PostFinance verfügt über eine Banklizenz, darf jedoch keine Kredite vergeben. Eine Tatsache, welche der CEO der PostFinance, Hansruedi Köng, wiederholt als massive Einschränkung für eine nachhaltige Profitabilität moniert hat. Nun beschreitet Köng andere Wege, um die Ertragsstruktur für die PostFinance zu diversifizieren und neue Ertragsquellen zu erschliessen.
Das Projekt
Die PostFinance geht ein Joint Venture mit Lendico ein, beteiligt sich an der Lendico Schweiz AG und begleitet aktiv Start und Entwicklung der neuen Crowdlending-Plattform lendico.ch. Die Plattform schafft für KMU in der Schweiz die Möglichkeit der alternativen Finanzierung über die Crowd, indem sie Kreditnehmer und Investoren zusammenbringt und die Abwicklung von Krediten koordiniert. Jenseits der klassischen Bankenfinanzierung.
Wer ist Lendico?
Der internationale Online-Crowdlending-Marktplatz Lendico ist 2013 gegründet worden, schnell gewachsen und operiert heute in sieben Ländern. Lendico hat ihren Hauptsitz in Berlin und spricht nach eigenen Angaben weltweit 350'000 Nutzer an. Lendico verfügt über breite internationale und auch länderspezifische Erfahrung im Crowdlending und startet die Plattform Nummer 8 in der Schweiz. Für Schweizer KMU und in Kooperation mit PostFinance.
Lendico über Lendico
Das Unternehmen selbst positioniert sich auf der Website so: Lendico ist die digitale und schnelle Alternative zu Banken und bringt Kreditnehmer und Anleger direkt zusammen. Als Marktplatz für Privat- und Unternehmenskredite macht unser Team Schluss mit teuren Krediten, hohen Bearbeitungsgebühren und schlechtem Service. Die Kreditvergabe erfolgt vollständig online, ohne Filialnetz und setzt auf modernste Technologie, um die Kosten zu reduzieren und die Handhabung für die Nutzer zu optimieren. Dadurch kann Lendico Unternehmen und Privatpersonen günstige Kredite und Anlegern attraktive Renditen anbieten.
Lendico über die Kooperation mit PostFinance
«Mit ihrer 110-jährigen Erfahrung im schweizerischen Bankgeschäft und ihren rund 3 Millionen Kundinnen und Kunden können wir uns für den Markteintritt in die Schweiz keine bessere Partnerin als PostFinance vorstellen.»
Dr. Dominik Steinkühler, Mitgründer und Geschäftsführer von Lendico
Die Details
Das neue Schweizer Crowdlending-Portal für Unternehmenskredite wird betrieben von Lendico Schweiz AG, einer gemeinsamen Gesellschaft von PostFinance und Lendico. Der Start ist im vierten Quartal 2016 vorgesehen. Im Fokus der Crowd-Finanzierungen stehen kleinere und mittelgrosse Unternehmen.
Details zum Kreditrahmen sind noch nicht bekannt. Lendico Deutschland operiert aktuell mit Kreditsummen zwischen 10'000 und 250'000 Euro. Die Bandbreite dürfte in der Schweiz eher höher liegen, um KMU bei ihren Bedürfnissen abzuholen und den Kreis potenzieller Kreditnehmer möglichst breit zu fassen. Die von der Commerzbank kürzlich lancierte Crowdlending-Plattforum Main Funders arbeitet im Bereich KMU mit einem Rahmen zwischen 200'000 bis 10 Millionen Euro.
PostFinance über die Kooperation mit Lendico
«Unser Anspruch an diese Kooperation ist es, Crowdlending in der Schweiz aus dem Nischenstatus in den Massenmarkt zu heben. Die Kombination der Innovationskraft von Lendico und unseren Strukturen in der Schweiz bringt beste Voraussetzungen für die zukünftige Marktführerschaft der Lendico Schweiz AG.»
Hansruedi Köng, CEO von PostFinance
Die Auswirkungen
"Wir sind Lendico, mit uns braucht Geld keine Bank", sagt Lendico, tut sich mit der PostFinance zusammen und schafft damit in der Schweiz eine neue Ausgangslage für Mitspieler im Markt und auch für Kunden.
Interessant ist: Crowdlending braucht tatsächlich keine Bank. Entdeckt jedoch eine Bank Crowdlending als strategischen Kanal, öffnen sich neue Spielvarianten und ertragreiche Gechäftsfelder. Bisher betreiben zum Beispiel die Kantonalbanken BLKB und LUKB bereits aktiv eigene Plattformen. Steigt eine der grossen Bank ins Crowdlending-Geschäft ein, verschieben sich damit Gewichte und Relationen im noch jungen Markt. Das dürfte dem Gesamtmarkt und damit der "Bewegung" Crowdfunding und Crowdlending in der Schweiz kräftig Auftrieb verleihen. Mit Gewinnern und möglicherweise auch mit Verlierern.
Das Win-Win-Win-Dreieck
KMU gehören zu den Gewinnern, weil sie eine alternative Form der Kapitalbeschaffung in Anspruch nehmen können – zu interessanten Konditionen. Investoren ebenfalls, weil die neue Anlageklasse attraktive Renditen bietet – besonders willkommen im aktuellen Zinsumfeld. Lendico Schweiz AG und damit die PostFinance gehören ganz sicher zu den Gewinnern, weil kalkulierbare Provisionen und Gebühren eingefahren werden und gleichzeitig das Ausfallrisiko von Krediten an die Investoren delegiert wird. Zudem schliesst PostFinance eine bis anhin oft beklagte Lücke im Angebots-Porftfolio: ab 4. Quartal 2016 ist die PostFinance im Firmenkreditgeschäft aktiv mit dabei. Indirekt als Vermittlerin und auf alternativen Kanälen, aber nicht minder aktiv.
Gibt's auch Verlierer?
Das wird sich zeigen. Die Freude anderer Banken, mit oder ohne Crowdlending-Plattform, dürfte sich in Grenzen halten, weil mit PostFinance neu ein Schwergewicht die Bühne der KMU-Finanzierungen betritt.
Die neue Plattform wird sich in Sachen Marketing und Kommunikation kaum in Zurückhaltung üben. Das ist für die Verbreitung und die Akzeptanz der alternativen Finanzierungsformen generell erstmal ein Gewinn.
In einer späteren Phase könnte es für das eine oder andere Fintech Startup eng werden, das im Bereich Crowdfunding und Crowdlending operiert. Nur: So wie Banken keinen Artenschutz geniessen, wenn findige Startup-Unternehmen in ihren angestammten Kernmärkten operieren, so besteht auch kein Artenschutz für Fintechs, wenn Banken innovativ unterwegs sind. Zumal sich, wie das aktuelle Beispiel zeigt, innovative Kräfte oftmals durch Kooperationen zwischen Banken und Startups potenzieren können. Der Markt wird Antworten liefern. Wir sind gespannt und bleiben dran.
Lendico Deutschland: Website
Lendico Schweiz: Schon mal ein "Grüezi"
Stichworte im Lexikon zum Thema: Crowdfunding | Crowdlending | Fintech