Unsere kürzliche Analyse zur Entwicklung des Bitcoin hat Reaktionen und Diskussionen ausgelöst. Wir haben am 16. Februar die Haltung vertreten, und tun es noch, dass es völlig irrelevant ist, ob und wann der Bitcoin die 50'000-Dollar-Marke knacken wird. Weil eine "gesunde" Entwicklung der Kryptowährung nicht durch temporär überhitzte Spitzenmarken, sonderen durch zahlreiche andere und wichtigere Faktoren möglich gemacht wird. Unsere Überlegungen von letzter Woche in der Zusammenfassung gibt's hier.
Apropos Spitzenmarken
Einen Tag nach unserer Analyse hat der Bitcoin die Marke von 50'000 US-Dollar übersprungen, um die nächsten Tage stramm und direkt Kurs auf die nächste Marke von 60'000 Dollar zu nehmen. Kurz vor 58'000 Dollar hat er gestern abgedreht, einige Tausender abgegeben, am Montag einige Minuten lang sogar unterhalb von 50'000 notiert, um dann bei Redaktionsschluss wieder auf 54'000 Dollar zurückzukommen. Soweit also alles normal an der Front der volatilen Kryptowährungen.
Die aktuellen Ausschläge spielen allerdings auf einem deutlich stabileren Boden im Vergleich zum Hype Ende 2017 und sind zum Teil erklärbar. Dennoch werden bange Fragen, forsche Behauptungen und verwegene Prognosen nicht weniger – viel Bewegung an der Kryptofront hält die Diskussion in Gang. Diese Gespräche haben auch wir in unterschiedlichen Runden geführt.
Mehrere Punkte sind uns in diesen Diskussionen besonders aufgefallen. Immer wieder aufgeworfene Fragen oder interessante Aspekte haben wir zusammengetragen. Im Folgenden unser Kommentar zu diesen zentralen Themen.
Warum verliert der Bitcoin an einem Tag mehrere Tausender?
Was der Bitcoin beim Aufstieg kann, schafft er auch beim Abstieg. Nach einer bemerkenswerten Klettertour gibt's Gewinnmitnahmen (Verkäufe) von vielen. Dreht zudem der eine oder andere Wal (Halter mit sehr grossen Bitcoinbeständen) am Rad, können die Ausschläge deutlich stärker ausfallen.
Was jedoch auffällt: Bereits seit längerem ist der Bitcoin nicht dramatisch abgestürzt, er hat nach vergleichsweise überschaubaren und auch erklärbaren Tauchern jeweils neuen Anlauf geholt und die aufsteigende Tendenz fortgesetzt.
Vor drei Jahren war noch das Gegenteil der Fall. Nach der Rekordmarke von 2017 hat der Bitcoin den Wert von 20'000 Dollar schnell wieder verloren und hat sich mehr als ein Jahr lang abwärts entwickelt, bis runter auf weniger als 4'000 Dollar.
Das heisst nicht, dass sich das für alle Zeiten so fortsetzen wird, es zeigt aber dennoch, dass der Bitcoin sich heute in einem veränderten Umfeld und auf einem anderen Boden entwickelt.
Wenn Elon Musk twittert, bewegt sich der Bitcoin – wie kommt's?
Autobauer Elon Musk hat mit über 47 Millionen Followern eine enorme Reichweite. Denkt Musk öffentlich über Negativzinsen bei Fiatwährungen nach und bezeichnet als Narr, wer sich nicht nach Alternativen umschaut, wollen offenbar wenige zur Narrenfraktion gehören und kaufen Bitcoin.
In die andere Richtung geht's, wenn Elon Musk auf Twitter Bitcoin und andere Kryptos als hoch bewertet einstuft. Dann scheint ein Teil der Gefolgschaft Schiss zu bekommen und eine Verkaufswelle drückt den Kurs.
Musk ist nicht der einzige Beeinflusser mit Wirkung, im Moment allerdings einer mit sehr viel Gewicht. Gesund sind diese Herden-Reaktionen nicht, sie machen die Märkte nervös. Unglaublich schädlich sind sie allerdings auch nicht, sie forcieren einfach die weiterhin hohe Volatilität von Kryptowährungen.
