Der Unterschied zwischen einer Neo-Bank und einer Challenger-Bank liegt in der Aggressivität. Neo-Banken bieten oftmals gute Leistungen und verhalten sich gegenüber allen Seiten freundlich.
Revolut bietet gute Leistungen und ist nur Kundinnen und Kunden gegenüber freundlich. Die Aggressivität zeigt sich im Marktauftritt, im erhöhten Expansionsdrang und in der Fresslust gegenüber der Konkurrenz – ohne Vorwarnung. Teil dieser Nahrungskette sind klassische Banken und teilweise auch Neo-Banken.
Deshalb ist Revolut eine global operierende Challenger-Bank mit mehr als 45 Millionen Kundinnen und Kunden, 900'000 davon in der Schweiz.
In Absenz des Gastgebers: 900'000 Gäste in der App – ohne Einladung
In der Schweiz ist Revolut bisher nicht als Challenger-Bank aufgetreten. Das hängt damit zusammen, dass das britische FinTech in der Schweiz überhaupt nicht aufgetreten ist und in keiner Weise präsent war. Ohne Niederlassung und ohne entsprechende Bewilligungen war Revolut zur Unsichtbarkeit und zum Schweigen verpflichtet.
Schweizerinnen und Schweizer durften bei Revolut allerdings andocken und Leistungen in Anspruch nehmen. Es war Revolut jedoch untersagt, Einladungen in Form von Werbung und Marketing auszusprechen oder den Markt Schweiz auf irgendeine andere Weise aktiv zu bearbeiten. Zudem konnte Revolut für die Schweiz aus regulatorischen Gründen nicht ihr volles Angebots-Programm freischalten.
Innerhalb von wenigen Jahren hat es Revolut geschafft – trotz fehlender Präsenz und vollständiger Marketing-Windstille – mehr als 900'000 Kundinnen und Kunden für die eigene App zu gewinnen. Für jenen Teil der Leistungen, der in der Schweiz freigeschaltet war. Damit ist Revolut heute schon fast vier Mal grösser als die nächstgrössere Schweizer Neo-Bank.
Apropos Schweizer Pass: Nein, Revolut ist nicht eingbürgert worden. Aber: Ja, die Briten haben alles vorbereitet, um bald schon als Schweizer Challenger-Bank wahrgenommen zu werden.
Warum wird Revolut jetzt in der Schweiz aktiv?
Die Schweiz ist ein kleiner Markt und jeder aktive Markteintritt ist mit massiven Investitionen verbunden. Warum nimmt Revolut das auf sich?
Die Frage lässt sich mit einer simplen Gegenfrage beantworten: Wenn eine Neo-Bank ohne direkte Anstrengungen "einfach so" 900'000 Kundinnen und Kunden an Bord holt, mit welchen Effekten ist dann zu rechnen, wenn dieser Anbieter als Challenger-Bank sichtbar und spürbar mit zusätzlichen Produkten und Angeboten aggressiv Vollgas gibt?
Diese Frage wiederum beantwortet Julian Biegmann, General Manager von Revolut in der Schweiz, mit einer klaren Zielmarke:
Unser Ziel ist es, mindestens 250'000 neue Kunden pro Jahr zu gewinnen
Die bisherige Entwicklung zeigt, dass der Wunsch nach "mindestens 250'000 neuen Kunden pro Jahr" keine utopisch verwegene Zielmarke darstellt.
Zudem kann das Publikumsinteresse in der Schweiz im Vergleich zu anderen Märkten als Glücks- Sonderfall bezeichnet werden. Revolut hat zum Beispiel im direkt bearbeiteten Markt Deutschland rund 2 Millionen Kunden. Das ist beachtlich und in etwa gleich viel wie Erzrivale N26. Beide Konkurrenten sind seit Jahren in Deutschland am Ball.
Ist im zehn Mal kleineren Markt Schweiz ohne direktes Marketing mit 900'000 Kunden bereits fast die Hälfte erreicht, erklärt das den Anlauf, den Revolut nun in der Schweiz holt. Dazu passt die lapidare Bemerkung von Antoine Le Nel, Chief Growth und Marketing Officer von Revolut:
Die Schweiz ist ein ausserordentlich wichtiger Markt für Revolut
Nach eigenen Aussagen ist Revolut im Privatkundensegment in der Schweiz im laufenden Jahr im Vergleich zum Vorjahr bisher um mehr als 29 Prozent gewachsen. Der Zustrom neuer Kunden scheint sich weiterhin zu verstärken.
Die Zahl der Geschäftskunden von Revolut Business ist mit mehr als 39 Prozent noch stärker gewachsen (2024 vs. 2023).
