Digitalisierung ist Chefsache

« Krypto-Finanz ist ein wichtiger Pfeiler für die moderne Schweiz »

Dr. Arthur Vayloyan, Co-CEO, Bitcoin Suisse

Arthur Vayloyan über die Bedeutung von Blockchain und Kryptowährungen, den Finanzplatz Schweiz und die Rolle von Bitcoin Suisse.

Interview: Marc Landis

Bitcoin Suisse ist der Krypto-Pionier in der Schweiz. Seit zwei Jahren führt der ehemalige Credit-Suisse-Banker Arthur Vayloyan das Unternehmen als CEO. Mit Zukunft Banking spricht er über die Chancen von Blockchain und Kryptowährungen für den Schweizer Finanzplatz und outet sich als Fan der Schweizer Landesregierung.

Welche Bedeutung haben Blockchain und Kryptowährungen für die Finanzindustrie?

Arthur Vayloyan: Die epochale Bedeutung der Blockchain-Technologie und deren Anwendung für sogenannte Kryptowährungen ist weit grösser, als gemeinhin angenommen wird. Dass aber gleich alles umgepflügt wird, scheint mir eine zu radikale Vorhersage. Doch eins nach dem andern: Die erste dezentrale Applikation für digitale Zahlungen war die Kryptowährung Bitcoin. Lanciert im Oktober 2008 mit einem kurz gehaltenen White Paper. Just zum Zeitpunkt, als die Finanzwelt kurz vor dem Kollaps stand und beinahe die Weltwirtschaft mit in den Abgrund zog.

Ab dem 3. Januar 2009 wurde dann das dezentrale kryptobasierte Zahlungssystem Bitcoin mit dem ersten Block aufgeschaltet und läuft nun seit über zehn Jahren 7/24 ununterbrochen. Technisch eine grosse Leistung. Noch viel wichtiger aber: Es wurde damit gezeigt, dass ein Wertaustausch über das Internet zwischen zwei Parteien ohne Einschaltung einer zentralen Drittpartei möglich ist. Das «Internet of Money» war geboren. Der bisherige Informationsaustausch übers Netz wurde damit um einen entscheidenden Anwendungsfall erweitert. So etwas galt lange als schlicht unmöglich. Denn es ist ja gerade die Eigenschaft von digitalen Daten, beliebig kopierbar zu sein, und das zu Grenzkosten von fast null. Für einen Werttransfer zwischen zwei Parteien ist diese Eigenheit der beliebigen Kopierbarkeit aber wertlos, im wahrsten Sinne. Das Verwenden einer Blockchain gekoppelt mit vielen anderen technischen Innovationen ermöglichte dann diese raffinierte Lösung. Heute redet man in diesem Zusammenhang auch manchmal etwas stelzig von DLT, was für Distributed Ledger Technology steht.

Wir sind nur erfolgreich, wenn wir innovativ bleiben, und das ist nicht naturgegeben

Klingt gut, aber finden Banken das auch so toll? Sie sind ja Intermediäre ...

Die harte Realität: Die Banken verlieren zunehmend ihre Stellung als vertrauensvoller Intermediär. Enormer Kostendruck, schwindende Margen und der potenzielle Verlust ganzer Geschäftszweige tun das Ihrige dazu. Die Anwendung der vielfältigen Möglichkeiten der DLT könnte teilweise helfen, um positive Skaleneffekte zu erzielen. Konkret etwa bei den komplizierten und zum Teil immer noch sehr langsamen Abrechnungs- und Abwicklungsprozessen, gerade im globalen Geschäftsverkehr. Dort  ist das Potenzial gross. Es ist erfrischend zu sehen, dass  nach anfänglicher grosser Skepsis und lähmender Zurückhaltung immer mehr Banken Initiativen für Blockchain-Anwendungen starten und sogar ein Angebot für Investitionen in Kryptowährungen aufschalten.

Sie sind mit Bitcoin Suisse vor allem im Handel mit Kryptowährungen engagiert. Wie steht es um die Regulierung von DLT und Kryptowährungen hierzulande?

Ich bin schlicht begeistert. Vor allem vom Bundesrat, der eine herausragende Führungsrolle rund um das Thema DLT eingenommen hat. Er hat sehr früh erkannt, dass sich die Finanzbranche in der Schweiz auch in diesem Bereich bewegen muss und veröffentlichte schon 2014 einen Bericht zu virtuellen Währungen. Seither zeigte sich die Landesregierung, aber auch die Regierung der Stadt Zug als sehr förderlich für die Anliegen der jungen Krypto-Branche. Eine im März 2019 lancierte Vernehmlassung zur Anpassung des Bundesrechts im Bereich Blockchain und DLT ist ein weiterer wichtiger Schritt. Und die oft kritisierte FINMA war sehr lösungsorientiert, als sie im Februar 2018 ihre Aufsichtsmitteilung zu den ICOs publizierte. Eine Mitteilung, die übrigens weltweit positive Beachtung fand.

Wie geht es Bitcoin Suisse?

Ich bin nun schon zwei Jahre als CEO bei Bitcoin Suisse und wir haben viel erreicht und einige Herausforderungen gemeistert, inklusive der Erklimmung des Breithorns auf 4164 Meter mit einem Grossteil der Truppe. Ein bisschen stolz darf man da schon sein, vor allem auch auf das geniale Team bei Bitcoin Suisse. Die zupackende und positive Haltung motiviert und ist Ansporn zugleich, dezidiert und umsichtig unser Wachstum voranzutreiben. Als ich am 13. November 2017 anfing, waren wir 20 Leute, heute sind es fast 120. Wir haben 50 Millionen Franken Eigenmittel erwirtschaftet und das mit einem Startkapital von hunderttausend Franken. Ich bin auch zufrieden, wie sich das Image der Branche insgesamt laufend verbessert.

Auf welchen Säulen basiert das Geschäft von Bitcoin Suisse?

Bitcoin Suisse befindet sich heute in der strategisch guten Position, verschiedene umsatzstarke Geschäftssparten zu betreiben. Zum traditionell wichtigen Handels- und ICO-Geschäft konnten wir über die letzten Jahre auch die ausschliesslich in der Schweiz installierte und ISAE-3402-geprüfte Verwahrlösung für Kryptovermögen weiter ausbauen. Eine äusserst wichtige Dienstleistung, welche unseren Kunden die hochsichere Lagerung von über einer Milliarde USD in Kryptovermögen ermöglicht. Weiter können unsere Kunden ihre bei uns verwahrten Kryptovermögen belehnen und sind so zum Beispiel nicht gezwungen, im falschen Moment verkaufen zu müssen.

Eine Vielzahl weiterer lukrativer Geschäftszweige kommt noch hinzu, welche fürs breite Publikum noch recht exotische Namen tragen, wie zum Beispiel die Tokenisierung und das Staking. Vielleicht etwas handfester ist die kürzlich bekannt gegebene Partnerschaft mit Worldline, dem europäischen Marktführer im Bereich Zahlungsverkehr oder auch unsere umfassende Beratungs- und Analysetätigkeit zu wichtigen kryptobasierten und regulatorischen Fragestellungen.

Wozu benötigt Bitcoin Suisse eigentlich eine Banklizenz?

Wir haben unser Gesuch für eine Bank- und Effektenhändler-Lizenz Anfang Juli 2019 bei der FINMA eingereicht. Bis zur Lizenzerteilung wird es noch etwas dauern und man kann sich hier nur in Geduld üben. Aber im Unterschied zu den beiden lizenzierten Krypto-Neulingen blicken wir auf ein Geschäft mit soliden Einnahmen und einem gut diversifiziertem Kundenstamm. Zu Beginn haben wir nur die Effektenhändler-Lizenz angestrebt. Dies ergab sich als zwingende Massnahme durch die ICO-Wegleitung der FINMA, welche eine bestimmte Gruppe von Kryptovermögen als sogenannte Effekten taxierte. Der Handel mit dieser Kategorie von Kryptovermögen kann nur von einem lizenzierten Wertschriftenhändler betrieben werden. Nach erster Analyse haben wir dann erkannt, dass der Weg zur Banklizenz nicht mehr allzu weit ist und eine recht interessante Arrondierung des Angebots erlaubt.

