Challenger-Banken

Das Management der Neo-Bank N26 versucht den Schwelbrand mit einer Kanne Öl zu löschen

Feuer und Feuerwehrleute
Bild: Michael Stifter | Getty Images

Passt ein Betriebsrat zu einem Startup? Ja, sagen unzufriedene Mitarbeiter. Nein, sagt das N26-Management – und falls doch, nur mit einem passenden Hygienekonzept.

Ob die Mitarbeitervertretung in Form eines Betriebsrates zu einem hippen Startup passt, ist nur gerade eine philosophische Frage, keine rechtliche. Ab einer bestimmten Betriebsgrösse haben Mitarbeiter in Deutschland das Recht auf einen Betriebsrat.

Wie die Finanzplattform Finance Forward als erste berichtete, wollen unzufriedene Mitarbeiter bei der Challenger-Bank N26 einen Betriebsrat installieren. Begründung der Gruppe der Initiatoren: Das Vertrauen in das Management sei "auf einem historischen Tiefstand". Im Kern werden "fehlende Gehaltstransparenz, hoher Arbeitsdruck und befristete Verträge" ins Feld geführt.

Das Management sieht das anders

Gegenüber Finance Forward teilte das Unternehmen auf Nachfrage mit: Die Gründer und das Führungsteam von N26 "investieren einen grossen Teil ihrer Zeit in die Schaffung einer positiven Arbeitsatmosphäre, die auf gegenseitigem Respekt und Vertrauen basiert und die das Wohlergehen jedes einzelnen N26er zum Ziel hat". Teilhabe und offenes Feedback seien "ein elementarer Bestandteil unserer täglichen Zusammenarbeit".

In einer Mail an die Mitarbeiter haben sich die beiden N26-Gründer Valentin Stalf und Maximilian Tayenthal gegen einen Betriebsrat ausgesprochen. Das gewählte Gremium stünde "gegen fast alle Werte, an die wir bei N26 glauben", schreibt das Management. Und führt weiter aus: "Antrieb: Es verlangsamt uns. Einfachheit: Es macht unsere Zusammenarbeit komplexer und hierarchischer. Integrität: Es untergräbt eine Kultur des Vertrauens und könnte zu einem erhöhten Mass an Konfrontation führen. Exzellenz: Es ist kein zeitgemässes Instrument des Mitarbeiterengagements und schränkt die persönliche Karriereentwicklung und Wirkung ein.“

Unterschiedliche Positionen gehören zum Alltag

Dass Management und Mitarbeiter Situationen und Zustände aus anderen Blickwinkeln betrachten und bewerten können, ist erstmal nicht ungewöhnlich. Zudem ist nicht klar, ob die Gruppe der Mitarbeiter, die sich für einen Betriebsrat stark macht, für einen grösseren oder kleineren Teil der gesamten Crew steht.

In erster Linie stellt sich jedoch die Frage, ob in einer "Kultur des Vertrauens", auf die sich das Management beruft, Probleme, Unzufriedenheiten und Differenzen im Gespräch ausdiskutiert und gemeinsam tragfähige Lösungen gefunden werden können. Das sollte möglich sein. Ist das nicht der Fall, hängt der kulturelle Haussegen möglicherweise schiefer als vermutet.

Fakt bleibt jedoch, dass unzufriedene Mitarbeiter aktiv werden dürfen. Das hatten diese auch vor, in einem Treffen im Hofbräu Wirtshaus Berlin sollten Mitarbeiter von N26 einen Wahlvorstand bestimmen, der die Betriebsratswahlen organisiert.

Wenn Meinungsdifferenzen zur Posse verkommen

Bis zu diesem Punkt ist die fehlende Begeisterung von Gründern und Management für einen Betriebsrat nachvollziehbar. Grotesk wirken allerdings die ergriffenen Gegenmassnahmen, um die Versammlung der N26-Mitarbeiter im Hofbräu Wirtshaus Berlin zu verhindern. In Diskussionen und Gesprächen zwischen den beiden Parteien war eine Annäherung offenbar nicht zu erreichen, deshalb hat das Management versucht, den Schwelbrand mit einer Kanne Öl zu löschen. Finance Forward zur missglückten Löschaktion:

"Der interne Konflikt um eine Betriebsratswahl bei N26 eskaliert. Das Management hat vor dem Berliner Arbeitsgericht eine einstweilige Verfügung gegen die Initiatoren der Mitarbeitervertretung erwirkt. Demnach müssen die N26-Mitarbeiter die für diese Woche anvisierten Wahlen verschieben. Als Grund nennt das Unternehmen in dem Antrag an das Gericht ein mangelndes Hygienekonzept während der Coronapandemie."

Die abgewürgte Mitarbeiterversammlung begründet N26 mit ihrer "Sorgfaltspflicht – gerade während der Corona-Krise". So wären die ausgewählte Gaststätte und die Initiatoren nicht in der Lage gewesen, ein ausreichendes Gesundheits- und Hygienkonzept vorzulegen, das die erforderlichen gesetzlichen Anforderungen erfüllen würde. 

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi sieht das anders und hat dafür gesorgt, dass die Versammlung dennoch in einem rechtlich korrekten Rahmen stattfinden kann.

Es ist angerichtet

Die seltsam anmutende Verhinderungsaktion des Managements mit der etwas nebengleisigen und ziemlich scheinheiligen Begründung der Sorge um die Gesundheit der Mitarbeiter, mag als kreativ durchgehen, intelligent ist sie nicht. Sie ist hochgradig unsensibel, um nicht zu sagen ausgesprochen dumm. Als vertrauensfördernde Massnahme eines besorgten Managements dürfte der plumpe Schritt weder von Mitarbeitern noch von Aussenstehenden wahrgenommen werden. 

Sollten die Initiatoren des Betriebsrates bisher Mühe gehabt haben, weitere Anhänger für eine Mitarbeitervertretung zu finden, hat das Management von N26 mit dieser verkorksten Aktion die Türen für neuen Zustrom sehr weit geöffnet.

Passt die Mitarbeitervertretung in Form eines Betriebsrates zu einem hippen Startup?

Diese Frage wird möglicherweise schneller beantwortet als gedacht – nicht in der Theorie und nicht in Diskussionen, sondern ganz direkt und unmittelbar in der Praxis. Forciert durch eine Kanne Öl, die aus einem Schwelbrand ein loderndes Feuer macht, und durch das schwer nachvollziehbare Agieren von unsensiblen Gründern und jammervoll taktierendem Management. N26 wird aller Voraussicht nach die Berliner Challenger-Bank mit einem Betriebsrat.

Die von einem N26-Sprecher gegenüber Finance Forward abgegebene Erklärung wirkt im Umfeld der aktuellen Ereignisse nur gerade noch als seltsame Mischung zwischen "defensiv" und "zurückrudern", jedenfalls nicht sehr glaubwürdig:

"Wir möchten nochmal deutlich machen, dass weder die Gründer noch das Managementteam von N26 sich gegen eine Arbeitnehmervertretung und -beteiligung – egal welcher Form – stellt oder gegen sie vorgeht“. Sollten "einige unserer Mitarbeiter das Bedürfnis haben, die Feedback-Kultur anders zu organisieren, werden wir dies natürlich voll und ganz respektieren und unterstützen".

Diese in Worthülsen gepackte Schubumkehr dürfte nicht die Kraft haben, das zerschlagene Geschirr in absehbarer Zeit zu kitten. Wirkliches Vertrauen braucht Zeit, Empathie und das Gespräch auf Augenhöhe. Diese Chance scheint das N26-Management für den Moment verpasst zu haben.