Sehr viel gesünder ist die kürzliche Investition von Tesla in Bitcoin. Wer 1,5 Milliarden US-Dollar in Bitcoin investiert, setzt ein Signal und das Vertrauen in die Kryptowährung bringt auch andere Marktteilnehmer dazu, sich mit Bitcoin auseinanderzusetzen – Private, institutionelle Investoren und vor allem auch Unternehmen. Das wiederum kann zur längerfristigen Stabilisierung beitragen – das ist viel wichtiger und wertvoller als die kurzfristigen Ausschläge in alle Richtungen.
Welche Rolle spielen klassische Banken?
Bisher spielen wenige Banken eine aktive Rolle, viele eine noch abwartende, abseitsstehende oder warnende Rolle. Das wird sich ändern, sofern weiterhin eine positive Entwicklung im Kryptomarkt zu beobachten ist. Eine zunehmende Zahl von Banken denkt bereits mehr oder weniger laut über ein Engagement nach. Klar ist bereits heute, keine Bank wird ihren Kunden und Anlegern auf Dauer sagen: Bitcoin? Das gibt's bei uns nicht.
Ob Banken Kryptowährungen lieben oder weiterhin argwöhnisch beäugen, ist nicht der Punkt. Klassische Finanzinstitute sind nicht in erster Linie Verfechter von Ideologien, es sind gewinnorientierte Unternehmen. Deshalb werden sie das anbieten, was der Markt verlangt, früher oder später. Tun sie es nicht, geht das Geschäft an ihnen vorbei und an die Konkurrenz, das wird keine Geschäftsbank in Kauf nehmen.
Traditionellen Banken gehören, auch aus regulatorischen Gründen, nicht zu den early Adoptern von Technologien oder neuen Entwicklungen. Im Moment sind Banken dabei, ihre Rolle zu definieren und zu finden. Kommt die Öffnung in einer spürbaren Breite, wird auch das dem Bitcoin und anderen Kryptowährungen einen zusätzlichen Schub verleihen. Der Bitcoin macht damit einen weiteren Schritt in den Alltag und gewinnt durch die neue Selbstverständlichkeit an zusätzlicher Breite und auch an Vertrauen.
Was sagt die Markkapitalisierung über den Bitcoin aus?
In diesen Tagen hat der Bitcoin zum ersten Mal eine Marktkapitalisierung von einer Billion US-Dollar erreicht. Im Vergleich zu Gold, zu Fiat-Währungen oder zum gesamten Aktienmarkt sind diese 1'000 Milliarden weiterhin eine überschaubare Grösse.
Dennoch ist die Marktkapitalisierung ein zentraler Massstab und Vergleichswert, der zum Beispiel sagt: Alle Bitcoins im Umlauf haben aktuell einen Wert, der in etwa 10 Prozent der Kapitalisierung von Gold entspricht. Diese Bewertung hat der einstige Zwerg in nur gerade zwölf Jahren geschafft und das ist ziemlich beachtlich. Damit ist der Bitcoin noch kein Riese, aber ein Phänomen, das von verschiedenen Seiten verstärkt unter genauer Beobachtung steht.
Kann der Bitcoin wieder auf Null fallen?
Theoretisch ist beim Bitcoin fast alles möglich. Die Kryptowährung hat allerdings in den letzten Jahren an Boden, Vertrauen und Breite stark gewonnen. Der Bitcoin wird sich weiterhin volatil gebärden, ein völliger Wertverlust ist jedoch ohne markante Einflüsse von aussen von heute aus gesehen eher schwer vorstellbar. Schwer vorstellbar heisst allerdings nicht unmöglich, wir kommen darauf zurück.
Wird der Bitcoin auf 200'000 Dollar oder mehr steigen?
Inzwischen wagen sich zahlreiche Prognostiker auf die Äste hinaus und nennen Werte, die zwischen 100'000 und 500'000 US-Dollar angesiedelt sind – pro Bitcoin – mit jeweils unterschiedlichen Begründungen. In einem bis in wenigen Jahren. Zum bunt gemischten Spektrum der Prognostiker gehören seriöse Analysten, beseelte Krypto-Enthusiasten, lustige Traumtänzer und andere Exponenten aus zahlreichen Lagern.
Die Mischung aus Glaube, Hoffnung, kühlem Kalkül und auch faktenbasiertem Rechnen taugt nicht allzuviel, weil das noch junge Phänomem "Kryptowährungen" keine Vergleiche kennt. Es gibt keine Historie, aus der Erfahrungen und Erkenntnisse abgeleitet werden könnten. Zudem kann auch dem Bitcoin auf seiner Reise in den prognostizierten Olymp noch allerhand passieren.
