digitale Speerspitze der klassischen Banken, hat sich vor einigen Tagen nicht aufs Ankündigen beschränkt, sondern gleich konkrete digitale Nägel mit Krypto-Köpfen abgeliefert: ihre Open Banking Digital Asset Plattform. Bei den Lenzburgern ist die Tokenisierung und Aufbewahrung digitaler Vermögenswerte bereits Realität.
Auf konkrete Resultate und auch auf weitere Ankündigungen darf man gespannt sein, die neue Bewegung an allen Fronten wird sich fortsetzen und an Tempo noch zulegen.
Und das nächste grosse Ding?
Die Ankündigung der Credit Suisse zu den Plänen der neuen Geschäftseinheit "Direct Banking" unter der Leitung von Mario Crameri hat unsere Redaktion im September 2019 zur Frage veranlasst: Baut die Credit Suisse eine digitale Bank auf der grünen Wiese?
Hintergrund der Frage waren zwei mögliche Szenarien, die in ihrer Sprengkraft sehr unterschiedlich wirken können – die Entwicklung einer Neo-Bank auf der grünen Wiese war eines der denkbaren Szenarien.
Wie die Grossbank diese Woche informiert, will die Einheit "Direct Banking" der CS "Ende Oktober ein neues digitales Angebot auf den Markt bringen, das Flexibilität und Kostenvorteile einer digitalen Bank mit dem Leistungsangebot der Credit Suisse als etablierte, in der Schweiz ansässige Universalbank kombiniert".
Das hört sich jetzt weniger nach digitaler Bank auf der grünen Wiese an, konzipiert mit der Autonomie eines Startups, mehr nach hybrider Lösung, positioniert im Umfeld und innerhalb der Struktur des Mutterhauses. Zudem werden die beiden Geschäftseinheiten "Direct Banking" und "Digitalization & Products" zusammengeschlossen. Die Leitung der neuen Geschäftseinheit "Digital Banking" übernimmt Anke Bridge Haux, bisher Leiterin "Digitalization & Products".
Der bisherige Leiter des Projekts "Direct Banking", Mario Crameri, wird zusammen mit Anke Bridge Haux als Chefin die Früchte seiner einjährigen Aufbauarbeit ernten. Ebenfalls ein Indikator dafür, dass das neue Projekt weniger als Neo-Bank starten wird, sondern eher ergänzende Angebote in der Nähe bisheriger Leistungen lancieren wird, einfach digitaler ausgelegt. Überraschungen bleiben möglich, die CS wird im September im Detail informieren.
Eine Einschätzung von Rino Borini
Unsere Kollegen von der Finanzplattform Finews haben diese Woche den Branchenkenner Rino Borini zum Status und zur Rolle der klassischen Banken im Umfeld der laufenden Entwicklungen befragt.
«Zu glauben, dass die knapp 250 noch existierenden Schweizer Banken alle überleben werden, ist völlig illusorisch», sagt Borini. Wie er zu dieser Aussage kommt und weshalb er "das Mindset in Sachen Digitalisierung bei vielen Banken vermisst" erklärt Borini im Gespräch mit Claude Baumann von Finews: