FinTech-Lizenz

Die Möglichkeiten und Grenzen der FinTech-Lizenz

Entwicklung und Innovation in der Schweiz
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Die FinTech-Lizenz für Schweizer Startups und Finanzdienstleister geht in die finale Phase. Die Vernehmlassung ist gelaufen, wir haben Stellungnahmen und Meinungen zusammengetragen.

Über die FinTech-Lizenz haben wir bereits mehrfach berichtet. Die FinTech-Bewilligung legt fest, innerhalb welcher Leitplanken Startups und junge FinTech-Unternehmen in der Schweiz unter erleichterten Bedingungen operieren können und welche Freiräume genutzt werden dürfen.

Die FinTech-Lizenz hat für engagierte Diskussionen in der Branche gesorgt – und tut es noch. Immerhin entscheidet die finale Ausgestaltung der neuen Lizenz über wesentliche Rahmenbedingungen für eine wachsende Branche und damit auch über die Innovationskraft und die Möglichkeiten von FinTechs. Ein Rahmen, welcher den Finanzplatz und den Wirtschaftsstandort Schweiz stärken kann – oder eben auch nicht.

Die neu geschaffene Bewilligungskategorie für FinTechs

Die Vernehmlassung des Bundesrates vom Februar 2017 zum Thema FinTech enthielt drei Massnahmen, um Innovationen im Finanzbereich zu fördern und Markteintrittshürden für FinTech-Unternehmen abzubauen: 

Die Verlängerung der Haltefrist für Abwicklungskonten und ein bewilligungsfreier Innovationsraum (Sandbox) sind bereits am 1. August 2017 mit einer Änderung der Bankenverordnung in Kraft gesetzt worden.

Die dritte Massnahme – eine neue Bewilligungskategorie im Bankengesetz mit erleichterten Anforderungen – wurde vom Parlament zusammen mit dem Finanzdienstleistungs- und Finanzinstitutsgesetz beraten und mit diesen Gesetzen am 15. Juni 2018 verabschiedet.

Unternehmen, die sich ausserhalb der Kerntätigkeit von Banken bewegen, sollen in Zukunft unter bestimmten erleichterten Voraussetzungen eine Bewilligung erhalten, um gewerbsmässig Publikumseinlagen bis zu maximal 100 Millionen Franken entgegennehmen zu können. Flankierend wurde zudem der Anwendungsbereich des Konsumkreditgesetzes auf die Schwarmkreditvermittlung (Crowdlending) ausgedehnt.

Um die Gesetzesänderungen vollziehen zu können, sind Änderungen auf Verordnungsebene notwendig, davon betroffen sind die Bankenverordnung (BankV) und die Verordnung zum Konsumkreditgesetz (VKKG).

Änderungen BankV und VKKG

Deshalb stehen aktuell die Änderungen der Bankenverordnung (BankV) und der Verordnung zum Konsumkreditgesetz (VKKG) in der Diskussion. Über beide Verordnungen werden zentrale Punkte geregelt, welche insbesondere auch neue die FinTech-Lizenz betreffen. Das Eidgenössische Finanzdepartement EFD hat am 21. Juni 2018 den Entwurf der Bankenverordnung (BankV) zusammen mit einem "Erläuternden Bericht zur Vernehmlassungsvorlage" in die Vernehmlassung geschickt. 

Die Liste der Vernehmlassungs-Adressaten umfasst Kantone, politische Parteien, Dachverbände und weitere interessierte Kreise. Insgesamt 85 Adressaten, welche bis am 21. September 2018 Gelegenheit hatten, Stellung zum Entwurf zu beziehen und ihre Meinung einzubringen. Mit der Idee, dass nach Würdigung der Stellungnahmen und entsprechender Bereinigung der Vorlagen die neuen Regeln bereits am 1. Januar 2019 in Kraft treten sollen.

Die Argumente der Verbände

Wir haben uns die Stellungnahmen von ICT Switzerland, Swiss FinTech Innovations (SFTI) und Economiesuisse angeschaut. ICT Switzerland ist der Dachverband der ICT-Wirtschaft in der Schweiz, Swiss FinTech Innovations (SFTI) vertritt die Interessen von Schweizer Banken und Versicherungen im Bereich Digitalisierung und Innovation, Economiesuisse ist der Dachverband der Schweizer Unternehmen und Wirtschaft.

Nachtrag: Am 24. September 2018 hat auch die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) Ihre Stellungnahme publiziert, die wir aktuell in unsere Analyse mit einbezogen haben.

Die Stellungnahmen der vier Verbände enthalten graduelle Unterschiede, zielen jedoch im Kern auf dieselben Punkte. Diese Einigkeit kommt nicht von ungefähr, es sind die zentralen Punkte, welche über Erfolg oder Nicht-Erfolg der neuen FinTech-Bewilligung entscheiden werden. Die wichtigsten Einwände und Forderungen in der Zusammenfassung:

Zur Änderung der Bankenverordnung BankV

  • Alle genannten Verbände vertreten die Auffassung, dass die Auslegung des Anlage- und Verzinsungsverbots deutlich zu eng gehalten wird und damit den Anwendungsbereich der Fintech-Lizenz erheblich und empfindlich einschränkt. Zudem wird eine Klarstellung verlangt, welche konkreten Anwendungsmöglichkeiten mit einer FinTech-Lizenz gegeben sind. Die Ausführungen im Erläuterungsbericht werden in dieser Hinsich als unklar und verwirrend empfunden.
  • Mit einer FinTech-Lizenz muss den Bewilligungsträgern das Recht auf die Eröffnung eines Kontos bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB) eingeräumt werden. Ohne dieses explizite Recht bestehen kaum sinvolle Anwendungsmöglichkeiten für die neue FinTech-Lizenz.
  • Das geforderte Mindestkapital von 5 Prozent der entgegengenommenen Publikationseinlage wird als deutlich zu hoch bezeichnet. Zumal mit diesen Publikumseinlagen in keiner Form "gearbeitet" werden darf und diese in der Schweiz und getrennt von den eigenen Mitteln zu verwahren sind.

Zur Änderung der Verordnung zum Konsumkreditgesetz (VKKG) 

  • Hier insbesondere und im Zitat die Haltung von SFTI: Diese Änderungen führen zu einer fundamentalen Veränderung der Stossrichtung der Fintech-Vorlage, mit welcher SFTI nicht einverstanden ist. Statt Hürden für digitale und innovative Geschäftsmodelle abzubauen, werden neue Hürden geschaffen. SFTI beantragt deshalb erneut, durch zusätzliche Anpassungen (nun wenigstens der Verordnung) innovative und digitale Finanzdienstleistungen in diesem Bereich für alle Marktteilnehmer zu erleichtern bzw. zu ermöglichen, womit auch der Geist der Fintech-Vorlage gewahrt bleiben würde.
  • Einigkeit besteht bei den drei Verbänden zum Thema der hinderlichen Formvorschriften, welche Hürden für die Digitalisierung setzen und die deshalb abgebaut werden müssen: Die Formvorschrift der "Schriftlichkeit" führt zu unnötigen Medienbrüchen. In der Verordnung ist festzulegen, dass das Formerfordernis der Schriftlichkeit im KKG durch Verwendung einer „in Text nachweisbaren Form“ erfüllt wird.
  • Zudem: Die Liberalisierung der Formvorschrift "Schriftlichkeit" muss auch bei allen andern Themen erfolgen, von welchen Finanztransaktionen typischerweise betroffen sind.

Einigkeit und graduelle Unterschiede

Die vollständigen Stellungnahmen der drei Verbände im Originalwortlauf sind als PDF verfügbar und können hier runtergeladen werden:

Die Sicht der Neo-Banken

Im Verlauf der Entstehung der FinTech-Lizenz haben sich zahlreiche Verteter der FinTech-Branche und insbesondere auch von Crowdlending-Plattformen zum Thema geäussert. Die Sicht von Digitalbanken und Neo-Banken war noch eher dünn portraitiert, weil neue Banken in der Schweiz nicht wie Pilze aus dem Boden schiessen. Allerdings wird in nächster Zeit auch in diesem Zweig vermehrt Bewegung aus der FinTech-Branche spürbar werden.

Die FinTech-Lizenz und der Rahmen dazu sind für Neo-Banken insofern wichtig, als Digitalbanken oftmals unter dem Whitelabel-Schirm eines Finanzinstituts mit Banklizenz oder dann eben mit einer "kleinen Lizenz" starten. Die eigene Vollbanklizenz steht erst in einer späteren Phase zur Diskussion.

Deshalb haben wir uns umgehört und einige Statements in Form von grundsätzlichen Gedanken aus dem Umfeld der Neo-Banken zusammengetragen:

Vollgeld und SNB-Konto

  • Eine Neo-Bank mit FinTech-Lizenz muss praktisch Vollgeld halten
  • Bekommt sie kein Konto bei der SNB, dann muss sie sich eine Partnerbank suchen
  • Die Neo-Bank hat dann ein Guthaben bei der Partnerbank, welche dieses im Zinsgeschäft einsetzen kann und wird
  • Damit wird die vorgesehene 100-Prozent-Deckung und Sicherheit für die Kunden untergraben und reduziert sich auf jene des Partners
  • Der Umgang mit allfälligen Zinserträgen auf dem Konto ist dann auch nicht klar, da die Neo-Bank ja keine Zinsen zahlen darf
  • Auch entstehen zusätzliche Kosten und AML wird auch nicht einfacher

Probleme mit der IBAN

  • Die Neo-Bank will initial unter der FinTech-Lizenz starten, um danach eine Banklizenz zu beantragen
  • Sie möchte den Kunden stabile und haltbare IBANs für ihre Konten geben
  • Bekommt sie jedoch kein SNB-Konto, dann wird das schwierig, weil die Bank (also der Bank-Partner) in die IBAN geschlüsselt ist
  • Die IBAN würde dann zur Partnerbank passen und müsste beim Erwerb der Banklizenz angepasst werden, was die Kunden kaum erfreuen wird

Eigenmittel

  • Eigentlich sind mit der FinTech-Lizenz keine wirklich risikoreichen Geschäftsmodelle möglich, was die Depositen betrifft
  • Der Kunde kann wohl in "heisse Luft" investieren – das hat jedoch nichts mit den Eigenmitteln zu tun
  • Ebenso kann der Lizenz-Inhaber durch Cyberissues oder Fraud geschädigt werden
  • Die eigentlichen Kundengelder, gerade bei einer Neo-Bank, liegen jedoch idealerweise bei der SNB
  • Der 5 Prozent-Eigenmittelanteil und die 100 Millionen Einlagen werden als eher willkürlich gesetzte Limiten empfunden

Weitere Statements

  • Ein Geschäftsmodell ohne Verzinsung der Einlagen wird als machbar epfunden – allerdings nur mit SNB-Konto
  • Man ist der Ansicht, dass der Kunde entscheiden soll, ob sein Geld angelegt bzw. im Zinsgeschäft verwendet werden soll
  • Bei den heutigen Banken werden Einlagen einfach verwendet – der Kunde hat keine Wahl
  • FinTechs, die im Paymentsbereich arbeiten, müssten zwingend ein SNB-Konto bekommen
  • Eigenmittel müssten neu definiert werden, ebenso Obergrenzen 
  • Dass die Begriffe "Bank" und "Sparen" nicht verwenden werden dürfen, wird als seltsame Einschränkung empfunden

Wie geht's weiter?

Sämtliche bis zum 21. September 2018 eingegangenen Stellungnahmen werden geprüft. Welche Einwände und Vorschläge in welcher Form umgesetzt werden, wird sich zeigen.

Der Terminplan aus heutiger Sicht ist straff gehalten – nach Würdigung der Stellungnahmen und entsprechender Bereinigung der Vorlagen, sollen die neuen Regeln bereits am 1. Januar 2019 in Kraft treten.

Die Schweiz hat mit der FinTech-Lizenz und den jetzt notwendigen Änderungen der BankV und VKKG die Chance, für Startups, FinTechs, Neo-Banken und andere Finanzdienstleister einen tragfähigen Boden zu schaffen. Als Grundlage für Ideen, Innovationen und neue Geschäftsmodelle, welche dem Finanzplatz und dem Wirtschaftsstandort Schweiz langfristig interessante Impulse und zusätzlichen Auftrieb verleihen können.