Welche Rolle spielt die vielzitierte FOMO für den Bitcoin?
FOMO steht für "Fear of missing out" und beschreibt die Angst, etwas zu verpassen. In Zeiten von Handelsplätzen wie Robinhood und zahlreichen anderen leicht zugänglichen Online-Broker kann das Phänomen FOMO tatsächlich Auswirkungen auf den Bitcoin haben. Allerdings, und einmal mehr, keine sehr gesunden – weder für den Bitcoin noch für die angstgepeinigten Anleger.
Investieren aufs Mal Millionen von Kleinanlegern und Feierabend-Tradern gleichzeitig in Bitcoin, weil Elon Musk getwittert hat, führt das zu kurzfristigen Kurskapriolen, einmal rauf und einmal runter. Wer Angst hat, etwas zu verpassen, investiert oftmals ohne Überlegung und zu einem eher schlechten Zeitpunkt. Fällt der Kurs, und er wird fallen, wird panikartig wieder verkauft.
Breite ist gut und wichtig, diese Breite sollte jedoch organisch wachsen. Der Bitcoin profitiert nicht von Angst-Anlegern und Panik-Verkäufern, so wenig wie die FOMO-getriebenen Anleger selbst. Was dem Kryptomarkt gut bekommt, ist eine wachsende Zahl von kleinen und grossen Anlegern, die bewusst und aus Überzeugung innerhalb ihrer Möglichkeiten langfristig in Bitcoin investieren.
Wer's nicht tut, verpasst überhaupt nichts, die Ängste sind unbegründet. So wie man grundsätzlich zu jeder Zeit langfristig in Aktien investieren kann, so funktioniert das auch bei Kryptowährungen, aktuell einfach mit deutlich höherer Volatilität. Wer als unerfahrener Spontan-Trader von kurzfristigen grossen Gewinnen träumt, sollte besser die Finger von Kryptowährungen lassen – die einzige und beste Möglichkeit, um kurzfristige grosse Verluste zu vermeiden.
Was kann dem Bitcoin gefährlich werden?
Der Bitcoin und einige andere Altcoins entwickeln sich aktuell in einer sehr spannenden Phase und sind dabei, sich als Anlageklasse und als Wertanlage zu etablieren.
Die grösste Gefahr sehen wir im Moment in der Gestalt von Politik, Regulatoren und Nationalbanken. Weniger in Europa, mehr in de USA. Kommen einige Faktoren zusammen, könnte es schwierig werden. Sinkt das Vertrauen in den US-Dollar als Leitwährung, entwickelt sich der Bitcoin weiterhin positiv, nimmt die Marktkapitalisierung stark zu, wird der Bitcoin zu einem sichtbaren und spürbaren Teil des Währungssystems – dürfte das Politiker und Regulatoren aufschrecken, um nicht zu sagen: in Panik versetzen.
War der Bitcoin bisher als "kleine Grösse" und als Experiment geduldet, könnte sich das ändern, wenn er in der Betrachtung einiger Exponenten der genannten Institutionen an Kraft gewinnt. Die USA werden nicht zulassen wollen, dass eine Kryptowährung auch nur im Ansatz die dominierende Rolle der USA, den Dollar als Leitwährung oder die Macht zentraler Institutionen infrage stellen könnte.
Aus dieser Ecke könnte dem Bitcoin und auch anderen Kryptowährungen mittelfristig Gefahr drohen. Vehemente Krypto-Enthusiasten sind überzeugt, dass der Bitcoin weder wirkungsvoll behindert noch verboten werden kann. Sie argumentieren mit der dezentralen Funktionsweise, die sich Staaten und Institutionen entzieht, und auch mit der Vielzahl von gewichtigen Mitspielern aus allen Kreisen und Branchen, die inzwischen mit an Bord sind.
Stimmt. Dennoch teilen wir die Überzeugung der Unangreifbarkeit durch Staaten, Politik und Nationalbanken nicht vollumfänglich. Ausnahme mit Rettungsanker: Sind die wichtigen Exponenten der oben genannten Institutionen am Tag der möglichen Entscheidung bereits alle selbst stark in Bitcoin investiert, könnten sich aufkeimende Bedenken und Gegenmassnahmen leichter und schneller wieder in Luft auflösen.