Wir können zum Glück auf viele Jahre Geschäftserfahrung blicken und die Lizenzen werden uns erlauben, weitere Produkte und Dienstleistungen auf den Markt zu bringen und diese noch viel intensiver zu bewerben. Das kryptobasierte Finanzgeschäft ist ganz am Anfang. Das mögliche Aktionsfeld ist gross, und in seiner ganzen Dimension noch schwer zu überschauen. Spannend scheint mir, dass die vielfach zitierte Demokratisierung weiter Bevölkerungsteile ohne jeglichen Zugang zu finanziellen Basisdienstleistungen gerade wegen der Möglichkeiten der Krypto-Finanz-Produkte stark vorangetrieben wird.

Die ganze Kryptowelt ist auf Dezentralisierung und die Ausschaltung von Intermediären wie etwa Banken ausgerichtet. Warum brauchen Krypto-Unternehmen eine Banklizenz?

Wenn man Banking im Rahmen der geltenden Bestimmungen anbieten will, braucht es eine Lizenz, und zwar eine Bank-Lizenz. Unabhängig davon ist es aber aus Sicht der Kunden so, dass man im Krypto-Umfeld die Technologie von der zugehörigen Dienstleistung trennen sollte. Die Technologie ist dezentral aufgebaut und das bietet viele neue Anwendungen und Vorteile. Das ist so lange eine gute Sache, wie nichts schiefgeht und der Wert der Transaktionen insgesamt überschaubar bleibt. Wenn es aber um grössere Investments geht, braucht es entsprechende Expertise. Kunden schätzen dann erfahrene und professionelle Dienstleister, die sich seit Jahren täglich mit dem Thema beschäftigen und sehr genau wissen, worauf man achten muss.

Weiter ist es auch nicht für alle gleich spannend, sich tief mit den technischen und sicherheitsbezogenen Anforderungen auseinanderzusetzen. Das ist eher etwas für Enthusiasten mit hoher Affinität zur Technik. Aber selbst dieses Segment geniesst die Vorteile eines erfahrenen Dienstleisters wie Bitcoin Suisse. Und auf dem Weg bis zur schlüsselfertigen kundenfreundlichen Lösung wird es noch eine Weile dauern. Bis dahin sind wir sicher sehr gefragt.

Wie sehen Sie die Zukunft des Schweizer Finanzplatzes? Welche Veränderungen stehen mittel- und langfristig ins Haus?

Der Finanzplatz Schweiz muss sich den neuen Technologien stellen, auch der DLT, um daraus Innovationen zu schöpfen. Dafür braucht es die entsprechenden Rahmenbedingungen, welche die Regierung zurzeit hervorragend ausarbeitet. Es ist ein Privileg, in einem Land zu leben, dessen politische Führung mit so viel Augenmass für die wirtschaftlichen und technologischen Rahmenbedingungen agiert. Wir sind nur erfolgreich, wenn wir innovativ bleiben, und das ist nicht naturgegeben. Innovation ist Programm und Krypto-Finanz ist ein wichtiger Pfeiler für die moderne Schweiz, die weltbekannte Crypto Nation Switzerland.


Digital Mindset

Auf einer Skala von 0 bis 10:

Wie digital fit sind Sie?

  • 7

Wie digital fit ist Ihr Unternehmen?

  • 10

Wie sehr werden neue Technologien (wie Blockchain, AI, Machine Learning, AR / VR) die Branche verändern?

  • 9

Wie sehr möchten Sie als Opinion Leader in diese neuen Technologien für die Zukunft investieren?

  • 8-10

Vision 2050

Wie sieht das Banking im Jahre 2050 aus?

Technologie wird das Banking nachhaltig verbessern. Dinge, die heute noch holprig und hemdsärmelig daherkommen, werden unser Leben nachhaltig bereichern.

Warum spielt Ihre Firma dann noch eine Rolle?

Weil wir bis dato sehr erfolgreich waren, anpassungsfähig sind und uns den Veränderungen sehr aufgeschlossen zuwenden und aktiv mitgestalten.

Warum ist Ihr Unternehmen spannend für die Generation Y und Z?

Wir haben dank unseren Gründern und unserer Geschichte eine offene und interessierte Geisteshaltung gegenüber Neuem. Bitcoin Suisse ist nicht nur für bestimmte Generationen da, sondern für Menschen, denen diese dynamische und offene Kultur gefällt.