Eine markante Beschleinigung beim Wachstum soll nach Revolut auch beim Kundenvermögen und bei der Anzahl der Transaktionen zu verzeichnen sein.
Die regulatorischen Hürden sind keine mehr
Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) erteilte im Januar 2024 die erforderliche Bewilligung, die es der Revolut Bank UAB und der Revolut Securities Europe UAB ermöglichte, eine offizielle Repräsentanz in Zürich unter dem Namen Revolut (Switzerland) AG zu eröffnen.
Dadurch ist der Weg frei, Revolut Bank UAB und die Revolut Securities Europe UAB können ihre Dienstleistungen den lokalen Kunden zur Verfügung stellen.
Revolut darf nun sämtliche Produkte und Services in der Schweiz anbieten. Einzige Einschränkung: Werbung für den Kryptohandel hat die FINMA der Schweizer Revolut untersagt. Die Krypto-Services darf Revolut jedoch weiterhin im Programm führen, einfach ohne auf Plakatwänden darüber zu reden.
Support von der Postfinance
Damit Revolut wie eine Schweizer Bank starten kann, ohne selbst Schweizer Bank sein zu müssen, setzt die Challenger-Bank auf den Support der Postfinance.
Konten, Gelder und Anlagekonten werden werden unter einer litauischen EU-Banklizenz von Revolut Bank UAB und der Revolut Securities Europe UAB verwaltet.
Allerdings, und das gehört zu den wichtigsten Punkten: Schweizer Kundinnen und Kunden erhalten eine Schweizer IBAN. Das macht das Revolut-Konto Schweiz-tauglich und im Zahlungsverkehr alltagstauglich. Damit das reibungslos klappt, braucht die Challenger-Bank Unterstützung und partnert mit der Postfinance.
Was kommt für Schweizer Kundinnen und Kunden neu ins Programm?
Neben der Schweizer IBAN und der Einlagensicherung bis 100'000 Euro nach EU-Recht öffnet Revolut für Kundinnen und Kunden den Handel mit über 3'000 europäischen und US-amerikanischen Aktien sowie europäischen ETFs.
Wertpapiere können als Fractional Shares, also Aktien in Bruchteilen, gehandelt werden. Ein geschätzter Service, den in der Schweiz bisher nur die Neo-Bank Yuh und neu auch Swissquote anbieten. Dazu kommen im Revolut-Programm Geldmarktfonds und auch der Robo-Advisor steht zur Verfügung.
Geplant sind im Konto- und Zahlungsbereich auch das Bezahlen von QR-Rechnungen und die Anbindung an eBill. Ob Twint eine Rolle spielen soll, wird im Moment noch geprüft.
Revolut kündigt zudem an, dass für den Schweizer Markt laufend neue Angebote und Leistungen aufgespielt werden sollen.
Müssen Banken und Neo-Banken jetzt zittern?
Erstere werden nicht und Letzere müssen nicht zittern. Für Neo-Banken dürfte Revolut schon auch spürbar werden, aber Schweizer Neo-Banken sind in tiefen Gebühren mit Revolut vergleichbar. Wenn die eigene Angebotspalette stimmt, brauchen Neo-Banken den Markteintritt der Challenger-Bank nicht zu fürchten. Der Wettbewerb kann etwas härter werden, aber die Schweiz hat für mehrere wirklich gute Neo-Banken Platz.
Revolut ist auf dem Weg, sich in der Schweiz als Hauptbank mit Lohnkonto sowie mit Spar- und Investitionsmöglichkeiten zu etablieren. Dazu kommen zahlreiche Leistungen, die eine Super-App von einer Banken-App unterscheiden. Das alles zu Konditionen, die in Kosten und Gebühren das Budget von Kundinnen und Kunden schonen. Damit greift die Challenger-Bank vor allem klassische Banken an.
Etablierte Banken haben Revolut als Konkurrenz bisher nicht wirklich ernst genommen. Obschon die Challenger-Bank mit über 45 Millionen Kunden weltweit und mehr als 900'000 Kunden in der Schweiz bewiesen hat, dass sie weiss, wie aggressives Wachstum geht und den Weg zur Profitabilität ebenfalls geschafft hat.
Revolut will für Schweizerinnen und Schweizer zur Hauptbank werden und hat die Weichen dazu bereits gestellt. Die Challenger-Bank verfolgt grosse Ziele und backt traditionellerweise keine kleinen Brötchen. Revolut will mit wachsenden Angeboten und Leistungen überzeugen – und diese neu auch wirkungsvoll inszenieren.
Dadurch wird Revolut nicht nur für Konsumentinnen und Konsumenten sichtbar und spürbar, dieser Effekt dürfte sich langfristig auch bei der einen und anderen klassischen Bank einstellen.